Die Mitra und die cornus salutis
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- 15. Mai 2018
Im Zusammenhang mit der blasphemischen Schau und Ausstellung des Metropolitan-Museums, in denen Bischofsmitren und die Tiara von Papst Pius IX. eine prominente Rolle spielten, erinnert ein Beitrag auf Rorate Caeli an den Film „Der Kardinal“ von Otto Preminger aus dem Jahr 1963. Dazu heißt es dort:
Der Film geht stellenweise etwas frei mit der Vorlage des gleichnamigen Romans von Henry Morton Robinson um, aber er ist nicht nur großes Kino, er zeigt auch viel von der Schönheit der Liturgie der Kirche am Vorabend ihrer sogenannten Erneuerung. Eine der ältesten und schönsten Zeremonien der traditionellen Liturgien ist die Bischofsweihe, von der einige Teile in Premingers Film sehr schön wiedergegeben sind. Wenig überraschender Weise wurde das mit den nachkonziliaren Reformen zerstört. Papst Paul VI, der wirklich auch nichts unangetastet bleiben lassen konnte, begann mit der Veränderungen der Bischofsweihe bereits vor der Promulgation der neuen Messe 1969.
Der Film zeigt von der Bischofsweihe – in diesem Ausschnitt auf Youtube ab Sek. 28 - den Teil der traditionellen Zeremonie, in dem der neu geweihte Bischof die Mitra auf sein Haupt gesetzt bekommt. Das dazu gesprochene Gebet ist voller Bezüge auf die Schriften des alten Testaments und Stellen des Neuen Testaments, die sich auf das Amt des Bischofs beziehen:
Es folgt Lateinisch und Englisch der Text des Gebets - hier unsere Übersetzung:
O Herr, wir bekleiden das Haupt dieses Deines Bischofs und Vorkämpfers mit einem Helm des Schutzes und des Heiles, durch den er, das Angesicht geschmückt und das Haupt beschirmt mit den Hörnern beider Testamente, den Feinden der Wahrheit furchterregend entgegentreten und sich ihnen, durch deine Gnade gestärkt, als starker Streiter erweisen möge. Du hast das Angesicht Deines Dieners Moses, ausgezeichnet durch die Teilnahme an Deiner Unterweisung, mit den glänzenden Hörnern Deiner Klarheit und Wahrheit geschmückt und befohlen, dem Haupt deines Hohepriesters Aaron eine Krone aufzusetzen.
Dazu zwei Anmerkungen unsererseits – eine zu dem genannten Gebet, die andere zum allgemeineren Thema „Mitra im Film“.
Das zitierte Gebet ist für Heutige in der Tat nicht leicht verständlich – was selbstverständlich nicht seine Streichung geboten, sondern lediglich eine ausführlichere Erklärung im liturgischen Beiheft für die teilnehmenden Laien verlangt hätte. Bischofskandidaten kannten damals noch die Zusammenhänge.
Schlüsselbegriff des Gebetes ist das alttestamentarische „Horn des Heiles“ (in der Vulgata: cornu salutis, Septuaginta: keras soterias), das Feldzeichen des Heils, das der Herr seinem Volke errichtet. Was dieses Zeichen mit einem Horn zu tun hat, ist wohl nicht endgültig geklärt – vielleicht steht eine Fehllesung im Hebräischen, die „Horn“ und „Strahl“ verwechselt, am Ursprung. Vielleicht war das aber auch wirklich ein und das selbe Wort, und vielleicht gehört auch das Shofar, das als Feldzeichen und Trompete verwandte Widderhorn, zur ursprünglichen Bedeutung.
Der Begriff selbst ist jedenfalls ein stehender Ausdruck und sollte aus den Psalmen und dem ins neue Testament übernommenen Lobgesang des Zacharias auch den Katholiken bekannt sein. Die Version vom Moses Cornutus/Coronatus, die Michelangelo und andere dazu brachte, Moses als Träger von Hörnern darzustellen, ist daher nicht nur ein Mißverständnis: Die Hörner und das Zeichen des Heils hängen zusammen – und deshalb hat zumindest in der christlichen Kunst bereits die Tiara des jüdischen hohen Priesters zwei „Hörner“, sinnbildlich für die Klarheit und Wahrheit der seit Moses dem Volk Israel zu Teil gewordenen göttlichen Unterweisung. Als ihr Vertreter – und in der Nachfolge des Hohepriesters des alten Bundes – wird der Bischof eingesetzt, in dessen Mitra die beiden Hörner nun für die Wahrheit in beiden Testamenten steht. Sie zu vertreten ist ist sein Auftrag - und das nicht als Handelsvertreter, sondern als behelmter Kämpfer und gekrönter Sachwalter Gottes, der die Feinde von Wahrheit und Klarheit in Furcht und Schrecken versetzt.
In der Tat nicht ganz die Sichtweise nachkonziliarer Liturgiereformer.
Und da gibt es noch einen anderen Film. In der Diskussion über die Show der Met wurde mehrfach eine der Episoden aus Fellinis Film Roma von 1972, nämlich die Sfilata di moda del clero, als Vorbild genannt. Das hat was. Aber es gibt Unterschiede, die man nicht übersehen sollte. Federico Fellini war kein Freund der Kirche, und man mag ihn in manchem als einen der Künstler der 60er und 70er Jahre betrachten, die den Verfall der Kultur und Moral einleiteten, dessen fortgeschrittens Stadium uns heute die MET präsentiert. Aber Fellini war im Guten wie im Schlechten ein Humanist, ein katholisch geprägter und in der abendländischen Kultur verwurzelter Humanist, und seine Parodie auf die liturgischen Paramente und klerikalen Gewänder einer noch vom Barock geprägten römischen Kirche enthält nicht nur viel Kenntnis, sondern auch viel Sympathie. Da ist auch schon ein gerüttelt Maß von Nostalgie nach Verlorenem - oder Vorausahnung kommenden Sinnverlustes. Fellinis Modenschau-Episode ist eine Persiflage und keine Pervertierung oder Tra(ns)vestie. Sie steht für eine Kunst, mit der man sich auseinandersetzen kann. Nicht für eine auf Verderb und Vernichtung zielende Feindschaft, mit der einen Dialog anzustreben völlig sinnlos ist.