Der Herr sei ihrer Seele gnädig
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- 28. Mai 2019
Im vergangenen August verursachte P. Thomas Rosica einiges Aufsehen mit der steilen These:
Papst Franziskus bricht mit der Katholischen Tradition wo immer er will, denn er ist ‚frei von ungeordneten Bindungen‘. Tatsächlich ist unsere Kirche in eine neue Phase eingetreten: mit dem Erscheinen des ersten Jesuiten-Papstes wird sie ganz offen eher von einer Einzelperson regiert als allein durch die Autorität der Schrift oder die eigenen Grundforderungen aus Tradition plus Schrift." (Näheres dazu hier)
Rosica ist seitdem in der Versenkung verschwunden – nachdem er als gewohnheitsmäßiger Plagiator überführt wurde, war er in der Öffentlichkeitsarbeit des Vatikans nicht mehr haltbar. Aber seine These ist lebendiger als je zuvor – wenn wir Vatican News glauben können, hat sie sich Franziskus in seiner Ansprache vor der Generalkonferenz von Caritas internationalis am 23. Mai ausdrücklich zu eigen gemacht. Hier der ganze Text, typisch Franziskus mit zahllosen Unklarheiten, Zweideutigkeiten und Widersprüchen. Doch die Grundtendenz scheint uns klar zu Tage zu treten: Es ist die von Rosica proklamierte Freiheit von allen Bindungen und Traditionen, frei für alle Anforderungen des Augenblicks - vor allem jedoch der Politik.
Danach wird Bergoglios Kirche von drei Elementen bestimmt: Von der „Demut des Zuhörens, dem Charisma der Gemeinschaftlichkeit und dem Mut zum Loslassen“. Letzterer besteht nach Aussage des Bergoglio-Papstes in der Bereitschaft, die eigenen menschlichen Überzeugungen und Traditionen aufzugeben, um die beste Weise der Verkündigung des Evangeliums zu finden. Dazu müsse man auf die Stimmen aller hören, vor allem aber auf die der Geringsten, man müsse sich von sich selbst lösen und die Gedankenwelt der anderen übernehmen. Es gehe darum, dem Leben selbst zuzuhören, die Realität so zu sehen, wie sie ist und sich nicht auf vorgefasste Ideen zu konzentrieren. „Von der Demut des Zuhörens bis zum Mut des Loslassens – all das geschieht im Charisma der Gemeinschaftlichkeit.“ (Quelle)
Und um ganz klar zu machen, daß die Stimme, der er zuhören will, nicht unbedingt die Stimme des Gottessohnes ist, der als Mensch zu uns gesprochen und uns gelehrt hat, fügte Papst Franziskus nach einem anderen Bericht eine ausdrückliche Warnung vor „klaren Richtlinien“ hinzu: „Das ist nicht die Weise, in der der Herr vorgeht – er sendet seinen Jüngern keine Antwort, sondern den heiligen Geist. Und der heilige Geist kommt nicht mit einem Plan, sondern als Feuer“. So hätten schon die frühen Christen lernen müssen, die alten Lehren und Traditionen hinter sich zu lassen und allein zu verkünden: „Gott ist die Liebe“. Alles andere sei mehr ein Hindernis als eine Hilfe beim wahren Weg der Verkündung des Evangeliums.
So verkünden wir also das wahre Evangelium ohne die Lehre und die Gebote des Evangeliums? Alles nur im gemeinschaftlichen Hinhören auf die Stimmen des Augenblicks?
Besonders schwindelerregend wirkt dieses merkwürdige Gedankengebräu im Zusammenhang mit Äußerungen des päpstlichen Hofideologen P. Antonio „2+2=5“ Spadaro SJ im Vorwort zu einer neuen Veröffentlichungsreihe mit grundlegenden Werken der bergoglianischen Theologie. Dort schreibt Spadaro:
Einige tun das Denken des hl. Vaters als unüberlegtes Gerede aus dem Geist des Augenblicks ab. Nichts könnte weiter entfernt von der Wahrheit sein. Diese Serie wird die Tiefgründigkeit und Weisheit seiner Sprache zum Ausdruck bringen. Da gibt es kein einziges einfach so dahingesprochenes oder unüberlegtes Wort, denn Franziskus weiß, daß alles, was er sagt, Lehramt ist.“
Nein, lieber Pater Spadaro, Muster aller klerikalen Ohrenbläser und Speichellecker. Die moderne Theologie ist zwar in einem Zustand fortgeschrittenen Auflösung – sie riecht schon beträchtlich – aber davon kann und sollte man sich fernhalten. Auch für Franziskus ergibt 2+2 nicht und niemals 5, und das „Loslassen“ gilt der Welt und nicht der Lehre des fleischgewordenen Wortes. Das Lehramt des Papstes ist gebunden an dieses Wort der Schrift so, wie es in der Tradition der Kirche immer verstanden und gelehrt wurde – und wenn er sich auf den Kopf stellen und mit den Beinen dirigieren wollte. Das sieht bloß komisch aus. Der Papst ist erst recht nicht der Messias 2.0, der nach zweitausend Jahren endlich alles richtig stellt, was dem Vorgänger unter den damaligen, aber leider inzwischen völlig veränderten Bedingungen, mißlungen ist.
Eher erscheint er als ein von den Anforderungen seines Amtes heillos überforderter Mann, der den heiligen Geist mit dem Zeitgeist verwechselt. Dafür kann man ihm mildernde Umstände zu gute halten – diese Krankheit ist nicht nur unter Jesuiten weit verbreitet. Der Herr sei ihm und seinen Gefolgsleuten gnädig, und ihren Hintermännern auch.