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Weg aus dem Labyrinth?

Bild:  Cicero - picture allianceIn unserer kommentierenden Berichterstattung zum Interview von Papa emeritus Benedikt vom 16. März in Avveniere hatten wir bereits auf die Problematik des als Rückübersetzung aus dem Italienischen ins Deutsche in verschiedenen Versionen veröffentlichten Textes hingewiesen. Auf Kathnews, wo man über gute Beziehungen zu Erzbischof Gänswein verfügt, ist jetzt eine als „Originalfassung“ bezeichnete Version erschienen. Sie unterscheidet sich in mehreren Stellen mittlerer Bedeutung und in einem grundlegenden Aspekt von den bisher veröffentlichten Textfassungen. Nur auf diesen Punkt kann hier eingegangen werden - im Übrigen gibt es keinen Ersatz für die vollständige Lektüre dieses Originals.

Der hier hervorzuhebende Aspekt bezieht sich auf eine Entwicklung der Dogmatik in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts, die in der von P. Jacques Servais S.J. publizierten Fassung sicher nicht ohne Absicht als vollendete Tatsache hingestellt wird, aus der nach Servais' Meinung Konsequenzen z.B. hinsichtlich einer Neuformulierung des Katechismus zu ziehen wären. Papst Benedikt sagt jedoch etwas anderes: 

Zweifellos ist in diesem Punkt eine tiefgreifende Entwicklung des Dogmas in Gang. Während die Väter und die Theologen des Mittelalters noch der Meinung sein konnten, daß im wesentlichen die ganze Menschheit christlich geworden sei und nur noch am Rande Heidentum bestehe, hat die Entdeckung der neuen Welt zu Beginn der Neuzeit die Perspektiven radikal geändert. Das Bewußtsein, daß Gott nicht alle Ungetauften der Verdammnis verfallen lassen kann und auch eine bloß natürliche Seligkeit für sie keine wirkliche Antwort auf die Frage des Menschseins darstellt, hat sich im letzten halben Jahrhundert vollends durchgesetzt. Wenn die großen Missionare des 16. Jahrhunderts noch überzeugt waren, daß ungetaufte Menschen für immer verloren seien und von da aus sich die Dynamik ihres missionarischen Einsatzes erklärt, so ist dieses Bewußtsein in der katholischen Kirche mit dem II. Vaticanum endgültig zusammengebrochen.

Er spricht also nicht von einer abgeschlossenen Entwicklung, sondern von einer, die im Gang ist. Dabei stell er zunächst nicht die Frage nach dem ein, was wahr ist, sondern spricht statt dessen von einem „Bewußtsein“, das sich verändert habe und das „in der katholischen Kirche mit dem II. Vaticanum endgültig zusammengebrochen“ sei. Und er bezeichnet im Fortgang die bisherigen Versuche, diesem zusammengebrochenen Bewußtsein erneut Form und Inhalt zu geben - und damit auch sämtliche bisher unter Berufung auf das Konzil abgeleiteten Vorschläge - als nicht akzeptabel. Im Zusammenhang mit dem von ihm als aussichtsreich eingeschätzten Lösungsversuch De Lubacs betont er so dann: „Es ist klar, daß an der Frage weiter gearbeitet werden muß“.

Damit erhält das Interview in dieser zentralen Aussage eine deutlich veränderte Stoßrichtung. Der konstatierte Zusammenbruch einer Glaubensweise wird als solcher konstatiert und nicht als Durchbruch zu einer neuen Wahrheit gefeiert. Die Kritik am 2. Vatikanischen Konzil, das dazu weder eine zureichende Antwort noch überhaupt eine brauchbare Problembesc hreibung gegeben hat, wird eher noch verstärkt. Für die Theologen bleibt es bei der Aufgabe, eine Wahrheit, die schwer verständlich geworden ist, so zu fassenh, daß sie verständlicher wird. Um- und Neuformulierungen des Katechismus stehen nicht auf der Tagesordnung.

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