Torschlusspanik in Rom
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- 28. Oktober 2017
Fast möchte man glauben, daß in Rom die Torschlusspanik ausgebrochen ist – so viele Ansätze zu teilweise tiefgreifenden Änderungen von Lehre und Disziplin der Kirche wurden in den vergangenen Wochen zumindest als Versuchsballon in die römische Herbstluft gepustet. Ob dahinter ein großer Masterplan steht – wer weiß. Eine systematische Ordnung hinter den verschiedenen Vorstößen ist jedenfalls kaum zu erkennen, deshalb soll hier auch gar nicht erst versucht werden, eine solche Ordnung zu erfinden.
Die Liturgie steht zwar keinesfalls im Mittelpunkt des revolutionären Elans von Bergoglio – andere bieten sich an, diese Leerstelle auszufüllen. Es ist ja nicht nur die gerade aktuell ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückte und hier schon ausführlich behandelte Regionalisierung der Messe durch Principium maximum. Schon seit dem Sommer halten sich in Rom hartnäckig Gerüchte, daß es eine ohne Beteiligung der Gottesdienstkongregation geheim tagende Arbeitsgruppe gibt, die eine „ökumenische Messe“ für das „gemeinsame Abendmahl“ von Katholiken und Protestanten schaffen soll, ohne sich von kleinlichen dogmatischen Problemen aufhalten zu lassen. (Quelle) Als Mitglieder werden unter anderem Kardinal Arthur Roche, Erzbischof Piero Marini, und der Liturgiewissenschaftler Andrea Grillo ("Die Transsubstantion ist keine Dogma") genannt – ein fröhliches Zurück in die 60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts und zugleich ein beherzter Vorstoß dahin, „wo noch kein Mensch zuvor hingegangen ist“. Zumindest noch kein Katholik - und wo auch nie einer sein wird.
Und dann ist da die ebenfalls jetzt im Oktober angekündigte Amazonas-Synode. Die soll nach dem Willen des Papstes im Herbst 2019 stattfinden – so Gott will – und wenn es nach Leuten wie Missionsbischof Kräutler geht, würde dort für die unter Priestermangel leidenden Eingeborenen des Regenwaldes (wie viele Katholiken sind das eigentlich?) ein neuer Priestertyp geschaffen: „Erprobte“ Männer, die aus ihren Gemeinden heraus gewählt und von den Bischöfen zum Vollzug der Sakramente an Ort und Stelle zu weihen wären. Der Gedanke enthält Erweiterungspotential in zwei Richtungen: Schließlich gibt es auch erprobte Frauen, nicht wahr, und der Mangel an „konventionellen“ Priestern ist ein weltweites Phänomen - die Sache erscheint wie geeignet, um erst auf dem Wege der „Ausnahmeregelung“ weltweit zugänglich und dann zum neuen De-Facto-Standard gemacht zu werden. In beiden Richtungen.
Ebenfalls jetzt im Oktober das Interview mit dem Altkommunisten und Alt-Atheisten Scalfaro, in dem dieser den Papst dahingehend wiedergab, der Glaube an letztes Gericht und ewige Verdammnis sei nicht länger zu halten. Scalfari sprach davon, die Hölle sei „abgeschafft“ - irgend eine Art von Richtigstellung aus dem Vatikan war bisher nicht zu vernehmen.
Und gab es da nicht mal aus Kreisen des Hofstaates von S. Martha eine Andeutung, der Papst könne sein ordentliches Lehramt auch per Interview mit wem und in welcher Wiedergabe auch immer ausüben, quasi auf unordentliche Weise?
Große Unordnung kann jedenfalls aus dem Verständnis von päpstlichem Lehramt entstehen, das Franziskus in seiner Rede am 11. diesen Monats vor dem päpstlichen Rat für die Neuevangelisierung entwickelte. Dort bezeichnete er die Todesstrafe als eine „inhumane Maßnahme“, die „aus sich heraus unvereinbar mit dem Evangelium sei“. Damit geht er weit über den Katechismus und Johannes Paul II. hinaus, die festgestellt hatten, daß die Todesstrafe dem heutigen Stand der Entwicklung von Mensch und Gesellschaft nicht mehr entspreche und – wenn überhaupt – nur unter den außergewöhnlichsten Bedingungen zu rechtfertigen sei. Mit seinem „aus sich heraus unvereinbar“ unterstellt der Papst, der doch in Sachen Moral die Möglichkeit von „aus sich heraus“ schlechten Handlungen bestreitet, daß die Kirche zweitausend Jahre lang im absoluten Widerspruch zum Evangelium gelehrt und gehandelt habe. Der Felsen Petri und das darauf errichtete Lehramt wird zum Spielball von Zeitgeist und Ideologie, wie Joseph Shaw mit gutem Grund warnt.
Und nun warten wir also auf die Ergebnisse der für das herannahende 50. Jahr der Veröffentlichung von Humanae Vitae (25. Juli 1968) erwarteten „Neuinterpretation“ dieser Enzyklika, in der Papst Paul VI. die seit 2000 Jahren geltende Lehre der Kirche schlüssig zusammengefasst hat – zum großen Ärgernis für eine Welt, die dabei war, die Tür zu „sexueller Befreiung und Selbstbestimmung“ zu durchschreiten. Klug geworden durch die Erfahrungen im bisherigen Verlauf des Pontifikats warten die Verteidiger der überleiferten Lehre diesmal nicht, bis der Papst oder seine grauen Eminenzen die Gläubigen mit einer neuen Offenbarung überraschen. Am heutigen Samstag findet in Rom eine Konferenz zur Lehre von Humanae Vitae statt, um deren Verankerung in der Lehre der Kirche nachzuweisen und zu befestigen. Die Liste der Teilnehmer von (unter anderen) Kardinal Walter Brandmüller, den Professoren Roberto de Mattei und Josef Seifert bis zum Herausgeber der LifeSiteNews John-Henry Westen läßt erwarten, daß hier schwergewichtige Argumente zusammengetragen werden, die allen Versuchen zur Relativierung und Modernisierung der Lehre in diesem Punkt hohe Hindernisse entgegenstellen.