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Neues Stadium der Kirchenkrise IV

Regularisierung der Piusbruderschaft?

Zum Abschluss des „Jahres der Barmherzigkeit“ mehren sich die Gerüchte über eine Rückkehr der Piusbruderschaft in die „Einheit mit Rom“. Wieder ist von einem einseitigen Akt des Papstes die Rede, der alle Sanktionen gegen die Priesterbruderschaft aufheben und ihr den Status einer Personalprälatur gewähren könnte. Wie wäre ein solcher Schritt mit der ansonsten so entschlossen demonstrierten Abwendung des gegenwärtigen Pontifikats von der Tradition zu vereinbaren – und welche Folgen könnte er für die Bruderschaft und die an der überlieferten Lehre und Liturgie festhaltenden Katholiken haben?

Über die Wahrscheinlichkeit ist hier nicht zu spekulieren – vielleicht wissen wir schon morgen mehr. Auszuschließen ist ein solcher Schritt Bergoglios jedenfalls nicht, weder in dieser noch in einer kommenden Woche.. Einheit ist für alle, die sich nicht selbst als Zerstörer der Kirche begreifen, ein hohes Gut, und der überbordende Ökumenismus der letzten Jahrzehnte macht es schwer, den Abgrenzungskurs gegenüber der Bruderschaft zu rechtfertigen. Und jeder Tag, an dem es aus Rom heißt, starre Legalität und Lehrgläubigkeit seien dem Wesen der Kirche fremd, macht es schwerer. Die vom Glaubenspräfekten Müller immer wieder vorgebrachte Mahnung, die Bruderschaft müsse sich zu den auf dem letzten Konzil dargelegten Grundsätzen bekennen, verliert an Gewicht, wo ansonsten alle Unterschiede auch in grundsätzlichen Fragen mit dem Mantel der Barmherzigkeit zugedeckt werden.

Auch strategische Überlegungen könnten es dem gegenwärtigen Pontifikat angeraten erscheinen lassen, die Piusbruderschaft zurückzuholen und damit auf die eine oder andere Weise auch einzubinden. Begleiterscheinung des Ökumenismus und wesentlicher Bestandteil des modernistischen Programms ist eine weitgehende weltanschauliche Pluralisierung und strukturale Kantonisierung der Kirche. Wie es nicht nur die aktuelle Neuordnung der Beziehungen zu China, sondern bereits viele traditionellen Konkordate zeigen, ist Rom auch bezüglich der Wahlen und Bestätigungen von Bischöfen zu viel Entgegenkommen bereit, solange nur eine nominelle Oberhoheit des Papstes anerkannt wird. Wie weit das geht, zeigt auch die bereits von Papst Benedikt vorgenommene Etablierung der von sich aus auf den Katechismus verpflichteten anglikanischen Ordinariate, die freilich gegen den Willen der örtlichen Bischofskonferenzen erfolgt ist und von diesen auch wirksam behindert wird.

Die Einrichtung einer Personalprälatur für die Piusbruderschaft würde nicht nur die Entschlossenheit des gegenwärtigen Pontifikats zu einer „pluralistischen Ökumene“ unterstreichen – sie würde auch weitergehende Spielräume zu deren Ausgestaltung eröffnen: Wenn die einen die „alte Messe“ bekommen, kriegen die andere eben die „moderne Ehe“ oder was auch sonst immer auf der Agenda steht. Die von der modernistischen Theologie so wortreich beklagte Rückständigkeit des vorkonziliaren Christentums bildet dafür kein unüberwindliches Hindernis, denn die Vertreter des Fortschritts leben zutiefst in der Gewissheit, die richtige Sache zu vertreten, die sich quasi naturgesetzlich früher oder später auf dem Wege der Evolution durchsetzen werde. Daß auch Papst Franziskus so denkt, hat er gerade gegenüber den Gläubigen der Tradition mehrfach deutlich ausgesprochen.

Als eine Voraussetzung dafür, daß das funktionieren könnte, sehen die „evolutionistischen Pluralisten“ freilich eine grundsätzliche Anerkennung des Konzept der „Versöhnten Verschiedenheit – eine Rückwirkung auf die, gar Missionierung der Kirche eines fortschrittlichen Rom durch die Kräfte der Vergangenheit ist auszuschließen. Das war die unverzeihliche Verfehlung der Franziskaner der Immakulata: Sie waren lebendiges Beispiel und furchteeinflößendes Vorbild dafür, daß die überlieferte Lehre und Liturgie nicht im Altenteil der Ewiggestrigen verdämmern muß, sondern die Potenz hat, Steine aus den Bastionen der Kräfte des Fortschritts herauszubrechen. Das darf nicht sein.

Von daher ist es auch durchaus glaubwürdig, wenn Gerüchte der letzten Monate davon sprachen, Voraussetzung für die Gewährung einer Personalprälatur für die Bruderschaft sei deren Bereitschaft, sich ebenso aller Einwirkungsversuche auf die ehemals lateinische Kirche Roms zu enthalten, wie das seitens der mit Rom vereinigten Rituskirchen des Ostens gehandhabt wird. Innerhalb der Bruderschaft war das, wenn man den Berichten glauben kann, ein heiß umstrittenes Thema. Dem außenstehenden Beobachter erscheint es weniger bedeutsam, da die faktischen Einwirkungsmöglichkeiten der Bruderschaft auf die römische Mutterkirche sich trotz des beeindruckenden Wachstums bei Pius in den letzten Jahren sehr in Grenzen hielten, bzw. in Grenzen gehalten wurden.

Da haben andere Überlegungen – und hier kommen wir zu der Frage, welche Folgen die Errichtung einer Personalprälatur hätte, stärkeres Gewicht. Nur drei davon können hier heute eher angedeutet als abgehandelt werden. Die eine, eher allgemeine, ist: Wie bestimmt sich die Mitgliedschaft einer solchen Struktur und unter welchen Bedingungen erhält man als Gläubiger Zugang zu ihren „Leistungen“? Die zweite ist: Was bedeutet das für die bisher unter dem Dach von Ecclesia Dei stehenden Gemeinschaften und Gemeinden der überlieferten Liturgie?

Eine Personalpräfektur bildet eine über eine gewisse Selbstverwaltung verfügende Struktur für Angehörige des Klerus. Das erscheint für eine Priesterbruderschaft zunächst auch durchaus angemessen, wird aber sofort problematisch, wenn man den seelsorgerlichen Aspekt berücksichtigt? Was ist mit den Gläubigen? Welche Rechte haben sie gegenüber der Personalprälatur und die Personalprälatur ihnen gegenüber, welche Verpflichtungen behalten sie gegenüber dem örtlich zuständigen Bischof? Im Unterschied zu den Personalordinariaten für die Anglikaner, die ähnlich wie eine Rituskirche „geborene“ oder durch Übertritt aus einer nicht-katholischen Gemeinschaft „gewonnene“ Mitglieder haben, richtet sich die Piusbruderschaft im Wesentlichen an ganz gewöhnliche Katholiken, die nichts anderes wollen, als ganz gewöhnlich katholisch zu bleiben. Und genau das sehen sie in den „modernisierten“ Gemeinden als immer weniger möglich. Das ist die Wurzel vieler Konflikte.

Hier stellen sich zahlreiche kirchenrechtliche Probleme, die sich auch nicht dadurch im Selbstlauf erledigen, daß das aktuelle Pontifikat rechtliche Fragen da, wo es gelegen erscheint, gerne für unerheblich erklärt. Ein denkbarer Ausweg könnte darin bestehen, daß man, wenn man von der Struktur und den Gläubigen der überlieferten Lehre und Liturgie schon die gleiche Zurückhaltung (oder ist es eine Abschottung?) gegenüber der römischen Kirche erwartet wie von einer östlichen Rituskirche, dieser Struktur auch die Rechtsstellung einer Rituskirche zuerkennt – bis hin zu einem eigenen Kirchenrecht und eigener Erhebung des Kirchenbeitrags. Das erscheint vielen weder praktikabel noch wünschenswert und gegenüber den Ortsordinarien kaum durchsetzbar. Wenn man diese Fragen aber gar nicht klären will, könnte man es auch bei der gegenwärtigen Grauzone belassen – es sei denn, es ginge bei der Regularisierung vor allem darum, der Bruderschaft einige „eigene“ Bischöfe zu gewähren, so wie man sie auch dem Regime der chinesischen Atheisten einräumt.

Denn eines erscheint klar: Je mehr sich die Stellung einer als Personalprälatur „regularisierten“ Piusbruderschaft der einer Rituskirche annähert, desto prekärer wird die Stellung der bisher nur lose innerhalb der römischen Strukturen eingebundenen Gemeinschaften und Gemeinden unter dem Dach von Ecclesia Dei. Wozu braucht man diese Fremdkörper und Störfaktoren auf dem Weg in den neuen Aufbruch noch, wenn es für die Fußkranken der Ecclesia semper reformanda doch ein nettes Hospiz gibt, in dem sie ihre Leiden (final) auskurieren können? Sollen sie doch sehen, wie sie miteinander klar kommen – wir modernen Römer haben damit nichts mehr an der Mitra.

Für einige Diözesen insbesondere in den USA, die – anders als in Deutschland – ein durchaus produktives Verhältnis zu Petrusbruderschaft und Christus König pflegen, wäre eine solche Ausgrenzung der Tradition ein schwerer Schlag. Dem machiavellistischen Denken der Bergoglianer wäre es durchaus zuzutrauen, die Kräfte der Tradition auf diese Weise in eine zunächst sicher erscheinende Quarantäne stecken zu wollen – die USA sind ihnen ohnehin unheimlich.

„Zunächst sicher“ erscheint diese Quarantäne aber nur dann, wenn man die Grundannahme der Modernisten teilt und verinnerlicht hat: „Den hl. Fortschritt in seinem Lauf hält weder Ochs noch Esel auf“ (Erich Honecker 1989). Wie sich herausgestellt hat, kann man sich gerade in den USA darauf nicht mehr unbesorgt verlassen. Und wenn der Virus nicht im kleinen Rest, sondern im Mainstream wütet, könnten die Quarantänezellen auch zu Kristallisationskernen der Zukunft werden.

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