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Paul VI. - Papst der Widersprüche

Der Name Pauls VI. wird in der Kirchengeschichte wohl auf immer mit „seiner“ Liturgiereform verbunden sein, deren Scheitern von Jahr zu Jahr deutlicher erkennbar wird. Es wäre jedoch ungerecht und verfehlt, sein Gedächtnis darauf zu reduzieren. In seinen Enzykliken – und nicht nur in der als „Pillenenzyklika“ geschmähten Humanæ Vitæ – hat er die Lehre der Kirche, auch und insbesondere die Lehre von den Sakramenten und der Eucharistie – in großer Klarheit dargelegt und kraftvoll verteidigt. Hier eine Aufstellung der wichtigsten Texte. Allerdings hat ihn der Sturm des weltweiten Widerspruchs und auch des innerkirchlichen Ungehorsams, den Humanæ Vitæ (veröffentlicht 25. Juli 1968 im 5. Jahre seines Pontifikats) ausgelöst hatte, so erschüttert, daß er in den dann noch folgenden 10 Jahren seines Pontifikats keine weitere Enzyklika geschrieben hat. Es gibt Spekulationen, nach denen in dieser Erschütterung der Grund dafür sehen ist, daß er bei der Liturgiereform den vermeintlichen Anforderungen der Moderne so weit entgegen gekommen ist.

Neben den speziellen Themen gewidmeten Enzykliken ist von besonderer Bedeutung das „Credo des Gottesvolkes“ (CdG), das auf Pauls VI. Anregung verfaßt, von ihm im Juni 1968 feierlich verkündet und schließlich auch noch als „Motu Proprio“ in den Akten des Apostolischen Stuhles veröffentlicht wurde. In Deutschland wurde es wegen seiner Bekräftigung katholischer Glaubenswahrheiten von der Theologie und von der Seelsorge praktisch nicht zur Kenntnis genommen. Hier der Text.  In Anlehnung an die Ordnung der traditionellen Glaubensbekenntnisse werden in diesem Dokument die Grundwahrheiten des Glaubens ausführlicher dargelegt und durch Passagen zu einigen der Zeit entsprechenden (Streit-)Fragen ergänzt.

Einige davon sollen hier hervorgehoben werden:

Hier geht es weiterDas CdG spricht unter Berufung auf das Konzil von Trient ausdrücklich von der Erbsünde und beschreibt die Natur des Menschen als in einem gefallenen Zustand befindlich.
Die Taufe der Kinder wird ausdrücklich empfohlen, damit sie vom Anfang ihres Lebensweges an der übernatürlichen Gnade teilhaftig werden.

Besondere Aufmerksamkeit widmet das CdG der Lehre von der Kirche, die in den herkömmlichen Glaubensbekenntnissen kaum erwähnt wird. Es beschreibt die Kirche als den mystischen Leib Christi, der das Geheimnis der Erlösung in der Geschichte fortsetzt. Ihre menschliche Ordnung ist hierarchisch gegliedert. Die Kirche ist heilig – auch wenn sich in ihr Sünder befinden. Die Kirche ist „dem Geiste nach Erbin der göttlichen Verheißungen und Tochter Abrahams, durch jenes Israel, dessen heilige Schriften sie in Liebe bewahrt und dessen Patriarchen und Propheten sie in Ehrfurcht gedenkt.“ Die Kirche hat die Aufgabe, die Wahrheit zu lehren und zu verteidigen. Sie ist heilsnotwendig, denn Christus ist der alleinige Weg und Mittler zum Heil. Desungeachtet gibt es auch außerhalb der Kirche Elemente der Wahrheit, und der göttliche Heilsplan macht es möglich, daß Menschen, die ohne ihr Verschulden der Kirche nicht angehören, das Heil erlangen.

Für die Aussagen zur Kirche stützt sich das CdG ausschließlich auf die „dogmatische Konstitution“ Lumen Gentium – die niederrangige, aber inhaltlich weitergehende Auslegungen provozierende „Erklärung“ Nostra Ætate bleibt unberücksichtigt. ES wäre interessant zu überprüfen, inwieweit hier eine autoritative Auslegung von andernorts unorthodox interpretierten Aussagen von LG und NAe vorliegt.

Ausdrücklich erkennt der Abschnitt über die Kirche die Vielfalt der Liturgie und den Reichtum der Verschiedenheit in theologischem, geistlichem und rechtlichen Erbe der Teilkirchen an. Dabei bekräftigt das CdG die Lehre der Kirche von der Erneuerung des Kalvaria-Opfers bei der heiligen Messe und besteht auf der Bezeichnung des eucharistischen Geschehens als Tanssubstantion. „Jede theologische Erklärung, die sich um das Verständnis dieses Geheimnisses bemüht, muß, um mit unserem Glauben übereinstimmen zu können, daran festhalten, daß Brot und Wein der Substanz nach, unabhängig von unserem Denken, nach der Konsekration zu bestehen aufgehört haben, so daß nunmehr der anbetungswürdige Leib und das anbetungswürdige Blut unseres Herrn vor uns gegenwärtig sind.“

In Bezug auf die irdische Mission der Kirche heißt es, daß „das Wachstum der Kirche nicht mit dem Fortschritt der Zivilisation, der Wissenschaft und der Technik des Menschen gleichgesetzt werden darf“. Die Kirche besteht „nur aus dem einen Grund, um immer tiefer den unergründlichen Reichtum Christi zu erkennen, immer zuversichtlicher auf die ewigen Güter zu hoffen, immer besser der Liebe Gottes zu antworten und den Menschen immer freigebiger die Güter der Gnade und Heiligkeit mitzuteilen“. Die Sorge um das zeitliche Wohl ihrer Kinder müsse von dem Bewußtsein getragen sein, „daß ihnen hier auf Erden keine bleibende Wohnung beschieden ist“.

Kein Zweifel: Das „Credo des Gottesvolkes“ ist ein hochaktuelles Dokument, vor 50 Jahren wie heute ganz auf der Höhe der Zeit.

Das eine oder andere aus diesem Glaubensbekenntnis mag noch nach einer ausführlicheren Erklärung verlangen – daß es eine authentische und tief in der Tradition verankerte Darlegung des katholischen Glaubens darstellt, ist unverkennbar. So bleibt es bei dem widersprüchlichen Bild dieses Papstes, der auf der einen Seite in seinen Dokumenten viel dazu geleistet hat, die Wahrheit des Glaubens zu erhalten und zu verkünden – und andererseits mit der von ihm mitgetragen Deformation der überlieferten Liturgie daran mitgewirkt hat, die Grundlagen für die Erhaltung eben dieses Glaubens zu unterminieren.

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Unser aus den Tiefen des Internets gefischtes Bild zeigt eine der seltenen Aufnahmen des Papstes mit dem von ihm gelegentlich angelegten „Rationale“ - einer verkleinerten Nachbildung des Brustschildes (Choshen) aus dem Amtsornat des alttestamentlichen Hohen Priesters. Das hat nichts mit gelegentlich behaupteten „judaisierenden“ oder gar freimaurerischen Tendenzen des Montini-Papstes zu tun. Es ist vielmehr Ausdruck eines zutiefst in die Tradition zurückreichenden Amtsverständnisses, das auch schon vor Paul VI. von anderen Päpsten und Bischöfen in ähnlicher Form gezeigt worden ist. Dieses Symbol nun gerade bei Paul VI. zu sehen, der das andere viel verbreitetere Symbol des päpstlichen Amtes, die Tiara, abgelegt hat – auch das gehört zur zwiespältigen Persönlichkeit dieses Papstes.

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