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Machtmißbrauch und Seelenmord

Bild: TwitterVor genau einem Monat, zum 1. August, hat Blase Cupich von Chicago den Priestern des Instituts Christus König in seinem Erzbistums die öffentliche Feier der Heiligen Messe und die Spendung der Sakramente nach dem seit weit über 1000 Jahren überlieferten Ritus der römischen Kirche verboten. Das im Oktober 2008 von Papst Benedikt mit dem Auftrag zur Pflege eben dieser überlieferten Liturgie errichtete Institut war so kühn, die von Cupich in Abstimmung mit Benedikts Nachfolger verlangte Erklärung zur Nicht-Existenz dieser Liturgie als „Lex Orandi“ des römischen Ritus zu verweigern und wird daher von jeder öffentlichen Seelsorge ausgeschlossen.

Dieser unerhörte Vorgang hat nach einem bereits einigermaßen gedämpften kurzen Aufschrei zum Termin selbst seitdem nur noch ein schwaches Echo gefunden – auch in der davon doch im Kern getroffenen weltweiten Gemeinde der an der Tradition in Lehre und Liturgie festhaltenden Katholiken. Das muß irritieren, weil die von Cupich in der (bisher) aggressivsten Weise vorgenommene Umsetzung des Unrechtsediktes Traditionis Traditores (so sollte es ehrlicherweise heißen: Verräter der Tradition) belegt, daß dieses Edikt darauf abzielt, den römischen Ritus und seine bis zur Zeit der Apostel zurückreichende Theologie aus der Kirche von Rom herauszudrängen und damit einen der letzten Anker zu zerstören, der das, was von dieser Kirche noch übrig ist, mit ihren Ursprüngen und dem Auftrag ihres Stifters verbindet. Das kann nicht auf Dauer beschwiegen werden.

Am lautesten, geradezu ohrenbetäubend, erschien das Schweigen des Instituts selbst zu dem ihm angetanen Unrecht: Außer einem knappen Anschlag an der Tür des für die Öffentlichkeit gesperrten Gotteshauses und einer noch knapperen Mitteilung auf der Website des Instituts ist uns bisher nichts bekannt geworden. Das wirft Fragen auf. Sie sollten auch nicht deshalb unterdrückt werden, weil es zweifellos wenig sinnvoll wäre, jetzt von außen her dem ICK sagen zu wollen, was es (vielleicht) falsch gemacht hätte und was (vielleicht) das richtige wäre. Nicht jede Gemeinschaft kann so frei von Rücksichten agieren wie die Benediktiner von St. Benoit. Es geht nicht darum, es (womöglich) besser zu wissen, sondern zu ergründen, in welcher Situation die traditionsverbundenen Institute und Gläubigen sich befinden – schließlich kann im Pontifikat des neu erfundenen „Gottes der Überraschungen“ jede Gemeinde schon morgen von ähnlichen Willkürmaßnahmen betroffen sein.

Der erste Gedanke beim Nachdenken darüber, warum sich das ICK wohl so verhalten haben könnte, wie es sich verhält, ist natürlich: Sie wollen es aussitzen. Hier geht es weiter Dafür sprechen nachvollziehbare Überlegungen. Angesicht von Alter und Gesundheitszustand von Franziskus ist es legitim, nicht mehr den Konflikt mit einem nur noch auf Abruf amtierenden und völlig erratisch agierenden Papst zu suchen, sondern zu warten, was und wer danach kommt. Kommt es besser – was keinesfalls sicher ist – werden sich „friedliche“ Lösungen finden lassen. Kommt ein junger und dynamischer Franziskus II. mit jesuitischen Hintermännern und ebensolchen Vormündern und einer zu erwartenden Amtszeit von 25 Jahren, kann man immer noch in die Konfrontation gehen – und hat zusätzliche Vorbereitungszeit gewonnen.

Der zweite Gedanke ist: Manchmal ist es wirklich klüger, nachzugeben. Das ICK hat nach seiner Website derzeit in den USA 16 pastorale Standorte, an denen mit wenigen Ausnahmen das „volle Programm“ geboten wird: Mindestens eine Werktagsmesse, 2 oder mehr Sonntagsmessen, Schola, Messdienerkreis, feste Beichtzeiten, Seelsorge rund um die Uhr... Nur an einem Standort, eben in dem seit seinen Zeiten als Gangsterhochburg der 20er Jahre berüchtigten Chicago, hat Ortsordinarius Cupich den Big Boss herausgekehrt und TC so ausgelegt und umgesetzt, wie eingangs beschrieben. An den 15 anderen Orten sind zumindest von außen keine einschränkenden Maßnahmen erkennbar. 15:1  das ist ein interessantes Zahlenverhältnis, wie es so oder ähnlich auch in anderen Ländern anzutreffen ist. Auch der deutsche Episkopat hat derzeit anderes im Sinn als sich mit den sicher eingehegten Tradis anzulegen.

Gut möglich, daß man aus dem Kreis der neutralen bis wohlwollenden Bischöfe dem Institut signalisiert hat: Don’t rock the boat – wenn Ihr in Chicago zu viel Aufstand macht, werden auch wir von Rom unter Druck gesetzt, und wir wissen nicht, wieviel Druck wir widerstehen können. Denn eines ist klar: Kommt erst von der Hauptverwaltung Bischöfe und Dienstpersonal der Brief mit der Anweisung an den Ortsordinarius, dieser möge den Papst untertänigst und unverzüglich um Entlassung aus seinem Amt bitten, ist alles zu spät. Das entspricht zwar nicht ganz dem Verhältnis zwischen Papst und Bischöfen, wie das II. Vatikanum sich das vorgestellt hat, aber in mancher Hinsicht weiß auch der Bergoglio-Papst die vorkonziliaren Sitten zu schätzen und verfährt nach der Devise des Medici-Papstes Leo X.: „Da Gott uns das Papsttum verliehen hat, so lasst es uns denn genießen.“

„Don’t rock the boat“ ist sicher nicht der Wahlspruch, unter dem Martyrer geboren werden, und die so erreichten Stillhalte-Abkommen halten meist nur begrenzte Zeit. Aber in Verbindung mit unserem ersten Gedanken ist auch diese Überlegung nicht von der Hand zu weisen: Vielleicht hält es lange genug, bis der glücklos regierende derzeitige heilige Stiefvater zu seiner ewigen Belohnung abberufen wird.

Derart pragmatischen Überlegungen sind legitim. Und wahrscheinlich gibt es noch ein halbes Dutzend andere, die das Institut zur Begründung seiner Entscheidung anführen könnte – aber klugerweise nicht öffentlich ausbreitet. Wenden wir uns daher einer anderen Seite des Gegenstandes zu. Da gibt es einen extrem wichtigen Gesichtspunkt, der soweit wir sehen bisher bestenfalls am Rande angesprochen worden ist.

Liturgie-Kommandant Roche in seinem Edikt und Ortschef Cupich mit seinem De-Facto-Interdikt über das Institut Christus König haben sich über einen Aspekt hinweg gesetzt, der doch nicht erst seit DEM KONZIL im Mittelpunkt allen kirchlichen Handelns steht und stehen sollte: Das Heil der Seelen. Zu den jeden Sonntag an die 500 Gläubigen, die an den Gottesdiensten des Instituts in Chicago teilgenommen haben, gehören ja nicht nur Leser von Rorate Caeli oder One Peter Five, die in dem Erlaß Cupichs den Unrechtsakt erkennen, der er ist, – und die deshalb nach Befragung ihres Gewissens ohne langes Zögern auch an einer der von der Priesterbruderschaft Pius X. angebotenen Messen im Umland teilnehmen. Je nach Wohnort müssen sie dazu noch nicht einmal länger anreisen als zum Chicago-Shrine des ICK. Oder sie kennen einen Priester des Instituts (oder einen anderen altrituellen Gemeinschaft, oder aus der Diözese selbst), der die Anordnung von Boss Cupich ebenfalls als ungerecht und daher wirkungslos erkennt und die Liturgie des hl. Gregor dann eben heimlich im großen Haus eines Gemeindemitglieds feiert – der „innere Kreis“ weiß schon wo. Doch selbst selbst diese Gewiefteren kommen in Schwierigkeiten, wenn ein Kind zu taufen oder Angehöriger zu beerdigen ist.

Aber wenn auch der sagenhaft uninformierte (oder schlichtweg bösartige?) Roche sich in Verschwörungsphantasien von Tradis, die das Konzil umkehren und den Papst stürzen wollen, ergeht: Nur ein kleiner Teil der sonntäglichen Besucher einer Messe nach den Vorgaben von Summorum Pontificum gehört irgendeinem „inneren Kreis“ an. Und wenn doch, dann bastelt der nicht an Verschwörungen, sondern betet die Psalmen oder studiert den Katechismus. Der größere Teil der Gemeindemitglieder sind ganz normale Katholiken, die sich noch nie auf New Liturgical Movement verirrt haben, die nur das hl. Messopfer so feiern wollen, daß sie darin das Erlösungsopfer von Golgotha wiedererkennen, die genug haben von den Gitarren-Riffs, mit denen Diakon „Nennt-mich-einfach-Detlev“ seine Apostel-Lesungen aufmotzt, oder von den Pseudo-Predigten zum Lob der Homo-Ehe von Pfarreferentin Susanne, ohne deren liturgisch gewandete Mitwirkung im regionalen Seelsorgeverbund nichts geht.

Zu den Mitfeiernden einer traditionellen Sonntagsmesse gehören – ganz, wie das früher auf dem Dorf auch schon war – oft auch etwas merkwürdige Gestalten wie der mittelalte Mann mit immer dem gleichen Jackett und der etwas wirren Frisur, der stets etwas zu spät kommt und etwas zu früh geht, um jedem Kontaktversuch aus dem Wege zu gehen. Oder die abgeschaffte alte Frau, die einen bunten Regenschirm als Gehstock benutzt und die ihren Rosenkranz nicht einfach in der Hand hält, sondern sich an ihm festhält, als wäre es ein Rettungsseil. Jede alte Messe kennt solche Mühseligen und Beladenen, deren Beten ein einziges „Und nach diesem Elend zeige uns Jesum, die gebenedeite Frucht Deines Leibes“ zu sein scheint – und wer weiß, wahrscheinlich sind Kardinalsdarsteller wie Cupich oder Roche es nicht wert, solchen etwas seltsamen Heiligen die Füße zu waschen, selbst wenn sie am Gründonnerstag so tun, als ob.

Vielen frommen und an der Tradition hängenden Seelen wird schon bei dem Gedanken ganz schwindelig, ein ausdrückliches Verbot des hochwürdigsten Herrn Bischofs zu mißachten. Wenn Seine Exzellenz etwas anordnet, werden sie versuchen, dem zu folgen. Das liegt, wie man gerne so sagt, „in der DNA“ der traditionstreuen Katholiken. Wenn sie dann beim Versuch zur Teilnahme an einer „Eucharistiefeier, wie sie das Konzil gewollt hat“ von einer Aktivistin angeschnauzt werden, gefälligst den Rosenkranz wegzupacken und sich „aktiv in der heiligen Versammlung einzubringen“, sind sie mehr als verwirrt. Nur mit größter Kraftanstrengung gelingt es ihnen – ihre letzte Beichte liegt immerhin schon drei Wochen zurück – sich dem kollektiven Antritt zur „Austeilung des geweihten Brotes“ zu entziehen. Am Rande der Verzweiflung überlegen sie, ob sie es nächsten Sonntag noch einmal versuchen wollen, oder sicherheitshalber nur an einer der von Cupich empfohlenen trostlosen Online-Messen teilnehmen. Was ihre Verwirrung und Verzweiflung kaum mildern würde.

Über den Rand der Verzweiflung hinaus aber treibt es sie, wenn sie nach einigem Suchen endlich einen bischöflich approbierten Beichttermin gefunden haben – und der Kaplan ihnen im „Beichtzimmer“ erlöst lächelnd erklärt, das, was sie soeben mit Reue im Herzen und Schweiß auf der Stirn gebeichtet haben, sei doch seit dem letzten Konzil keine Sünde mehr! Aus ihrer vertrauten materiellen und geistigen Umgebung gerissen verstehen sie nicht, wovon der Kaplan (oder der Diakon und die Pfarreferentin) reden, und sie ahnen, daß sie Recht darin haben, sich dem nicht weiter auszusetzen. Statt an der vom Kardinal verordneten Umerziehungskatechese teilzunehmen, bleiben sie letztlich auch Sonntags zu Hause und blättern tränenden Auges im Gebetbuch der verstorbenen Mutter. Eine tragende Säule ihres Lebens – für manche mag es die letzte gewesen sein – ist weggebrochen.

Um es ganz klar zu sagen: Wie hier Hierarchen im Umfeld von Traditionis Traditores die heilige Liturgie zur Durchsetzung kirchenpolitischer Ziele mißbrauchen und Gläubigen den Zugang zum katholischen Gottesdienst in seiner weit über 1000 Jahre gültigen Form versperren, das ist Klerikalismus der schlimmsten vorkonziliaren Form. Es ist – vielleicht nicht in allen, aber sicher in vielen Fällen – übelster Machtmißbrauch, Ausbeutung des Gehorsams von Schutzbefohlenen, das geht hin bis zum Seelenmord. 

Das Rot der von Franziskus verliehenen Kardinalshüte gewinnt so für manche seiner Träger eine ganz unerwartete Bedeutung.

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