Nicht Athanasius war der Kirchenspalter!
- Details
- 14. Juli 2021
Es hat keinen Sinn, wenn traditionsorientierte Katholiken jetzt in Erwartung der Revision des Motu Proprio wie das Kaninchen auf die Schlange nach Rom blicken - auch wenn das schon ein veritabler Lindwurm ist, der dort sein hässliches Haupt erhebt. Aber die Kirche ist keine durch nichts gezügelte Despotie, selbst wenn das gelegentlich, auch in der Geschichte, so scheinen mag. Das Papstamt gibt keine Vollmacht zur Willkür. Wer den Gehorsam vor der Tradition und seinen Vorgängern im Amt verweigert, schwächt sein moralisches Recht, seinerseits bedingungslosen Gehorsam einzufordern – zumal nicht erst der aktuelle Pontifex seit Jahrzehnten jede Art von Ungehorsam ins Kraut schießen ließ, wenn dieser sich nur als Erfüllung der Einflüsterungen des Geistes DES KONZILS zu tarnen verstand. Doch dieser Geist ist selbst immer deutlicher als Ungeist (so Joseph Ratzinger, Zur Lage des Glaubens) erkennbar geworden. Wohin dieser Geist geführt hat, ist für jeden, der sich nicht in der Blase römischer Kurialstuben oder deutscher Ordinariatsbetriebe eingeschlossen hat, längst unübersehbar geworden: Zum Ende der katholischen Kirche sowohl in der Form, die wir aus der Geschichte kennen, als auch in der Form, die uns die falschen Propheten der permanenten Reform und des Gottes der Überraschungen versprochen haben. Sie sind bankrott, und die Gnadenfrist, für die sie den Offenbarungseid noch hinausschieben können, wird täglich kürzer.
Ganz so drastisch hat es wohl Joseph Ratzinger in seiner Rundfunkansprache von 1969 (Bericht) nicht erwartet, als er prognostizierte, daß nur ein kleiner rechtgläubiger Kern übrig bleiben werde – aber die Richtung hat er schon damals sehr wohl erkannt. Das Konzil (oder, für die Freunde der Wortklauberei: Seine Rezeption), das den neuen Frühling versprach, hat in die Wüste geführt
Nein, „Erfolg“ ist keiner der Namen Gottes, und die Kirche Christi wird weiter leben, selbst wenn es eines Tages (in Deutschland) keine Bischöfe mit Staatsekretärsgehältern mehr gibt, und selbst wenn der Petersdom und die vatikanischen Museen, von den Bankrotteuren verspielt, unter den Hammer kämen. Aber für die Gläubigen, die nichts anderes wollen, als am Glauben ihrer Väter festzuhalten, so wie er seit der Zeit Apostel überliefert worden ist, besteht auch keine Verpflichtung, in vermeintlich frommer Selbstaufgabe jedem Willkürakt aus Rom zu folgen, der die Kirche immer weiter von der Lehre Christi und der Überlieferung der Väter entfernt. Nicht der hl. Athanasius hat seinerzeit die Kirche gespalten, sondern ein abtrünniger Episkopat und ein dem Kaiser unterwürfiger Papst.
Für die, die an der Liturgie und damit auch an der Lehre der Kirche aller Zeiten festhalten wollen, bedeutet das zu allererst: Keine Angst zu haben. Dieser Rat läßt sich heute weitaus leichter geben als zur Zeit von Athanasius. Der eine große Vorteil der Säkularisierung ist doch, daß weder Rom noch die Bischöfe Gendarmen schicken können, wenn irgendwo unerlaubt im alten Ritus gefeiert wird – obwohl man da nach den Erfahrungen von bald zwei Corona-Jahren nicht hundertprozentig sicher sein kann, ob nicht andere Mächte hilfsbereit einspringen.
Rom und Bischöfe können die Benutzung von Kirchen verweigern – das hat auch in früheren Jahrzehnten kein unüberwindliches Hindernis für Gebet und Feier der Eucharistie gebildet. Da die Priester der traditionsorientierten Gemeinschaften bisher schon zum größten Teil von Spenden und selbst Erwirtschaftetem leben mußten, kann ihnen die Obrigkeit auch nicht die Gehälter sperren. Das einzige, was sie tun können, ist mit der „Waffe des Bannspruchs“ zu drohen – also mit jener Waffe, die sie seit hundert Jahren gegen keinen noch so wütenden Feind der Kirche, gegen keinen Irrlehrer und keinen Kinderverderber eingesetzt haben, denn „wer sind wir denn, zu urteilen?“ Und sie müßten diese Waffe vollends gegen die eigene Vergangenheit, gegen die eigenen Wurzeln, gegen die Gestalt der Kirche wenden, die doch bis gestern als Stiftung Christi selbst galt. Sie könnten zwar weiter vom „neuen Frühling“ und den Früchten des Dialogs mit der Welt faseln – aber wer außer denen, die vom Betrieb leben, soll soll ihnen das noch abnehmen? Der hl. Athanasius und Hunderte anderer aufrechter Verteidiger des Glaubens in schwerer Zeit ganz bestimmt nicht.
Nun hat Taylor Marshall wohl mit Recht darauf hingewiesen, daß die schlauen Schlangen in Rom möglicherweise einen Weg gefunden haben, statt des zweischneidigen Schwertes der Dogmatik die Keule der Disziplin zu schwingen, um die Anhänger der überlieferten Liturgie und Lehre – Laien wie Priester gleicherweise – daran zu hindern, sich auf Inseln und in Archen der Tradition vor dem allgemeinen Untergang in Sicherheit zu bringen: Wir dulden keine Spaltung, es kann keine Parallelkirche geben sind die neuen Bannflüche. Doch wie könnten die Spalter sein, die nichts anderes wollen als beim Stamm der Tradition zu bleiben? Spalter, verdorrte Äste, die für fruchtlos befunden und letztlich ins Feuer geworfen werden, sind die, die sich vom Stamm und Urgrund „emanzipiert“ zu haben glauben. Auch hier sind der hl. Athanasius und seine Mitstreiter unsere Zeugen.
Die erste Reaktion auf das, was da wohl aus Rom zu erwarten ist, muß also sein, weiter zu machen wie bisher und in Treue zur Tradition dem allgemeinen Niedergang zu trotzen. Wenn im Zuge der Bankrottabwicklung Pfarrer und Bischöfe „ihre“ Kirchen lieber zusperren oder zu Markthallen oder Moscheen machen, wird man sich um die Gastfreundschaft der Glaubenstreueren, die es auch in ökumenischen Zusammenhängen gibt, bemühen. Auch das wäre ja nicht das erste mal, und vielleicht muß jede Generation von glaubenstreuen Christen einmal diese Erfahrung machen – gelebte Ökumene der anderen Art.
Die zweite Reaktion sollte sein, die Fehlentwicklungen und Irrtümer, die in die gegewärtige katastrophale Situation geführt haben, (auch die auf der eigenen Seite) rückhaltlos „aufzuarbeiten“ - also zunächst einmal zu benennen und dann soweit es in der eigenen Kraft steht, zu korrigieren. Ein paar Stichworte wie Hyperpapalismus und Selbstzufriedenheit, theologische Anspruchslosigkeit und immer wieder auch Opportunismus geben die Richtung. Vor allem aber ist Klarheit gefordert: Ja, die Liturgie nach dem Novus Ordo kann würdig und gültig gefeiert werden – aber in der Bätzing/Bode/Wilmer-Realität wird das erste Prädikat oft und das zweite wohl immer öfter verfehlt. Ja, die unter diesem Namen seit Jahrzehnten eingerissene und geförderte liturgische Praxis und lehrmäßige Verwahrlosung hat wesentlich zum aktuellen Niedergang hingeführt, und daß es im Novus-Ordo-Bereich immer noch gar nicht so wenige glaubenstreue Priester und wahrhaft katholische Gemeinden und Bewegungen gibt, grenzt an ein Wunder.
Daß es spätestens nach dem neuen zu erwartenden Versuch zum „Cancelling“ der Tradition in Liturgie und Lehre geboten ist, Michael Matts Ruf „Unite the Clans!“ aufzunehmen, sollte auf der Hand liegen. Das verlangt Mut von allen – und auch ein gehöriges Maß an Demut sowohl von denen, die sich geirrt haben, als auch von denen, die es schon immer gewußt haben.
Wenn es selbst in den schlimmsten Zeiten früherer Christenverfolgungen und im Stalinismus möglich war, Bischöfe zur Erteilung der heiligen Weihen zu finden, sollte das auch unter der Diktatur des Modernismus (der selbst dabei ist, sein sakramentales Wesen zu verlieren) möglich sein – auch hier geht es um Mut und Demut - Kardinal Müller, von dem das so nicht zu erwarten war, hat mit der Priesterweihe in Le Barroux ein bemerkenswertes Zeichen gegeben. (Hier seine Predigt) Es ist nicht primär die Liturgie, die uns trennt, sondern der Glaube, der vereint - solange es denn der gleiche Glaube ist. Es kann sein, daß sich die schwierige Frage der Einheit schon in wenigen Jahrzehnten – wenn sich die Staubwolken der Implosion all der großartigen aus der Vergangenheit ererbten Strukturen gelegt haben – anders stellt als heute. Bis dahin gibt der hl. Athanasius das Vorbild dafür ab, auch in ausweglos erscheinender Lage den Mut nicht sinken und das Gottvertrauen nicht schwinden zu lassen.