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Reden über Schisma und Spaltung

Die S-Wörter haben Konjunktur. Wurden sie bis vor wenigen Jahren peinlich gemieden und höchstens einmal hinter vorgehaltener Hand ausgesprochen, wenn es um besonders schlimmes Versagen einzelner Theologen oder irrender Oberhirten ging, so erscheinen sie heute immer öfter als unentbehrlich zur Beschreibung aktueller Entwicklungen. Drei Veröffentlichungen vom Wochenbeginn werfen auf je unterschiedliche Weise Schlaglichter auf den desolaten Zustand der Ecclesia militans, die in weiten Bereichen den Kampf, der doch ihr Wesen ausmacht, aufgegeben hat, und sich zum Friedensschluss mit dem Übel und dem Verderber der Welt anschickt.

Aus Italien erreichte uns gestern ein Artikel des Vatikan-Analytikers Andrea Cagliarducci (Englisch in Monday Vatican  und auf Deutsch beim Beiboot Petri), der das Thema der Theologie ohne Gott aufgreift, das unsererseits hier bereits ansatzweise und in deutscher Perspektive angesprochen wurde. Cagliarducci führt aus, daß die Theologie ohne Gott beileibe nicht auf deutsche Universitäten begrenzt ist, und er zeichnet die Pontifikate der Päpste Johannes Paul II. und Benedikt XVI. als durchdrungen von der Anstrengung, dieser in der gesamten Kirche vordringenden Anti-Theologie entgegen zu wirken. Offenbar mit wenig Erfolg, jedenfalls nicht nachhaltig. Im gegenwärtigen Pontifikat sind diese Abwehrversuche trotz anderslautender verbaler Bekundungen praktisch zum Erliegen gekommen. Ersten Konsequenzen sind mit den Dokumenten Laudato Si und Amoris Laetitia bereits sichtbar geworden, sie haben tiefgehende Unruhe und Verwerfungen in der Kirche bewirkt. Die weiteren Aussichten, wie sie etwa mit der Amazonas-Synode oder dem deutschen „Synodalen Weg“ eröffnet werden, müssen alarmieren. Kirchenspaltung und Schisma erscheinen als reale Gefahr.

Den zweiten überaus aufschlußreichen Beitrag lasen wir auf „New Liturgical Movement“, wo Peter Kwasniewski den Brief eines russisch-orthodoxen Mönchs präsentiert, den der einem westlichen Benediktiner geschrieben hatte, nachdem dieser ihm eine längere Abhandlung über die Notwendigkeit der Rückkehr in die Einheit der Kirche unter dem Papst zugesandt hatte. Die Antwort aus Russland macht deutlich: An den traditionellen Motiven und Begründungen für die Spaltung hat sich kaum etwas geändert – aber in den letzten Jahrzehnten, die doch westlicherseits angeblich unter dem Primat der Ökumene standen, sind noch viele Neue dazu gekommen. Die Spaltung zwischen Ost und West erscheint tiefer als seit Jahrhunderten. Und im Westen werden vermehrt Fälle bekannt, daß sich verzweifelte Katholiken im vermeintlich weniger vom Modernisierungssturm geschüttelten Osten in Sicherheit bringen – Rod Dreher von der Option Benedikt ist nur das prominenteste, bei weitem aber nicht einzige Beispiel.

Unmittelbar das Thema „Spaltung“ spricht Peter Winnenmöller in einem ebenfalls an diesem Montag erschienenen Beitrag für kath.net an. Hier geht es weiter Er konzentriert sich auf die Situation im deutschsprachigen Bereich und lenkt die Aufmerksamkeit darauf, daß die Angriffe von Gruppierungen kommen, die man bis vor wenigen Jahren vielfach als „Randgruppen“ abtun konnte – daß inzwischen aber die Kerngruppen, vor allem die Hierarchie, jeden Widerstand gegen deren zerstörerisches Treiben eingestellt haben.

„Es ist ein Zeichen der Krise der Kirche, dass die Strukturen nicht nur keinen Widerstand gegen die Revolte mehr leisten, sondern selber Bestandteil der Revolte werden.“ Und weiter:

Eines werden wir nicht erleben, dass sich Bischöfe in größerer Zahl laut hörbar und mit der nötigen Konsequenz gegen die Kirchenrevolte stellen. Vielmehr wird schon angeregt, dass „Maria2.0“ den synodalen Weg mitgestalten soll. „Non serviam“ soll damit zum kirchlichen Prinzip erhoben werden. (...) Welche Ergebnisse das bringen wird, ist noch komplett offen. Ordinatio sacerdotalis ist de fide. Eine der Hauptforderungen wird unerfüllt bleiben müssen. Damit ist der Weg ins Schisma eigentlich nur für geistlich Blinde nicht zu sehen. Am Ende wird irgendwer Frauen weihen und damit die Einheit verlassen.“

Dem Befund ist schwerlich zu widersprechen – nur eine Ergänzung ist angebracht: Der „Irgendwer“ wird schneller auftauchen, als viele erwarten.  „Jetzt ist die Zeit gekommen“ meint die Vorsitzende des offiziellen kirchlichen Frauenverbandes zur Frauenweihe. Als Spalter, als Sünder gegen die Einheit, werden dann die erscheinen, die sich dem Zug der Mehrheit hin zum (wieder einmal) neuen Frühling nicht anschließen. Beiträge auf katholisch.de wie dieser: „Die Wortmeldungen von Benedikt XVI. gefährden die Einheit der Kirche“ lassen die Strategie erkennen.

Damit stellt sich immer schärfer die Frage, wie diejenigen, die katholisch bleiben wollen, mit dem Offenbarwerden des bisher in verdeckter Form vor sich hin schwärenden Schisma umgehen wollen und können. Die Zeit der Kardinalsversammlungen, auf denen feierlich Bannflüche ausgesprochen und Gegenpäpste proklamiert wurden, ist wohl unwiederbringlich vorbei, und das ist auch kein Verlust. Glaubensentscheidungen fallen heute nicht mehr auf zentraler Ebene und lassen sich auch nicht mehr „von oben“ durchsetzen. Was nicht heißt, daß Glaubensentscheidungen im Zeitalter des Relativismus gar nicht mehr getroffen werden könnten – ganz und gar nicht. Aber sie werden individuell getroffen und gelebt – doch in der Kirche Jesu Christi nicht mit individuell und letztlich beliebig gewählten Bezugspunkten, sondern nach der Wahrheit des Herrn.

Zur Feststellung dieser Wahrheit bietet die katholische Tradition genügend Ankerpunkte, die von keiner Enzyklika, keiner Synode und auch von keiner Neuauflage des Katechismus verändert werden können. Anders als in einer Vergangenheit, in der – vom ganz kleinen Katechismus einmal abgesehen – die Lehre der Tradition nur in großen Bibliotheken und für gebildeten Spezialisten greifbar war, hat heute jeder Zugang. Nicht ohne Mühe – aber was gibt es schon umsonst. Dieser Weg der Glaubensvergewisserung ist nicht ohne ein beträchtliches Maß an geistlicher Führung und Begleitung gangbar, vor allem jedoch nicht ohne ein intensives sakramentales Leben Hier kommen große Herausforderungen auf die Priester der traditionellen Gemeinschaften aber auch die glaubenstreuen Angehörigen des Bistumsklerus zu.

Diese Herausforderungen werden sich umso eher bewältigen lassen, als alle Beteiligten, Priester ebenso wie Laien, der Versuchung widerstehen, sichtbare „Zeichen zu setzen“ oder gesinnungsstarke Erklärungen abzugben, die den Priester im Nachbarort, den Diözesanbischof oder gar den Papst als „Häretiker“ brandmarken. Es reicht doch, nur die Kirchen zu besuchen, bei denen man keine Zweifel daran haben muß, daß gültige Sakramente gespendet werden. Und von dem, was sie lehren, genau das zu beherzigen, bei dem die Übereinstimmung mit der Tradition klar erkennbar ist. Soviel „Mündigkeit“ muß sein – aber „wir“ sind nicht Papst. Die Sedisvakanz erklärt nach dem Tod des Papstes der Camerlengo, und sonst keiner. Die feierliche Verurteilung abweichender Lehren kann künftigen Konzilen vorbehalten bleiben, und es wäre nicht das erste Mal, daß bis dahin ein oder zwei Jahrhunderte ins Land gehen.

Freilich darf man sich keinen Illusionen hingeben, daß die Eiferer für die neuen Lehren, die Austreibung Gottes aus Theologie und Liturgie und die Inthronisation neuer Götter aus Feminismus und Umweltreligion sich in ihrem Machtbereich damit zufrieden geben würden, daß die Abweichler, wie oben skizziert, keine weitreichenden Erklärungen abgeben. Ein Bischof und sein Ordinariat haben viele Möglichkeiten, dissidierende Priester unter Druck zu setzen – bis hin zur Entlassung aus ihren Ämtern oder gar der Androhung der Suspendierung. Ihnen muß man daher auf jede Weise den Rücken stärken – nicht zuletzt auch dadurch, daß man Mechanismen bereit hält, die ein würdiges materielles Überleben sichern. Damit lassen sich nicht alle Probleme abfangen, die etwa durch eine Suspendierung entstehen könnten – aber auch hier gilt, daß man zum Widerstand gegen eine rechtswidrige Maßnahme nicht gleich seine eigene Freikirche ausrufen muß.

Nicht diejenigen trennen sich von der Kirche, die an ihrer Tradition, an ihren Heiligen und an deren Lehre und Leben festhalten, sondern diejenigen, die davon abgehen wollen. Das muß überall erkennbar bleiben und kenntlich gemacht werden. Unentbehrliche Voraussetzung dafür ist es, die Kenntnis und die Verwurzelung in diesen Traditionen weit über das bisherige Maß hinaus zu verstärken.

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