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Weihrauch für die Staatsgötter

Bild: eigene AufnahmeWenn in der Unterwerfung unter Wunsch und Willen der Welt der Kern der Neukatholischen Ideologie besteht, dann kann man die Liturgiereform der „wilden 60er“ des vergangenen Jahrhunderts als den Zentralpunkt schlechthin begreifen, an dem die dahingehende Entwicklung zum Durchbruch gekommen ist. Das Pontifikat Pauls VI. wäre dann von der historischen Ironie gekennzeichnet, daß dieser Papst mit seinem neuen Missale der erste war, der zu dieser Unterwerfung bereit war – und gleichzeitig einer der letzten, der in seinen großen Lehrschreiben, insbesondere aber in Humanae Vitae, dieser Unterwerfung auf umfassende Weise widersprach.

Die bemerkenswerte Ausnahme hinsichtlich der Liturgie läßt sich vielleicht dadurch verständlicher machen, daß die meisten von der liturgischen Bewegung und ihren Protagonisten erhobenen Forderungen lange nicht so eindeutig als „Wunsch und Wille der Welt“ erkennbar waren, wie das seitdem bewußt geworden ist. Doch die Ergebnisse der amerikanischen Untersuchung zum völlig unterschiedlichen Lehrverständnis von Gläubigen, die der überlieferten Liturgie anhängen, und der großen Mehrheit derer, die sich im Novus Ordo zuhause fühlen, läßt kaum noch Zweifel zu: Die neue „Lex orandi“ mit allen ihren Begleiterscheinungen ist Ausdruck und Motor einer neuen „Lex credendi“, die in vielem nichts mehr mit dem überlieferten Glaubensverständnis der Kirche gemeinsam hat.

Nun kann man der Einschätzung, wir beobachteten eine Unterwerfung der Kirche unter die Welt mit dem Hinweis widersprechen, das „Bündnis zwischen Thron und Altar“ sei keine neuartige historische Erscheinung. Schon immer, oder zumindest seit Kaiser Konstatin, habe sich die Kirche mit den Herrschern der Welt verbündet und deren Wunsch und Willen dadurch befördert, daß sie diese als Ausdruck göttlichen Willens ausgegeben habe.

Die Tatsache, daß das immer wieder geschah, ist unbestreitbar. Aber es gibt einen entscheidenden Unterschied. Die Herrscher, die die „weltliche Gewalt“ verkörperten, sahen sich bis zur französischen Revolution und vielerorts noch lange darüber hinaus nicht als von jeder Bindung freie „Autokraten“, sondern als Herrscher „von Gottes Gnaden“, deren wesentliche Aufgabe darin bestand, die göttlichen Gebote in ihrer Regentschaft zur Geltung zu bringen. Soweit die Theorie, die freilich in der Lebenswirklichkeit oft nicht allzuviel bedeutete.

Hier geht es weiterAus der Zeit des „Sonnenkönigs“ Ludwig XIV. wird eine Anekdote überliefert, wonach es unter den Höflingen zu einer Diskussion darüber gekommen war, vor wem sie sich beim Einzug zum Sonntagsgottesdienst verneigen sollten: Vor dem König, vor dem Erzbischof, vor dem Altar? Oder vor allen? Die Sache ging zur Entscheidung nach Rom, und von da kam eine Antwort, die an Weltklugheit, aber auch an politisch-theologischer Korrektheit nichts zu wünschen übrig ließ: Die Hofgesellschaft mitsamt den ihr angehörenden geistlichen Würdenträgern solle ihr Knie vor dem König beugen, dieser aber würde sich vor dem Altar Christi verneigen und damit auch die ihm erwiesenen Ehrenbezeugungen wie ein Treuhänder und Vermittler dem Urheber aller Würden und Ehren zurückerstatten.

Diese Denkweise war nicht Ausdruck einer katholischen Eigentümlichkeit der Monarchie Frankreichs als der „ältesten Tochter der Kirche“. Die 150 Jahre nach der französischen Revolution geschaffene Ausmalung des Mausoleums der protestantischen preußischen Könige im Park des Berliner Schlosses von Charlottenburg drückt exakt den gleichen Gedanken aus: König Friedrich Wilhelm III. und seine lange vor ihm verstorbene Gemahlin Luise geben nach ihrem Tod Christus dem Weltenherrscher die ihnen verliehenen Kronen zurück.
In mehr oder weniger großer Ähnlichkeit war diese Vorstellung allen vormodernen und vordemokratischen Gesellschaften gemeinsam. Das gilt auch für den Islam, wo die Kalifen als „Stellvertreter“ herrschten, oder in Ostasien, wo der Kaiser das „Mandat des Himmels“ verwaltete. Selbst die Vergottung der hellenistischen Herrscher und später des römischen Kaisers war nicht nur Ausdruck menschlicher Selbstüberhebung, sondern auch eines Bewußtseins davon, daß jede Herrschaft nicht nur der menschlichen, sondern auch einer überirdischen Sphäre angehört. Herrscher, die sich offen und programmatisch gegen das in ihrer Gesellschaft bestehende Verständnis der göttlichen Gebote wandten, mußten mit heftigem Widerstand rechnen und konnten sich nicht lange halten.

Und damit sind wir auch schon beim zentralen Moment der aktuellen Entwicklung: Die Moderne Gesellschaft, wie sie sich seit der französischen Revolution mit der Industrialisierung herausgebildet hat, hat sich erfolgreich von jedem Gedanken an Gott und göttliche Gebote „emanzipiert“. Unter dem Zeichen der „Volksherrschaft“ folgt daraus, daß politische Herrschaft ebenfalls nur ausgeübt werden und bestehen kann, soweit sie diese „Emanzipation“ nachvollzieht und sich – im Zeitalter der „Mediendemokratie“ – zu deren Protagonisten macht. Damit wird aus dem immer schon bestehenden Spannungsverhältnis zwischen weltlicher Macht und religiösem Anspruch ein offener und schwer überbrückbarer Gegensatz: Die „emanzipierte Gesellschaft“ muß, um ihrem Selbstverständnis genügen zu können, alle Wertungen und erst recht Gebote, die sich auf eine über der Gesellschaft stehende Instanz berufen, zurückweisen, ja sogar als feindlich bekämpfen. Und das tut sie, wie an der Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte zu sehen ist, mit wachsender Entschlossenheit und Brutalität. Medien, Parteien und „Zivilgesellschaft“ und Regierungen treiben hier einander ohne sichtbare Zielkonflikte vor sich her.

Bild: Sicherungsscreenshot von der im Text genannten Anzeige am 11.3.19

Die Kirche in Deutschland – und nicht nur in Deutschland, wie das Beispiel des Geheimabkommens zwischen dem Vatikan und China demonstriert – scheint bereit zusein, swich treiben zu lassen, teilweise sogar mitzutreiben, wie etwa in Sachen der bedingungslosen Migrationsförderung. Gegenüber zentralen Forderungen der „Emanzipationsbewegung“ wie Abtreibung, Homoehe, Frauenweihe und ähnlichem signalisiert sie unterwürfigst Kapitulationsbereitschaft. Nicht nur die „Katholische Kirchenstiftung St. Raphael“ in München sucht per Anzeige brav „eine/n Kinderpfleger/in oder eine pädagogische Ergänzungskraft (m/w/d)“ für die Erziehung von Kindern. Das ist allgemeine Praxis - wie das gottlose Gesetz es befiehlt.

Wie unser Wochenrückblick von Anfang März in der Momentaufnahme gezeigt hat, bleibt kein Bereich von Leben und Lehre der Kirche verschont. Die Leitungsetage der Neukatholischen Kirche Deutschlands GmbH & Co Kg hat sich entschieden: Wo göttliches Gesetz und weltliche Macht im Widerspruch zueinander stehen, gibt sie der weltlichen Macht den Vorrang.

Die Verwendung des Weihrauchs in der Liturgie war nach der Liturgiedeform weitgehend aus dem Gottesdienst der Kirche verschwunden. Nun wird er wieder in beträchtlichen Mengen benötigt, um vor den Götzen der säkularen Heilsökonomie verbrannt zu werden.

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