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Schritt für Schritt zum Schisma

Bild: Wikimedia CommonsDie Anordnung des Malteser-Großmeisters Dalla Torre, Liturgien des Ordens zukünftig ausschließlich in der „ordentlichen Form“ des römischen Ritus zu feiern, hat zahlreiche Fragen aufgeworfen und vielfach Kopfschütteln ausgelöst. Kopfschütteln nicht zuletzt deshalb, weil der Malteserorden eine reine Laienvereinigung darstellt, der keine Priester angehören, denen der Orden etwas vorschreiben könnte. Dann aber auch deshalb, weil Zahl und Umfang von Ordensliturgien im eigentlichen Sinn höchst überschaubar sind – mehr als die Jahreskapitel und die eher seltenen Professfeiern kommen da kaum in Frage. Wenn die Ordensangehörigen einer Stadt oder einer Regionalgliederung gemeinsam an einer hl. Messe teilnehmen, dann sind sie zunächst einmal Messbesucher wie alle anderen auch. Sie können dem Zelebranten einer Messe schwerlich vorschreiben, wie er zelebrieren soll – und ihr Großmeister kann ihnen schwerlich vorschreiben, an welchen Messen sie teilnehmen dürfen und an welchen nicht.

Zweifel an der rechtlichen Solidität der Anordnung werden weiterhin dadurch genährt, daß es kirchenrechtlich durchaus unklar ist, ob Art. 3 von Summorum Pontificum (nicht Summorum Pontificium wie der Erlaß irrtümlich schreibt) überhaupt im Sinne einer solchen pauschalen Untersagung ausgelegt werden kann – nun ja, das hat als Rechtsfrage im Pontifikat der Willkür nicht viel zu besagen.

Weitere Fragen gelten den Gründen, diese Anordnung zu diesem Zeitpunkt herauszugeben. Die meisten Beobachter vermuten, daß Großmeister Giacomo Dalla Torre selbst nicht der Urheber der Aktion ist. Der frühere Professor für Literaturwissenschaft (geb. 1944) gehört einer italienischen Adelsfamilie – voller Name Dalla Torre del Tempio di Sanguinetto – an, die seit vielen Generationen den Ritterorden der Kirche verbunden ist. Er selbst hat in den vergangenen 25 Jahren Jahren zahlreiche (Ehren-)Ämter in der überaus vielgestaltigen Ordensleitung der Malteser bekleidet, sein Bruder Giuseppe war in der gleichen Zeit Generalstsatthalter des Ritterordens vom Heiligen Grab. Kirchenpolitisch sind beide nie besonders hervorgetreten, Treue zur Kirche und Gehorsam gegenüber denjenigen, die im Namen von Kirche und Papst sprechen oder zu sprechen vorgeben, ist für sie Ehrensache.

Von daher richten sich die Blicke derer, die einen Urheber der Aktion suchen, auf den von Papst Franziskus in innergeminschaftlichen Machtkämpfen unterstützten Großkanzler und „starken Mann“ des Ordens, den Deutschen Albrecht Freiherr von Boeselager.

Hier geht es weiter Der Mann, der unter anderem den schönen Ordens-Titel eines „Ehren- und Devotions-Großkreuz-Baili in Obedienz“ führt, gilt desungeachtet als Mann einer entschiedenen Modernisierung, der mit spirituellen Nostalgien und anderen „alten Zöpfen“ im Orden gründlich aufräumt und die beträchtliche finanzielle Potenz des Ordens, seine organisatorischen Kompetenzen und seine Weitreichende Vernetzung in Politik und Wirtschaft für den Umbau in eine schlagkräftige NGO nutzbar macht – einen starken Mitspieler auf dem Weltmarkt humanitären Hilfsorganisationen. Boeselager gilt als Vertrauensmann der Mehrheitsfraktion in der deutschen Bischofskonferenz, deren Säkularisierungskurs er unterstützt und in seinem Aufgabenbereich kräftig vorantreibt.

Das alleine kann schon eine starke Motivation bieten, die überlieferte Liturgie und deren insbesondere in England und den USA starke konservative Anhänger im Orden zu schwächen oder nach Möglichkeit ganz zu vertreiben. Dazu mögen persönliche Motive kommen: Boeselager war schließlich der letzten Endes mit Unterstützung von Franziskus siegreiche Widerpart von Kardinal Burke in der Kondom-Affäre von 2016. Da sind noch alte Rechnungen offen. Nominell ist der große Förderer der alten Liturgie Burke zwar immer noch „Kardinalpatron“ des Ordens, faktisch jedoch völlig marginalisiert, und die Anordnung bezüglich des Verbots der überlieferten Liturgie kann auch dem begriffstutzigsten Grafen, Earl oder Conte des Ordens vor Augen führen, wer ab jetzt das Sagen hat.

Einige Formulierungen aus dem Erlaß des Großmeisters lassen noch weiterreichende Perspektiven aufscheinen. Wie bereits vor ihm einige Bischöfe, die die überlieferte Liturgie im Widerspruch zum geltenden Recht praktisch aus ihren Diözesen verbannt haben, behauptet Dalla Torre, die Notwendigkeit zur Sicherung von, „Zusammenhalt und Gemeinschaft“ in dem ihm „von der Vorsehung anvertrauen“ Ordens habe ihn zu seiner Entscheidung veranlaßt. Das könnte, sofern keine Korrektur erfolgt, zur Vorlage werden, die Dekanate, Bistümer oder ganze Bischofskonferenzen zu ähnlichem Vorgehen ermutigt.

Denn es stimmt ja: Die Liturgie ist eine der Fronten (schrecklich zutreffendes Wort), an denen die tiefe Spaltung in der Kirche so sinnfällig erkennbar wird wie an kaum einer anderen. Zwischen dem Glauben und dem moralischen Weltbild und Verhalten der Meheheit von Menschen, die bewußt die Liturgie in der einen oder der anderen Form feiern, gibt es weitaus mehr Unterschiede als Gemeinsamkeiten. Das Schisma ist längst eingetreten, wenn auch noch nicht notifiziert. Maßnahmen wie die Dalla Torres bilden unübersehbare Schritte auf dem Weg dorthin.

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Hier unsere Randspalte vom 12. Juni mit dem Text des umstrittenen Erlasses:

Bild: Kopie des Verbotserlasses

Wie inzwischen nach anfänglichen Unsicherheiten bestätigt wurde, hat der Chef der Malteserriter unter Berufung auf eine das angeblich ermöglichende Bestimmung in Summorum-Pontificum art 3 die Verwendung der überlieferten Liturgie für alle Zeremonien und Feierlichkeiten seiner Organisation untersagt.

Der Vorstoß kommt insofern unerwartet, als das römische Establishment sich bisher gegenüber liturgischen Fragen weitgehend uninteressiert zeigte und kein Interesse daran zu haben schien, hier zusätzliche Fronten zu eröffnen. Wir werden versuchen, mehr über die Hintergründe zu erfahren.

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