Bereichsnavigation Themen:

Paul VI. zum Novus Ordo - II

Bild: CNSIm zweiten Teil seiner Ansprache vom 19. 11. 2069 legt der Papst zunächst sehr großen Wert auf die Feststellung, daß die neuen Messordnung zwar viele und zunächst irritierend erscheinende Neuerungen in der Form enthält, daß sich an ihrem Inhalt dadurch jedoch nicht das Geringste geändert habe:

Nichts an der Substanz der traditionellen hl. Messe ist verändert worden(10), und

Die Einheit des Herrenmahls und des Opfers am Kreuze in ihrer Darstellung und Erneuerung in der hl. Messe wird nach dem neuen Ordo ebenso unverletzlich bekräftigt und gefeiert, wie das nach dem alten Ordo der Fall war. Die hl. Messe ist und bleibt das Gedächtnis von Christi letztem Abendmahl. Bei diesem Mahl verwandelte der Herr das Brot und den Wein in Seinen Leib und Sein Blut und setzte das Opfer des neuen Bundes ein. Er wollte, daß dieses Opfer als ein und dasselbe durch die Vollmacht Seines Priestertums erneuert werde, das er den Aposteln übertrug.“ (12)

Bei diesem Satz muß die weitgehende Verkürzung auf den Aspekt des „Gedächtnis von Christi Abendmahl“ Anstoß erregen, zumal der Vollzug des bei diesem Mahl eingesetzten unblutigen Opfers durch dessen blutige Besiegelung am Kreuz nicht erwähnt wird. Mit gutem Willen kann man das im Begriff vom „Opfer des neuen Bundes“ subsumiert sehen, und der letzte zitierte Satz bekräftigt dann noch einmal ausdrücklich, daß die heilige Messe die immerwährende Erneuerung dieses Opfers durch das apostolische Priestertum darstellt – also ein Opfer ist, das von der Kirche durch ihren geweihten Priester (und nicht etwa von der Gemeinde aus eigener Vollmacht) dargebracht wird.

Trotz dieser beschwörend vorgetragenen Feststellung von der inhaltlichen Identität der hl. Messe vor und nach der Reform können diese Abschnitte der Ansprache nicht ganz dem vom Novus Ordo insbesondere in seinem zweiten Hochgebet hervorgerufenen Eindruck entgegenwirken, daß die Reform sich mit der Anerkennung des Kreuzesopfers als des zentralen Bestandteil des „Opfers des neuen Bundes“ schwer tut. Die nachkonziliare Theologie der Liturgie beutet das schamlos aus, indem sie den Begriff des Kreuzesopfers (sofern sie ihn nicht sogar explizit ablehnt) konsequent vermeidet und durch den Nicht-Begriff des „Pascha-Mysteriums“ ersetzt. Mit diesem Raunen fällt sie weit hinter die begriffliche Klarheit der überlieferten Liturgie zurück, die sowohl in einem der „abgeschafften“ Offertoriumsgebete als auch im Unde et memores des römischen Kanons deutlich benennt, worum es bei diesem Mysterium geht: „Das heilbringende Leiden, die Auferstehung von den Toten und die glorreiche Himmelfahrt Christi.“

Von daher gesehen teilt die Ansprache Pauls VI. diesen Schwachpunkt der reformierten Liturgie und Theologie eher, als daß sie ihn korrigiert. Dennoch haben diese Ausführungen – es handelte sich schließlich um eine kurze Ansprache und keine gelehrte Vorlesung – gerade in ihrer Allgemeinheit bleibenden Wert. Wer immer behauptet, der Novus Ordo habe eine völlig neue Messtheologie eingeführt und der „Opfertheologie von Trient“ ein Ende bereitet, kann sich dafür jedenfalls nicht auf den Papst berufen, der diesen Meßordo eingeführt hat. Das geht nicht nur aus den beschwörenden Worten der Ansprache vom 19. November hervor, sondern in einiger wünschenswerten theologischen Ausführlichkeit aus der gerade einmal vier Jahre zuvor veröffentlichten Enzyklika Mysterium fidei, in der der Montini-Papst die traditionelle Lehre der Kirche zum heiligen Messopfer in aller Klarheit bekräftigt – übrigens auch ausdrücklich im Hinblick auf die Ziele der damals noch nicht abgeschlossenen Liturgiereform.

Allerdings enthält auch diese Enzyklika bereits die Fehleinschätzungen hinsichtlich der „begeisterten Aufnahme“ und der „guten Früchte“ der liturgischen Erneuerung im Volk Gottes, die in den auf die Identitätsbekräftigung folgenden Abschnitten der Ansprache des Papstes zum Ausdruck kommen. Prägnant zusammengefasst in Punkt 13 und 14 in den Sätzen, die das beschreiben, was nach dem Willen des Papstes das eigentliche Wesen seiner Reform der Meßfeier ausmachen soll:

(…) glaubt nicht, daß diese (äußerlichen) Dinge die Absicht haben, ihr wahres und traditionelles Wesen zu verändern.

Versucht stattdessen wahrzunehmen, wie die Kirche bestrebt ist, ihrer liturgischen Botschaft mit dieser neuen und erweiterten liturgischen Sprache größere Wirksamkeit zu verleihen; wie sehr sie bestrebt ist, allen ihren Gläubigen und dem ganzen Leib des Gottesvolkes ihre Botschaft in einer direkteren und pastoraleren Weise näherzubringen.“

Hier haben wir die ganzen Illusionen der Liturgiereformer der 60 Jahre des vergangenen Jahrhunderts bis heute in wenigen Worten konzentriert vor Augen. Das beginnt mit dem Begriff von der „liturgischen Botschaft“, der den Hauptaspekt des Gottes-Dienstes der Kirche völlig hinter einem Nebenaspekt zurücktreten läßt – anthropozentrisch durch und durch. Das setzt sich fort mit dem geradezu grotesken Mißverständnis, das von einer „erweiterten liturgischen Sprache“ redet, wo in Wirklichkeit äußerste Verarmung der zu Geist und Gemüt der Menschen „sprechenden“ Formen der Liturgie eingetreten ist. Der grundlegende Irrtum, der den Menschen in den Mittelpunkt der Liturgie stellt, wird also noch einmal gesteigert durch eine Vielzahl von Irrtümern bezüglich der Natur des Menschen, der Funktion seiner Sinne und der Art, in der wahrnimmt, wie seine Umwelt zu ihm spricht..

Wo so grundlegende Mißverständnisse regieren, ist es auch kein Wunder, daß diese erste Ansprache des Papstes mit einem hoffnungsfrohen Aufruf schließt, der von der seitherigen Entwicklung auf grausamste Weise dementiert oder umgedeutet worden ist:

Daher lasst uns nicht von der „neuen Messe“ reden. Lasst uns lieber von der „neuen Ära“ im Leben der Kirche sprechen. (16)

Zusätzliche Informationen