Das Kreuz mit dem Kreuz
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- 04. September 2017
Schon für den hl. Paulus war das Kreuz ein Zeichen des Widerspruchs, „den Juden ein Ärgernis und den Griechen eine Torheit“. Kein Wunder, daß eine Gesellschaft, die keinen Widerspruch erträgt, immer aggressiver versucht, dieses Zeichen aus der Öffentlichkeit und aus dem Bewußtsein zu verdrängen. Und daß untreue Hirten, die keinen Mut mehr zum Widerspruch haben, dieses Zeichen bestenfalls halbherzig verteidigen oder es sogar bereitwillig ablegen, wo das ihnen opportun erscheint.
Die einzige verbliebene mehrmals wöchentlich erscheinende katholische Zeitung in deutscher Sprache hat am 1. September einen Artikel des glaubenstreuen Theologen Felix Dirsch veröffentlicht, der einzelne Stationen dieser Entwicklung nachzeichnet und sie in einen größeren Zusammenhang einordnet. Das geht von den seit vielen Jahren vorangetriebenen Versuchen, das Kreuz aus Klassenzimmern und Gerichtssälen zu verbannen, oder dem aktuellen Vorstoß der Berliner Kulturlinken, zumindest das Kreuz auf der Kuppel des gegen ihren Willen wiederhergestellten Berliner Schlosses zu verhindern, bis zu& dem Mann in der Berliner Straßenbahn, der unlängst wegen seines am Hals getragenen Holzkreuzes von Männern „mutmaßlich nordafrikanischer Herkunft“ zusammengeschlagen wurde. Zumal das bei weitem nicht der einzige derartige Fall ist.
Mit Blick auf Masseinanwanderung und Islam erschließt sich Dirsch denn auch ein wichtiger Aspekt des größeren Zusammenhangs:
In der Tat besteht eine der Konsequenzen von Multikulturalisierung und Pluralisierung der Gesellschaft in der Aufwertung herkunftskultureller Identitätssuche. ...
Die intensiver wahrgenommenen Identitäten der anderen Seite bewirken eine Aufwertung des kollektiven Eigenen. Konkret sind diese dialektischen Prozesse nicht ohne die deutliche Zunahme von Muslimen zu verstehen. Der Publizist David Berger notiert: „Wo das Kreuz verdrängt wird, wird bald der Halbmond leuchten.“ Der Kunsthistoriker Horst Bredekamp spitzt in Anspielung auf den bekannten Titel von Michel Houellebecqs Roman zu: „Wenn ihr das Kreuz nicht baut, seid ihr ein leise knackendes Rädchen der Kulturmaschine namens Unterwerfung.“
Allerdings sollte man die hier asugedrückte Haltung nicht ohne Weiteres als Zeichen für eine Wiederaufnahme christlicher Inhalte verstehen:
Diese Einsicht wächst weniger in Zirkeln traditionell Frommer, die diesem Trend in der Regel aufgrund universalistischer Vorstellungen verhalten bis ablehnend gegenüberstehen; vielmehr wird ein solches Bekenntnis meist von Vereinigungen und deren Mitgliedern artikuliert, die sich selten durch häufigen Kirchgang auszeichnen. Sie repräsentieren eine dritte Richtung in der Debatte um das Kreuz neben dem konfessionellen Christentum und dem Laizismus der politischen Linken sowie der Liberalen. Die neue „populistische“ Welle in Europa, von Putin über Orban bis zu Le Pen, vertritt das christlich-abendländische Erbe höchstens in gebrochener Art und Weise.
Beim Blick auf das gesamtgesellschaftliche Umfeld wird der letzten Endes doch wieder religiös bestimmte Inhalt der Entwicklung in vollem Umfang sichtbar:
Christliche Glaubenssymbole kommen von zweierlei Seiten unter Druck: Moslemische Verbände unterstützen Klagen ihrer Anhänger, die den Islam stärker im öffentlichen Bereich verankern wollen. Der durch sämtliche Gerichtsinstanzen ausgetragene Kampf um die Zulässigkeit des Kopftuches in Schulen ist hierfür ein Beispiel. Einheimische Politiker, etwa der SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz, propagieren hingegen den konsequenten Säkularismus im öffentlichen Bereich. Mangels Nachdruck der Gläubigen betrifft die Verbannung primär das Christentum. (...) Duckmäuserei vor der liberalistischen „Diktatur des Zeitgeistes“ (Papst em. Benedikt XVI.), die vorrangig unter der Dampfwalze der Gleichheit agiert, überall nur Egalitäres sieht und keine Verschiedenheit von religiösen Symbolen und Lebensformen mehr anerkennt, fordert auch hier ihren Tribut.“
Wir können die vollständige Lektüre des unter der Überschrift „Das Eigene wird abgeräumt“ erschienenen Artikels nur sehr empfehlen. Wer kein Abbonent der Tagespost ist, sollte sich damit vielleicht beeilen: Viele zunächst auch im Web zugängliche Artikel sind nach wenigen Tagen nur noch für zahlende Leser zugänglich.