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Kein Jubiläum für den Novus Ordo

Bild: Wikimedia CommonsSchon im August hatten wir uns darüber gewundert, daß die doch sonst an Gedenkterminen jeder Art so interessierte (kirchliche) Öffentlichkeit das 50. Jahr der Liturgiereform fast vollständig mit Schweigen zu übergehen scheint: Kein Gedenkjahr für die Liturgiedeform.  Nun hat sich auch Peter Kwasniewskis diesem bemerkenswerten Umstand zugewandt und fragt in New Liturgical Movement: Warum feiert das Liturgische Establishment den 50. Jahrestag des Novus Ordo nicht? Und er spitzt die Frage noch dadurch zu, daß er die Zahl der Gedenkveranstaltungen für, ja sogar der bloßen Veröffentlichungen zur Liturgiereform („kaum soviel wie die Finger einer Hand“) mit der Zahl von Veranstaltungen und Publikationen zu Papst Benedikts Summorum Pontificum vergleicht: „weit in den zweistelligen Zahlen“.

Die fragende Vermutung unseres oben verlinkten Beitrags, dem „liturgischen Establishment“ könne inzwischen selbst der Verdacht gekommen sein, daß es an „50 Jahre Novus Ordo“ nichts zu feiern gebe, kommt Kwasniewski in seinem Artikel gar nicht in den Sinn. Was kein Vorwurf sein soll.  Umso mehr konzentriert er sich auf den zweiten Gedanken, mit dem wir das Nicht-Jubiläum zu verstehen versuchten. Wir damals:

Die Modernisten sprechen zwar gerne und viel von den „Reformen“, die in möglichst naher Zukunft noch umgesetzt werden sollen (…) Sobald eine Reform/Deform jedoch erreicht ist, wird sie vom Tableau möglicher Diskussionsthemen gestrichen und zum unveräußerlichen Besitz deklariert. Einen „Weg zurück“ kann und darf es dann nicht mehr geben, das Erreichte soll „unumkehrbar“ und „unwiderruflich“ sein – und zur Befestigung dieser Position ist es durchaus hilfreich, so zu tun, als ob es schon immer so gewesen wäre, wie es jetzt gerade ist.

Anscheinend war diese Strategie durchaus erfolgreich. Kwasniewski zitiert zunächst einen kurzen Meinungsaustausch in Facebook:

Ich kenne viele Leute, die sich selbst als Katholiken verstehen, die nicht die geringste Ahnung davon haben, daß es da jemals eine Veränderung gabe oder was der Begriff „Novus Ordo“ bedeutet – so vollständig ist die Geschichte umgeschrieben worden.

Ein zweiter stimmt dem zu:

Als ich mein Studium begann, hatte ich zwar eine vage Vorstellung, daß vor dem 2. Vatikanum die Messe in lateinischer Sprache gefeiert worden war, aber ich dachte, das wäre genau die gleiche Liturgie wie in unserer Universitätskirche (bei den Franziskanern von Steubenville), nur eben auf Latein. Dann bin ich einmal aus reiner Neugier in eine Tridentinische Lateinische Messe gegangen und entdeckte, wie falsch ich damit gelegen hatte

Antwortete der erste:

Ich hatte genau das gleiche geglaubt. Ich mußte quasi mit Gewalt davon überzeugt werden, daß sie die Arroganz hatten, per Komitee etwas vollständig neues zusammenstricken zu lassen. Erst als ich die beiden Texte nebeneinander gelegt habe, wurde mir bewußt, wie sehr man uns das ganze Leben lang angelogen hatte. Dann begann ich, Michael Davies zu lesen – und alles wurde klar.

Meldet sich eine dritte Person:

Ich bin von den Anglikaner konvertiert. Der Novus Ordo – den Ausdruck kannte ich damals noch lange nicht – war ein gewisser Schock für mich, aber ich dachte, so wäre es nun mal und ich müsse das hinnehmen. Ich wußte noch nicht einmal, daß es die (alte) Latreinische Messe noch gab. Ich habe schließlich den Glauben praktisch verloren, habe jedoch zurückgefunden, und ich bin überzeugt, daß es kein Zufall war, daß die Werktagsmesse, zu der ich nach meiner Rückkehr-Beichte einfach dageblieben bin, ein Messe im überlieferten Ritus war. Danach das Übliche: Lektüre von Michael Davies, der ganze Ärger über das „Ich bin belogen worden“ und schließlich – weg damit.

Die Diskussion auf Facebook wandte sich dann der Frage zu, wie in einer Institution, die für ihr langes Gedächtnis berühmt ist, ein Ereignis von vor fünf Jahrzehnten so gründlich vergessen werden konnte. Kwasniewski zitiert eine der Antworten, die wir hier im vollen Umfang wiedergeben wollen:

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Die Antwort auf dieses Rätsel besteht darin, daß man nicht länger will, daß daß es überhaupt noch ein Wissen um einen „Novus Ordo“ gibt. Man soll nur noch wissen, daß es eine Messe gibt – basta. Die Tatsache, daß man überhaupt jemals Änderungen an der Liturgie vorgenommen hat, soll mit jedem Jahr weiter in Vergessenheit versinken. Die Gläubigen, die sich noch an die alte Messe erinnern und daran, wie radikal verschieden die neue von der alten ist und wie gewaltsam die Veränderungen durchgesetzt worden sind – diese Gläubigen sterben aus. Das heißt, diejenigen, die nicht schon längst aufgegeben und weggegangen sind . Katholiken, die ihren Glauben immer noch praktizieren, sollen überhaupt nicht wissen, daß es jemals einen alten Ritus gab und daß der neue neu ist. Der Kern des ganzen Projektes der Revolution im gegenwärtigen Stadium besteht darin, abzuleugnen, daß es überhaupt jemals etwas wie den alten Glauben gab.

Und das ist der Grund, daß sie so wütend sind wie ein Sack vol Wildkartzen, weil es immer noch Traditionalisten gibt und die traditionelle Bewegung auch stärker wird. Man hatte darauf gesetzt, daß diese Bande aussterben oder ausgetrieben würde, und nun wachsen da Neue nach, Leute wie ich, die die alte Liturgie nie in der Praxis erlebt hatten, und da gibt es Familien mit 12 Kindern, die die Missa Cantata besuchen, und all das Homeschooling und überhaupt... Dazu kommt dann noch das Internet mit seiner Fähigkeit, jedermann zu vermitteln; was tatsächlich geschieht, außerdem jede Menge wunderbare Bilder – kein Wunder, daß sie fast verrückt werden.

So ist es. Und Zuflucht bei längst vergessen geglaubten Erdgöttinnen nehmen, um ihre Sache doch noch populär zu machen. Kwasniewskis Konsequenz daraus ist, die Anstrengungen zur Verbeitung des Wissens um die überlieferte Liturgie und Lehre zu verstärken – dem schließen wir uns gerne an. Als konkretes Beispiel verweist er darauf, daß er gerade mit der Schlußredaktion der englischen Übersetzung des wichtigen Handbuchs „Die überlieferte Messe“ von Michael Fiedrowicz – bei uns hier vorgestellt – beschäftigt ist. Schade, daß es so lange gedauert hat, dieses wichtige Buch im manchmal etwas selbstgenügsamen englischen Sprachraum zugänglich zu machen. Und wo wir gerade dabei sind: Als nächsten Kandidaten für die Übersetzung ins Englische empfehlen wir dringend Stefan Heids in diesem Jahr erschienenes und ebenfalls hier vorgestelltes Werk „Altar und Kirche“, in dem er die ganzen archäologistischen Mythen der Liturgiereformer einer vernichtenden Kritik unterzieht.

Die jesuitischen Propagandisten der neuen Eine-Welt-Religion wollen ihre Erfindung dadurch akzeptabel machen, daß sie als „lebendige Tradition“ erscheinen lassen, was in Wirklichkeit ein radikaler Bruch mit dem Glauben unserer Väter ist. Das zu beklagen und anzugreifen, ist notwendig - reicht aber nicht aus. Ein wirkungsvolles Mittel, ihre Absichten zu durchkreuzen, besteht darin, die Kenntnis dessen zu verbreiten, was wirklich katholische Tradition ist. 

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Das Bild zeigt die im April 1963 vorgenommene Sprengung der „zu klein gewordenen“ Pfarrkirche Herz-Jesu in Uster, Schweiz. Sie wurde durch einen Neubau im zeitgemäßen Betonstil ersetzt, der in den Jahren 2003-2005 einer Grundsanierung unterzogen werden mußte.

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