Präfationen für den alten Ritus
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- 15. Juni 2020
Gregory Dipippo befaßt sich auf New Liturgical Movement derzeit in einer mehrteiligen Serie intensiv mit den „Neuen Präfationen“, die im April durch Dekret der Glaubenskongregation neu für die Verwendung im Alten Ritus zugelassen worden sind. Seine eingehende Betrachtung der Texte zeigt, daß diese aus dem Messbuch Pauls VI. übernommenen Texte einerseits durchaus auf altehrwürdige Vorlagen aus dem ersten Jahrtausend zurückgehen, andererseits aber sämtlich durch die Besserwisserei der Redaktoren von 1968 im Stil der Zeit mehr oder weniger stark in Mitleidenschaft gezogen worden sind. Zusammen mit dem nicht unbegründeten Verdacht, die Freigabe dieser Texte für den überlieferten Ritus gehe hauptsächlich auf das Bestreben zurück, endlich auch einmal eine „Bereicherung“ der alten durch die neue Liturgie vorzeigen zu können, wird das die in Kreisen der Tradition ohnehin geringe Bereitschaft, die neue Erlaubnis auch zu nutzen, kaum erhöhen.
Das kann man insoweit bedauerlich finden, als die relative Armut des Missales der tridentinischen Tradition an Präfationen keinesfalls in dessen Theologie begründet ist, sondern eine historische Entwicklung des zweiten Jahrtausends darstellt, in deren Rahmen nicht nur Wildwuchs beseitigt, sondern auch Reichtum verloren worden ist. In seinem Einleitungsbeitrag zum Thema gibt Dipippo wertvolle Informationen zur Entwicklungsgeschichte der römischen Präfationen, die wir hier unter Auslassung einiger nur für die angelsächsische Diskussion interessanten Bemerkungen gerafft referieren.
Danach war der Umgang der römischen Messe mit den Präfationen ursprünglich hoch flexibel - nach den alten Sakramentaren, die in dieser Hinsicht freilich viele Unterschiede aufweisen, gab es davon weitaus mehr als das Kirchenjahr Feste und das Jahr Tage hat. Die Corpus Christianorum Series Latina bei Prepols enthält dazu an die 1700 Einträge. Bereits zu Ende des 11. Jahrhunderts waren davon nur noch 10 und eine wenig spezifische „Allgemeine Präfation“ im regulären Gebrauch, und diese Zahl blieb während des späteren Mittelalters und der beginnenden Neuzeit konstant. Auch die neo-gallikanischen Reformen des 17. Jahrhunderts behielten diesen Fundus zunächst bei, und erst in der Ausgabe 1738 des Missale Parisiense wurden neue Präfationen für den Advent, Gründonnerstag , Fronleichnam, Allerheiligen und die Totenmessen aufgenommen. Das wurde dann in den meisten französischen Diözesen übernommen, teilweise auch noch durch eigene Präfationen erweitert.
Im Lauf des 19. Jahrhunderts wurden die Neo-Gallikanischen Erweiterungen wieder zurückgedrängt, einige davon, und zwar besonders bei den Präfationen, wurden jedoch durch amtliche Anhänge des Missales für Frankreich und das frankophone Belgien beibehalten. Diese Entwicklung bildete – so Dipippo – den Vorlauf für eine allgemeine Wiederentdeckung der variablen Natur der Präfation im römischen Ritus, so daß Benedikt XV. Im Jahr 1919 die Pariser Präfation für die Totenmessen von 1738 sowie eine Präfation für das Fest des hl. Joseph für die ganze Kirche verpflichtend einführte – zum ersten Mal seit 800 Jahren. In den folgenden Jahren schlossen sich einige Orden diesem Zug der Zeit an und nahmen Präfationen für das Fest ihrer Gründer in ihre Messbücher auf. Die Entwicklung verstärkte sich dann noch einmal unter Papst Pius XI., der die von ihm neu eingeführten bzw. aufgewerteten Feste Christkönig (1925) und Herz Jesu (1928) auch mit neuen Präfationen ausstattete.
Obwohl das Thema Präfationen also Mitte des 20. Jh. in Bewegung geraten war, wurde es in der konziliaren Diskussion nicht behandelt, auch Sacrosanctum Concilium sagt nichts dazu. Allerdings haben sich die Liturgie-Ingenieure des Consiliums entschlossen, den Auftrag des Konzils zur Erweiterung der Lesungen (SC 51) auch als Auftrag zu darüber hinausgehenden Erweiterungen zu interpretieren. Dazu seien sie durch ein verbreitetes Mißverständnis verleitet worden, das den Ambrosianischen Ritus als eine von historischen Veränderungen weniger betroffene Grundform der westlichen Riten insgesamt betrachtete – und der ambrosianische Ritus hat für fast jedes Messformular eine eigene Präfation.
Dipippo dann wörtlich weiter:
Man könnte sich vorstellen, daß man auf der Grundlage einer solchen Vorentscheidung das Corpus der Präfationen dann durch Übernahmen aus dem Ambrosianischen Missale oder den römischen Sakramentarien erweitert hätte. Doch eine solche Übernahme aus Quellen, an denen sie sich zu orientieren vorgaben, entsprach nicht der Arbeitsweise der nachkonziliaren Reformer, und das war auch bei den Präfationen so. Wie Dom Antoine Domas O.S.B. In einem Artikel in den Ephemerides Liturgicae 1971 (http://www.newliturgicalmovement.org/2015/02/a-tradition-both-venerable-and.html) ausführte, nahmen sie eine Auswahl vor, die zwar auf den alten Quellen beruhte, sich aber dennoch daran orientierte, daß das II. Vatikanum „die Liturgiereform an erster Stelle als Antwort auf pastorale Erfordernisse“ verstanden hätte. (Daß das II. Vatikanum nirgendwo von den Präfationen sprach, erwähnte er nicht). Da die Texte dieser „ehrwürdigen Tradition“ (!) nach Dom Antoine sowohl „in moderne Sprachen übersetzbar als auch der modernen Mentalität angepasst“ werden mußten, konnten nur wenige von ihnen vollständig übernommen werden. Es war erforderlich „zahlreiche Kürzungen und geduldige Centonisierungen“ vorzunehmen, denn „in ihrer Originalform wären sie schwer erträglich, wenn nicht sogar fehlerhaft“ gewesen. „Centonisierung“ bezeichnet hierbei das Verfahren, aus einzelnen Begriffen oder Wendungen einer Vorlage neue Sätze zu komponieren)“
Soweit die plausibel klingende Beschreibung Dipippos vom grundsätzlichen Umgang der Liturgiereform mit den Präfationen. Vor diesem Hintergrund unterzieht er dann die Texte der „neuen“ Präfationen einer eingehenden Durchsicht, die zwar viele interessante Details zu Tage fürdert, insgesamt aber dem Bild, das sich die Anhänger der Tradition vom Wirken der Reformer gebildet haben, wenig Neues hinzufügt.