Bereichsnavigation Themen:

Die manipulierte Synode II

Bild: Twitter via ChurchPopIn den englischsprachigen Ländern gehen die Wogen hoch: die Empörung über den manipulativen Verlauf der vor einer Woche beendeten Jugendsynode hat inzwischen auch Personen und Organisationen erfasst, die in der Vergangenheit nicht übermäßig als Kritiker des aktuellen Pontifikats hervorgetreten sind. Die bis weit in „liberale Kreise“ hinein als unzureichend und unwürdig empfundene Reaktion des Papstes auf das Versagen eines großen Teils des Episkopats in der Mißbrauchskrise bildet einen Resonanzboden, auf dem die Unmutsbekunden aus allen Richtungen eine beunruhigende Lautstärke erreichen.

Auf zwei Stimmen sei hier besonders hingewiesen: Auf ein Interview mit Sydneys Erzbischof und Synodenteilnehmer Anthony Fisher, das Edward Pentin für den in den USA erscheinende National Catholic Register geführt hat, und eine abschließende Würdigung des Synodenverlaufs des Amerikaners George Weigel, die im britischen Catholic Herald erschienen ist.

Der australische Erzbischof liefert das Musterbeispiel einer in höflichem Ton abgefassten Darstellung, die im Inhalt eine vernichtende und nicht frei von Sarkasmus erscheinende Kritik enthält. Gleich der erste Satz setzt den Ton: „Like the curate‘s egg, it was ‚good in parts‘“ - zu dieser Formel rettete sich der in einer Anekdote des 19. Jh. überlieferte junge Kaplan, der bei Bischofs zum Frühstück eingeladen war und nicht den Mut hatte, das verdorbene Frühstücksei zurückzuweisen. Für diese „guten Teile“ hat der Erzbischof dann noch knapp sieben Zeilen übrig – in den zahlreichen dann folgenden Absätzen kritisiert er unter anderem:

■ Das Dokument sei zu lang, enthalte vielfach mehrdeutige Formulierungen und sei in einer Sprache abgefasst, die weder Jugendliche noch Jugendseelsorger anspreche.

■ Die Schlußerklärung stelle zwar eine erhebliche Verbesserung gegenüber dem vorgelegten „Instrumentum Laboris“ dar – aber gerade deshalb seien viele Synodenväter überrascht, daß nun beide Texte gleichrangig als Ergebnisse der Synode gelesen werden sollten.

■ Angesichts der Oberflächlichkeit und Eile, in der das Dokument durch die Schlußabstimmung gebracht worden sei, habe er ernste Bedenken, es zum Ausdruck des Lehramtes erklären zu lassen.

■ Wegen des Widerstands der Synodenleitung sei es nicht gelungen, die Morallehre der Kirche im Schlußpapier angemessen zum Ausdruck zu bringen. Es habe dort ein gefühliger und antiintellektueller Geist geherrscht, der sich nicht nicht nur gegen einzelne Aussagen der überlieferten Lehre, sondern deren ganze Grundeinstellung gerichtet habe.

Hier geht es weiter

■ Es sei unerträglich, daß eine so wenig verbreitete Sprache wie das Italienische praktisch einzige Arbeitssprache der Synode gewesen sei und selbst zu den Abstimmungen keine offiziellen Übersetzungen schriftlich vorgelegen hätten. Auch die Simultanübersetzung sei unzureichend gewesen – viele Synodenteilnehmer hätten über Absätze abgestimmt, ohne deren Inhalt wirklich zu kennen.

■ Die zugeladenen 36 Jugendvertreter hätten zwar teilweise ein sehr erfreuliches Bild geboten – andererseits hätten sie aber durch anscheinend gelenkten Beifall oder Mißfallenskundgebungen ungebührlich Einfluß zu nehmen versucht. Keine dieser Vertreter hätten sich für die in der real existierenden Jugend ja durchaus auch anzutreffenden „klassischen Positionen“ ausgesprochen.

■ Tatsächlich sei die gesamte Veranstaltung nicht von einem Geist des Zuhörens, sondern von einem strikten „von oben nach unten“ geprägt gewesen. Es habe kaum Zeit für freie Diskussion gegeben, höchstens mal eine Stunde am Ende eines langen Tages, der von formalen Ansprachen und Ankündigungen in Anspruch genommen worden sei.

Die harte Kritik des Erzbischofs an den im Schlußdokument eingebrachten Aussagen zur Synodalität soll hier im Wortlaut wiedergegeben werden:

Das war überhaupt kein Thema in der Arbeitsvorlage, es kam nicht in der allgemeinen Debatte vor, und auch nicht in den einzelnen Sprachgruppen oder in den Berichten der Arbeitsgruppen – es ist quasi wie aus dem Nichts plötzlich im Entwurf des Abschlußthemas aufgetaucht Es gab seitens der Synodenväter einigen Widerstand gegen diese offensichtliche Manipulation. D.h., einige stimmten gegen die Abschnitt zur Synodalität. Nicht weil sie gegen den Inhalt gewesen wären, sondern deshalb, weil sie dagegen waren, daß diese nicht zur Sache passenden Abschnitte ohne Grund so spät in den Prozess eingefügt worden waren.

Einige nehmen an, daß das deshalb geschah, um der Amazonas-Synode den Weg frei zu machen, in ihren Positionen von der Universalkirche abzurücken – etwa beim zölibatären Priestertum – oder um anderen Bischofskonferenzen, z.B. der deutschen, es zu ermöglichen , in Angelegenheiten wie der Segnung gleichgeschlechtlicher Beziehungen einen eigenen Weg zu gehen. (…)

Die Internationale Theologenkommission hat im Mai im Eilverfahren ein Dokument zum Thema Synodalität verabschiedet. Wie könnte es lehramtliche Autorität erlangen? Nun, ein weg dazu wäre, es in einer Bischofssynode zustimmend zu zitieren und dieses Synodaldokument anschließend vom Papst billigen zu lassen. (…) Aber das ist nicht die Art, wie man die Lehre gestaltet.“

Soviel also von Erzbischof Fisher. Als zweites Beispiel für den Widerspruch nun zu George Weigel. Seine Kritik hat insofern besonderes Gewicht, weil er in den USA für die Position jener „Konservativen“ steht, die sich bisher bei aller Ablehnung von Brüchen in der Lehre auch an Papst- und Konzilstreue von niemandem überbieten lassen wollten und daher auch die bedenklichen Entwicklungen unter Bergoglio entweder abgeleugnet oder begütigend heruntergespielt haben.

Damit ist es jetzt zumindest für Weigel vorbei – er beginnt die Behandlung seines Themas gleich mit dem Rückgriff auf die „Räubersynode“ von Alexandria im 5. Jahrhundert und der Feststellung: Ob auch die Synode des vergangenen Monats als „Räubersynode“ in die geschichte eingeht, bleibt offen – jedenfalls war sie mit einer ganzen Menge „Räuberei“ verbunden“.

Seine kurz, aber fundiert vorgetragenen Kritikpunkte können hier nicht im Einzelnen wiedergegeben werden – vielfach decken sie sich auch inhaltlich mit denen von Erzbischof Fisher. Weigel geht aber auch noch darüber hinaus, als er konkret Namen von besonders auffällig gewordenen „Räubern“ nennt. An erster Stelle steht bei ihm der „Synodensekretär“, Kardinal Baldisseri, den er der gezielten Manipulation und eines überaus arrogant-klerikalistischen Umgangs mit den Synodernvätern beschulfigt. Aber auch der offizielle deutsche Jugendvertreter Thomas Andonie findet eine lobende Erwähnung: Der habe eine glühende Rede gehalten, „in der er im wesentlichen verlangte, den Katholizismus nach lutheranischem Vorbild neu zu strukturieren“.

Besonders grundsätzlich setzt Weigel sich dann mit dem völlig ungeklärt gebliebenen Schlagwort von der „synadalen Kirche“ auseinander, das auch für ihn völlig überraschend im Schlußdokument eine so prominente Rolle spielt. Auch Weigel befürchtet, daß dieser Begriff – nachdem er „mit dem Bulldozer“ in das Dokument bugsiert wurde – bei künftigen Bischofsversammlungen die Handhabe für eine weitgehende Regionalisierung der Kirche bieten solle: „In kurzer Zeit würde die katholische Kirche so aufgelöst zu einem Abbild der anglikanischen Gemeinschaft, von der gerade große Teile eben wegen eines verfehlten Begriffs von Synodalität zugrunde gehen“. Ausdrücklich betont Weigel, daß diese Bedenken nicht nur von, wie er sich ausdrückte „Ultra-Traditionalisten“ geäußert würden, sondern auch von Bischöfen aus dem „Mainstream“ der Kirche.

Mit großen Bedenken nimmt Weigel zur Kenntnis, daß die offizielle Synodendiskussion sich ganz „unbefangen“ des Begriffes der „sexuellen Orientierung“ bediene – und das obwohl die Kirche in den vergangenen Jahren diesen Begriff als einen der Kampfbegriffe des vom Naturrecht abgelösten Genderismus und Homosexualismus stets zurückgewiesen habe. Ähnlich sieht er die weitgehend kritiklos erfolgte Übernahme der „Antidiskriminierungs“-Rhetorik. Sie könnte Lehrern an katholischen Schulen, die wegen des Eingehens einer gleichgeschlechtlichen „Ehe“ kritisiert würden, eine Handhabe bieten, ihre Position als kirchlich anerkannt zu verteidigen.

Nur bei Weigel fanden wir bisher eine äußerst kritische Hinterfragung der Teilnahme zweier Bischöfe der chinesischen Staatskirche an der Synode: Diese beiden vormals exkommunizierten und vom Papst in seiner Eröffnungsrede ausdrücklich willkommen geheißenen Prälaten seien am 10. Tag der Synode sang- und klanglos abgereist – nachdem herausgekommen war, daß sie unmittelbar von der kommunistischen Partei zur Teilnahme bestimmt und dann vom Vatikan auch akzeptiert worden waren. Weigels sarkastischer Kommentar  zu der gleichzeitig  auch hier gemeldeten Zerstörung zweier Marienheiligtümer in China:

Bisher ist noch nicht bekannt geworden, ob Bischof Marcello Sanchez Sorondo, Kanzler der Päpstlichen Akademien, diese Anbrisse zum Anlaß genommen hat, noch einmal seine Aussage zu überdenken, wonach China ein Land sei, das die katholische Soziallehre vorbildlich verwirkliche.

Und noch einen zweiten Punkt hat bisher nur Weigel so prominent hervorgehoben: Die faktische damnatio memoriae von Papst Johannes Paul II. durch die völlige Nicht-Erwähnung von dessen Person und Lehre. Kein Papst der Neuzeit habe so sehr die Jugendlichen angesprochen wie der Pole, keiner habe sich auch so umfassen für eine moderne katholische „Theologie des Leibes“ eingesetzt wie Karol Wojtyła – doch im Schlußdokument der doch eigentlich diesem Thema gewidmeten Synode komme Johannes Paul II. überhaupt nicht vor. Ebenso wenig wie in anderen Dokumenten dieses Pontifikats, das anscheinend davon ausgehe, die Kirche unter dem Einfluß eines neuartigen Geistes der Unterscheidung und der Offenheit völlig neu schaffen zu können – losgelöst nicht nur von der Tradition, sondern auch von der Heiligen Schrift, wie Weigel unter Verweis auf die unsäglichen Thesen des Papstanbeters Rosica befürchtet.

Zum viel beschrieenen „Geist der Offenheit“ steuert Weigel eine ganz eigene Beobachtung bei: Während der vier Wochen seines Aufenthaltes in Rom hat er mehrfach versucht, mittags eine der großen innenstädtischen Kirchen aufzusuchen  zum stillen Gebet, oder wegen der dort anzutreffenden weltberühmten Kunstschätze, oder zu beidem. Sie waren ausnahmslos von 12 – 16 Uhr geschlossen – für vier Stunden, in denen sie Tausenden von Touristen hätten offen stehen können – nicht nur als museale Stätten mit Weltkulturerbe-Status, sondern auch als Wirkungsstätten des Geistes der Neuen Evangelisierung. „Was geschieht mit Franziskus‘ Idee einer „Kirche in ständiger Missionsbereitschaft“ in seiner eigenen Diözese?" fragt der Amerikaner sichtlich irritiert.

Nach einem ausführlichen Schlußkapitel mit harter Kritik an Synodensekretär Balidisseri, dem er jede erdenkliche Art von Inkompetenz und Autoritarismus vorwirft, faßt Weigel seine Synodeneindrücke mit einem Satz zusammen

„So wie wohl viele andere auch, bin ich dankbar dafür, daß die Synode 21018 mir klar gemacht hat, daß wir in den bevorstehenden Monaten und Jahren in der Kirche nicht nach dem Muster „Business as usual“ verfahren können.“

Für die weitere Entwicklung zwischen der Kirche in den USA und den „Räubern“ im Rom läßt das turbulente Entwicklungen erwarten.

Zusätzliche Informationen