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Franziskus sichert sein Erbe

Bild: Gefunden auf TwitterOder das glaubt er zumindest. Die immer hektischer aufeinanderfolgenden Entscheide des im 86. Lebensjahr stehenden und von Krankheit schwer beeinträchtigten Papstes erwecken zwar den Eindruck, als würde da der Big Boss mit allen Tricks und Drohungen die Karten für die nächste Runde im großen Kirchen-Spiel so mischen und präparieren, daß gar nichts anderes herauskommen kann als sein Wille – doch ach: Die Kirche und auch der Vatikan sind keine Pokerrunde. Der Herr ist und bleibt Christus, der am Kreuz für uns gestorben ist – und er wird in Gemeinschaft mit dem Hl. Geist das Trauerspiel dann beenden, wenn er die Zeit für gekommen sieht.

Aus der Erfahrungssammlung des Volkes Israel, dem Buch der Psalmen, wissen wir, daß eine der schlimmsten Strafen, die der Herr über die ihm Abtrünnigen verhängt, darin besteht, sie ihrem verstockten Herzen zu überlassen, „und sie handelten nach ihren eigenen Plänen“. (80/81; 13) – und das Ergebnis ist immer das gleiche: Niederlage und Zusammenbruch, und die verzweifelte Frage: Wie lange noch?

Wollte man danach gehen, daß die rasende Beschleunigung der Dinge ein Anzeichen für das bevorstehende Ende (nicht gleich der ganzen Welt, aber der aktuellen Verhängnisse) wäre, könnten wir hoffen. Innerhalb weniger Wochen hat Franziskus eine Reihe von Schritten unternommen, um das, was er für SEIN Erbe hält, zu sichern – und sie verpuffen wie Strohfeuer. Seit Inkraftsetzung des neuen „Legge fundamentale“ für den Vatikanstaat am 7. Juni, das alle Macht auf den kranken Mann in Santa Marta konzentrieren will, bewegt sich im Gubernatorio rein gar nichts mehr – Beamtenmikado.

Die Ernennung von Fernàndez zum neuen Chef des Glaubens-Dingens ist ein Rohrkrepierer erster Güte: Hier geht es weiterVom Tag der Ernennung an hat der neue Mann alle Hände voll damit zu tun, die Lacher abzuwehren, die ihm sein freilich schon länger zurückliegendes Büchlein über die Kunst des Küssens vorhalten – und sich gegen die anscheinend außerhalb der früheren Glaubenskongregation sehr wenigen Leser seiner zahlreichen „fachtheologischen“ Veröffentlichungen zu wehren, die seine Glaubenstreue anzweifeln. Er ist offenbar nicht der Mann, von dem man einen Gebrauchtwagen kaufen wollte, und zu allem Überfluss hat er jetzt auch noch eingestanden, quasi arbeitslos zu sein: Seine Aufgabe sei es nicht, Irrtümer zu bekämpfen, sondern das „Magisterium“ des gegenwärtigen Papstes durchzusetzen.

Nun, ein solches „Lehramt von Franziskus“ gibt es nicht – darüber ist man sich außerhalb des Kreises der päpstlichen Hofsänger weitestgehend einig. Es gibt eine Fülle von mündlichen oder schriftlichen Äußerungen, die teilweise anderen Äußerungen von Franziskus selbst oder aber Lehre und Gesetzgebung seiner Vorgängern widersprechen. Es gibt – insbesondere von seinen berüchtigten Flugzeug-Pressekonferenzen – zahlreiche Äußerungen, die entweder gar keinen Sinn ergeben, oder zwei bis drei einander widersprechende Interpretationen erlauben. Und selbst da, wo er sich die überlieferte Lehre zu eigen zu machen scheint, öffnet er in einer seiner berüchtigten Fußnoten gerne eine Tür zum Zweifel. Ein derartig ambivalentes und unklares „Nicht-Lehramt“ durchzusetzen, ist selbst für einen gewieften Gebrauchtwagenverkäufer keine dankbare Aufgabe. Zumal – wie die Reaktionen schon vor seinem Amtsantritt deutlich werden ließen – es wenig Bereitschaft gibt, ihn ernst zu nehmen.

Dabei kommt der Widerspruch nicht nur aus den Kreisen, die man etwas vereinfachend gerne als „traditionalistisch“ zusammenfasst. Die ebenfalls Anfangs dieses Monats veröffentlichte Liste der von Franziskus zur Teilnahme an der Synodensynode speziell eingeladenen Teilnehmer hat zwar im deutschen Sprachraum nur mäßige Aufmerksamkeit gefunden. Sie enthält auch einige Personen, denen wohl die Aufgabe zugedacht ist, die weit über die derzeitigen Pläne von Franziskus hinausreichenden Ideen der deutschen Synodalwegler etwas einzuhegen.

In den USA sieht das anders aus. Dort sind die Reformatoren deutschen Typs in der Bischofskonferenz eindeutig eine kleine radikale Minderheit – die überwiegende Mehrheit der US-Bischöfe versucht mehr oder weniger engagiert und erfolgreich, das zweite Vatikanum in einer „Hermeneutik der Kontinuität“ zu betrachten. Und daher hat die Liste der von Franziskus gesondert eingeladenen Teilnehmer einige Unruhe ausgelöst: Namen wie Blaise Cupich aus Chicago, Wilton Gregory von Washington, Robert McElroy aus SanDiego oder Joseph Tobin aus Newark signalisieren eindeutig den Wunsch von Franziskus, den in den USA selbst nur wenig erfolgreichen Progressiven größeres Gewicht zu verleihen. Und dann auch noch der dem Papst in enger Weggefährtenschaft verbundene Fr. James Martin S.J. von der LGBT+-Front – das weckt Befürchtungen.

Gemeinsamer Nenner für die Vertreter der „mittleren Linie“ in den USA, die vom Kurs des Papstes und seiner römischen Synode beunruhigt sind, ist die Befürchtung, daß sich die Kirche von dem in ihren Augen alles in allem erfolgreichen Kurs der „mäßigen Modernisierung“ von Vatikan II abwenden könne um entweder rücksichtslose Neuerungen durchzusetzen oder aber in vermeintlich „vorkonziliare“ Überhöhung der Institutionen und Selbstreferentialiät zurückzufallen.

Über das „alles in allem den Bedürfnissen der Zeit entsprechend“ zum II. Vatikanum kann man nun recht verschiedener Meinung sein, aber es ist wohl tatsächlich so, daß die negativen Auswirkungen des Konzilsgeistes in den USA generell schwächer waren als in Mitteleuropa. Und was die Seuche der Selbstreferentialität betrifft, können wir aus der vom synodalen Weg geprägten Perspektive nur zustimmen: Zwar beschwören auch Bätzing und Franziskus unentwegt die „Predigt des Evangeliums“ als die große Aufgabe – aber in der Praxis betreiben sie nichts als Nabelschau und geben der Welt ein denkbar schlechtes, geradezu abschreckendes Bild von diesem Evangelium und dessen Gläubigen.

Der neueste Schlag des Papstes zur Fixierung der von ihm geschaffenen Machtverhältnisse ist nun die am Wochenende veröffentlichte Liste der Kardinalsernennungen, nach der der Anteil von Franziskus in ihre Stellung gehobener künftiger Papstwähler auf über zwei Drittel ansteigt. Ob dieser Umstand allzu viel zu bedeuten hat, steht dahin. Ein guter Teil der neuesten Ernennungen war ohnehin quasi unvermeidlich: Ein oberster Behördenleiter ohne Kardinalstitel bekommt im von Jahrhunderte alten Gewohnheiten geprägten römischen Apparat nur schwer einen Fuß auf den Boden, aber außerhalb Roms wird auch der Kardinalshut den meisten von Franziskus eingesetzten Amtwaltern von erschütternder Mittelmäßigkeit wenig dazu helfen, Respekt zu gewinnen.

Tatsächlich ist auch bei dieser Liste „erschütternde Mittelmäßigkeit“ wieder das Stichwort, das viele Neuernennungen hinreichend erklärt: Diese Männer – auf die Frauen müssen wir ja wohl noch ein wenig warten – sind treue Wegbegleiter und Wasserträger von Franziskus. Die anderen entsprechen wieder mehr dem neuen Paradigma: Peripherie gut – Zentrum böse. Personalpolitik nach einem Schema ergreifender Schlichtheit. An den aktuellen römischen Machtverhältnissen wird die Auszeichnung beider Gruppen nichts ändern; zukunftsprägendes Potential ist bei keinem der „neuen Männer“ zu unterstellen.

Gegen die jetzigen Neuernennungen wird hier und da eingewandt, daß Franziskus damit – wieder einmal – die von Paul VI. angeordnete Obergrenze von 120 Papstwählern überschreite. Das ist zwar richtig, aber doch bedeutungslos: Der Papst ist letztlich nicht an irgendwelche Anordnungen seiner Vorgänger gebunden. Das könnten auch die jetzt neueingesetzten und per Handschreiben instruierten Amtsverwalter eines Tages zu ihrem Leidwesen erfahren. Wo solche Anordnungen in Form von Gesetzen erlassen worden waren, wäre es freilich guter Stil, das Gesetz zu ändern, bevor man anders verfährt – ein Hindernis, anders zu verfahren, ist das freilich nicht. Im Übrigen folgt Franziskus gerade in Hinblick auf die Manipulation des kommenden Konklaves getreulich dem Vorbild von Paul VI. der mit der willkürlichen und von keiner Tradition abgedeckten Einführung der Altersgrenze von 80 Jahren für die Papstwähler ganz offenkundig die Absicht verfolgte, die noch stärker im „vorkonziliaren Geist“ verwurzelten älteren Kardinäle von der Wahl seines Nachfolgers auszuschließen.

Nichts Neues also aus dem nachkonziliaren Rom.

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