Kompromiss Konzelebration?
- Details
- 30. April 2022
Die äußerst knapp abgefasste Mitteilung der Petrusbruderschaft, daß der Augsburger Bischof Meier am 28. Mai mehreren Subdiakonen der Gemeinschaft die Diakonenweihe erteilen wird, ist bislang soweit wir sehen weder in der breiteren kirchlichen Öffentlichkeit noch in den Kreisen der Tradition zur Kenntnis genommen worden. Das ist insoweit erstaunlich, als bisher noch kein amtierender deutscher Diözesanbischof bereit war, Kandidaten einer der altrituellen Gemeinschaften das Sakrament der Weihe zu spenden. Man muß die Wigrazbader Ankündigung deshalb nicht gleich zur Sensation erklären – ein Anlaß, über den aktuellen Stand der Dinge um die Gemeinschaften des überlieferten Ritus nach Traditionis Custodes nachzudenken, ist sie allemal.
Diese Gemeinschaften sehen sich nach dem Erlaß von Traditionis Custodesim vergangenen Sommer und dessen weitgehender Relativierung mit dem Dekret des Papstes vom 11. Februar in einem reichlich merkwürdigen Schwebezustand. Auf der einen Seite hat dieses Dekret klargestellt, daß die Petrusbruderschaft in ihren Häusern und Oratorien von den meisten Einschränkungen durch das Motu Proprio dispensiert ist. Dabei bleibt allerdings unklar, wie interner Gebrauch und öffentliches Wirken abzugrenzen sein sollen. Die der Petrusbruderschaft übertragene Pfarrei Santissima Trinita dei Pellegrini in Rom hat in diesem Jahr das österliche Triduum in der gewohnten Form und öffentlich gefeiert, obwohl ein Erlass des römischen Generalvikars dem zunächst entgegenzustehen schien. Sie scheint auch sonst ihre öffentliche Tätigkeit in der gewohnten Weise fortzusetzen. Ebenfalls unklar ist die Rechtslage für die anderen altrituellen Gemeinschaften, die im Dekret für die FSSP nicht erwähnt sind. Sie verfahren, soweit wir sehen, ohne besondere Erlaubnisse einzuholen so, als ob sie im Februar-Dekret mit gemeint wären – und es ist römischerseits auch kein Widerspruch bekannt geworden.
Auf der anderen Seite haben in den USA und in Europa mehrere Bischöfe – möglicherweise nach dahingehender Aufforderung aus Rom – mitgeteilt, daß sie der Petrusbruderschaft TC entsprechend untersagt haben, den überlieferten Ritus in Pfarrkirchen zu zelebrieren. Dabei bleibt freilich unklar, inwieweit in den betreffenden Diözesen die Bruderschaft überhaupt in Pfarrkirchen tätig war und ob ihr gegebenenfalls Ausweichmöglichkeiten geboten worden sind. Nach zahlreichen Pfarreizusammenlegungen gibt es zumindest in Deutschland in allen größeren Orten genug geeignete Kirchen, die keine Pfarrkirchen sind. Aus den USA sind Fälle bekannt, in denen genau diese Möglichkeit genutzt worden ist. Selbst in den Bistümern erklärter Feinde der überlieferten Liturgie wie des Kardinals Cupich von Chicago scheint es nach wie vor eine Art „Grundversorgung“ für die altrituellen Gläubigen zu geben. Die konkreten Regelungen vor Ort werden nicht nur in Chicago mit einiger Diskretion behandelt. Es breiten sich Grauzonen aus – und das muß nicht unbedingt das schlechteste sein.
Die von TC ausgehenden Gefahren sind mit dieser Entwicklung jedoch keinesfalls gebannt. Die unselige und weder rechtlich noch theologisch haltbare Formulierung von den Büchern Pauls VI. als der einzig legitimen Lex orandi des römischen Ritus ist nach wie vor in der Welt, und wenn derzeit darauf verzichtet wird, die daraus möglichen erdrosselnden Maßnahmen zu exekutieren, bedeutet das nicht, daß die Bedrohung vom Tisch ist.
Aber der unerwartete Schritt der Ankündigung, daß Augsburgs Bischof Meier für das in seinem Jurisdiktionsbereich liegende Priesterseminar der FSSP Diakone weihen wird – so etwas geschieht sicher nicht ohne Konsultation mit oder sogar Anregung von Rom – deutet darauf hin, daß derzeit keine Konfrontation gesucht wird. Noch nicht einmal ein Jahr nach der Verkündung vom TC sieht es so aus, als sei die Wirkung des Motu proprio weitgehend verpufft und befinde sich die faktische Situation für die Gläubigen des alten Ritus – nicht die rechtliche Stellung der Priester – weitgehend wieder auf dem status quo ante.
Damit stellt sich erneut die Frage, wer da in Rom die Fäden gezogen hat und was die Ziele der mit einem Donnerschlag ins Werk gesetzten Aktion waren. An den langfristigen Zielen der Hardliner um San Anselmo hat sich wohl kaum etwas geändert: Die überlieferte Liturgie soll verschwinden, basta. Aber Papst Franziskus selbst scheint dieses Ziel nicht mehr so nachdrücklich zu verfolgen und so schnelle Ergebnisse zu erwarten, wie das anfänglich den Anschein hatte. Vielleicht hat es ihn auch überrascht, daß insbesondere die Petrusbruderschaft, die man ihm wohl als eine zum Schisma entschlossene Truppe von Spaltungswilligen dargestellt hatte, so gar nicht bereit war, diesem Bild zu entsprechen. Der Wille zur Aufgabe der Gemeinschaft mit Rom ist bei den Progressisten der deutschen Synodalkirche erkennbar stärker als bei den Altrituellen. So gesehen scheinen diese Gemeinschaften dem vor allem machtpolitisch denkenden Franziskus keine konkrete Gefahr für seine Stellung zu bedeuten, und Liturgie interessiert ihn ohnehin nicht.
Von daher scheint ein Kompromiss zwischen den beiden zunächst unvereinbar erscheinenden Positionen Roms und der Priestergemeinschaften möglich geworden zu sein. Anscheinend kam es zu ausnahmsweise einmal wirklich geheim bleibenden Gesprächen, die dann zu dem unerwarteten Dekret vom 11. Februar und dem durchaus freundlich verlaufenden Besuch von zwei führenden Mitgliedern der Petrusbruderschaft bei Franziskus führten.
Und damit stellt sich die zweite Frage: Was könnte dann den Gegenstand eines Kompromisses gebildet haben? Wer hat was gegeben?
Wir erinnern uns: Den für die Öffentlichkeit sichbaren Ausgangspunkt der Krise markierte der überraschende Entschluss des Bischofs von Dijon im vergangenen Juni, die Petrusbruderschaft aus seiner Diözese zu verbannen, weil deren Priester die Konzelebration bei seiner Chrisammesse verweigert hatten. Danach tauchte das Thema Konzelebration immer wieder in den Analysen und Überlegungen zur Lage auf, ohne jedoch explizit in Traditionis Custodes ansgesprochen zu werden – das geschah erst mit den merkwürdigen „Responsa ad Dubia“ von Gottesdienstpräfekt Roche. Nun sind diese Responsa in wesentlichen Punkten durch das Februar-Dekret schon wieder hinfällig – aber ausgerechnet der Punkt „Konzelebration“ ist von Franziskus dieser Tage bei seinem Treffen mit Vertretern der französischen Bischöfe mit Nachdruck behandelt worden. Und das, nachdem von diesem Thema in der Woche vor Ostern, als weltweit Tausende von Bischöfen ihre Chrisammessen zelebrierten und Franziskus selbst im Petersdom einer Chrisammesse mit an die zweitausend Konzelebranten vorstand, nirgendwo die Rede war.
Nachträglich kann niemand sagen, ob unter dieser riesigen Zahl nicht auch Vertreter von Santissima Trinita und andere Anghörige der Petrusbruderschaft gewesen wären. Gut denkbar, daß wir hier einem (von vielleicht mehreren) Punkten des Kompromisses auf der Spur sind, die das Umschalten vom harten Destruktionskurs in TC zu einer Politk der zumindest vorläufigen Weiterduldung ermöglichte.
Franziskus hat sich jedenfalls beim Treffen mit den französischen Bischöfen ausdrücklich auch zu seinem Februar-Dekret geäußert und dabei betont, daß die Petrusbruderschaft nur in Übereinstimmung und im Auftrag der Diözesanbischöfe öffentlich wirken könne – und daß alle in einer Diözese tätigen Priester zur Chrisammesse mit dem Ortsordinarius konzelebrieren müssen. Also auch die „Altrituellen“ – und insoweit bekräftigt Franziskus hier das vor einem Jahr von Minnerath von Dijon hergestellte Junktim.
Was wäre von einem Kompromiss auf dieser Grundlage zu halten? Die Ablehnung vieler altritueller Priester zur Teilnahme an Konzelebrationen ist zwar verständlich, läßt sich aber nicht in der Unbedingtheit begründen, in der sie manchmal vorgetragen wird. Die Verweigerung stützt sich vor allem auf Can 902, der allen Priestern das Recht zuspricht, die Eucharistie individuell zu zelebrieren. Nun sind Paragraphen des kanonischen Rechtes unter dem aktuellen Pontifikat ohnehin kaum das Papier wert, auf dem sie gedruckt sind, aber im Falle der Chrisammesse kann man auch ganz generell unterschiedlicher Meinung über die Anwendbarkeit dieses Paragraphen sein. Die Chrisammesse ist nicht irgendeine Konzelebration, um einen festlichen Anlaß (vermeintlich besonders eindrucksvoll) zu betonen, sie dient auch nicht der Rationalisierung täglicher Abläufe in einer mit mehreren Priestern besetzten kirchlichen Behörde. Sich dem unter Hinweis auf Canon 902 zu entziehen, muß selbstverständlich das Recht jedes Priesters sein, und insbesondere dann, wenn er dazu an einem ihm fremden Ritus teilnehmen müßte.
Die einmal jährlich stattfindende Chrisammesse des Ortsbischofs hat demgegenüber erkennbar einen besonderen Charakter. Sie ist sichtbarer Ausdruck der Anerkennung des Bischofs als obersten Hirten seiner Jurisdiktion und Sinnbild für die darin begründete Einheit des in einer Diözese wirkenden Presbyteriums. Die Teilnahme daran zu verweigern ist schwer zu begründen, auch nicht wegen der Verschiedenheit des Ritus, da auch die altrituellen Gemeinschaften (bis weit in die Piusbruderschaft hinein) die prinzipielle Gültigkeit und Legitimität der Liturgie nach den Büchern von 1979 anerkennen. Wer im Auftrag des Bischofs an der Seelsorge im Bistum mitwirken will – und ein solcher Auftrag gehört von Anfang an zur den Voraussetzungen der öffentlichen Arbeit der Priesterbruderschaften – kann sich einer dahingehenden Aufforderung schwerlich entziehen. Insoweit würde sich durch einen solchen Kompromiss für die Tätigkeit der FSSP nicht wirklich etwas ändern, denn sie war auch bisher schon darauf angewiesen von einem Bischof eingeladen oder zumindest für die Seelsorge in seiner Diözese zugelassen worden zu sein. Einschließlich des Unsicherheitsfaktors, daß ein früher oder später fälliger Nachfolger diese Einladung oder Zulassung zurücknehmen könnte.
Aus römischer Sicht hätte diese Verpflichtung zur alljährlichen Teilnahme an der Chrisammesse den Vorteil, die Einbindung der Bruderschaft in die offiziellen Strukturen zu demonstrieren und den dort vermuteten Separierungstendenzen entgegenzuwirken. Und natürlich wäre auch Rom – ebenso wie die Diözesanbischöfe – durch das Eingehen eines solchen Kompromisses in keiner Weise gebunden. Solange die Behauptung, der Ritus Pauls VI. sei die einzige Lex orandi des römischen Ritus, im Raum steht, bleibt die Zukunft für die überlieferte Liturgie innerhalb der diözesanen Seelsorge und innerhalb der offiziellen kirchlichen Strukturen prekär. Erst die derzeit utopisch erscheinende Errichtung einer mit Rom verbundenen „tridentinischen“ Rituskirche eigenen Rechtes könnte etwas daran ändern. Bis dahin wird man sich von Kompromiss zu Kompromiss hangeln müssen – die Gefahr des Scheiterns ist dabei nicht auszuschließen.
Nächster Prüfstein für die Haltbarkeit des nun anscheinend erzielten Kompromisses ist die erwartete Regulierung der Priesterseminare für die traditionellen Gemeinschaften. Solange das Dikasterium für die Orden und Gemeinschaften wie bisher von erbitterten Feinden der Tradition geleitet wird, muß man hier mit allem rechnen, wie der brutale Umgang der Behörde mit den Karmeliterinnen von Wyoming unterstreicht.
Die Gemeinden und Gemeinschaften der Tradition werden sich also weiterhin in der Gratwanderung üben, die Gemeinschaft mit einem von der Tradition abrückenden Rom auch unter Opfern solange irgend möglich aufrecht zu erhalten – und sich andererseits materiell und theologisch darauf einstellen, daß ein Punkt kommen kann, an dem eine solche Gemeinschaft nicht mehr besteht.