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Opferung oder Gabenbereitung II

Bild: Eigene Repro aus Heinrich Kunkel, Das hl. Messopfer(Fortsetzung des Beitrags vom 11. März)

Die traditionellen Gebete zur Opferung sind zu allererst Ausdruck der Opfergesinnung des Priesters selbst und der mit ihm feiernden Gemeinde. Bei der „Darbringung des Brotes“ im suscipe wird das besonders klar ausgesprochen:

Heiliger Vater, allmächtiger, ewiger Gott,nimm diese makellose Opfergabe gnädig an. Dir meinem lebendigen, wahren Gott, bringe ich, Dein unwürdiger Diener, sie dar für meine unzähligen Sünden, Fehler, und Nachlässigkeiten. Ich opfere sie auf für alle Umstehenden und alle Christgläubigen, für die Lebenden und Verstorbenen. Gib, daß sie mir und ihnen zum Heile gereichen für das ewige leben.

Man kann in dem „makellos“ eine Vorwegdeutung auf die späteren Darbringung des Leibes und Blutes Christi selbst, der einzigen wirklich „makellosen“ Opfergabe, erblicken. Man kann dabei aber auch an die aus dem Opfer im Tempel schon aus vorchristlicher Zeit ererbte Verpflichtung denken, nur „makellose“ Opfergaben dazubringen, die sich die Kirche hier zu eigen macht. Tatsächlich war die Sorge um eine der Würde ihrer Verwendung entsprechende Qualität der Opfergaben einer der Beweggründe dafür, daß Brot und Wein für die Konsekration nicht mehr aus den von der Gemeinde herbeigebrachten Gaben genommen, sondern vom Klerus selbst bereitgestellt wurden.

In jedem Fall kontrastiert diese Zusicherung der Makellosigkeit der Gaben mit der unmittelbar darauffolgend eingestandenen Unwürdigkeit des Priesters, der ebenso wie die mitfeiernde Gemeinde jeden Grund hat, Sünden und Fehler zu bereuen und ein Sühneopfer zu bringen. Dieses Bekenntnis findet in der tridentinischen Form des Gebetes nur noch verhältnismäßig knappen Ausdruck. In den vorhergehenden Jahrhunderten war diese sogenannte „Apologie“ je nach Zeit, Ort und Gemeinschaft sehr ausführlich ausgebildet; Jungmann spricht in diesem Zusammenhang mißbilligend von einem „Wuchergewächs der Apologien“. Einen Grund für diese Mißbilligung benennt er nicht, möglicherweise drückt er damit ein in der Mitte des vorigen Jahrhunderts verbreitetes klerikalistisches Verständnis aus, dem das Eingeständnis der Sündhaftigkeit und Unwürdigkeit auch des Priesters unangenehm war. Der Novus Ordo jedenfalls hat die Apologie an dieser Stelle ganz gestrichen – so wie er schon in der Einleitung zur Messfeier das confiteor herabgestuft hat. Das Sündenbewußtsein des mittelalterlichen Gläubigen war deutlich stärker als heute – ob die heutigen zu solcher Erleichterung wirklich Grund und Anlaß haben, steht doch sehr dahin.

Die Form des Gebetes, in der nicht von Brot, sondern nur von Gaben gesprochen wird, deutet darauf hin, daß die getrennte Darbringung nicht die ursprüngliche Form dieses Aktes ist. Hier geht es weiter Tatsächlich gab es in vielen mittelalterlichen Formen des Ritus nur eine einheitliche Darbringung der Opfergaben, in einigen Ordensriten – z.B. bei den Dominikanern – blieb sie auch nach Trient erhalten. Wo die Darbringung aufgespalten wurde, ergab sich die Gelegenheit für ein besonderes Gebet zur Zeremonie der Vermischung des Weines mit dem Wasser, die nach dem Verständnis fast aller auf die apostolische Tradition zurückgehenden Kirchen nach ältestem Brauch und dem Vorbild Jesu selbst zum Genuss des Weines dazu gehört.

Das hierzu gesprochene Gebet Deus, qui humanae substantiae... ist aus einer alten Weihnachtsoration übernommen und bringt zunächst den Gedanken der Inkarnation zum Ausdruck, die dem Opfer des Gottmenschen vorausgeht. So wie der Wein das Wasser in sich aufnimmt und verwandelt, hat auch Christus die Menschennatur in sich aufgenommen und verwandelt und bezieht sie somit in sein Versöhnungsopfer mit ein. Nach der Gewohnheit des allegorischen Meßverständnisses wird dieses Bild und dieser Gedanke von einem zweiten begleitet und vielfach auch überlagert, nach dem Wein und Wasser auf das Blut und Wasser aus der Seitenwunde Christi am Kreuz hindeuten und so (ebenfalls!) den Zusammenhang zum Erlösungsopfer herstellen. Diese Art der „Uneindeutigkeit“, oder besser gesagt des assoziativen Denkens, war den Liturgieingenieuren der Mitte des 20. Jahrhunderts unzugänglich und unheimlich – also weg damit.

Die „Uneindeutigkeit“ erscheint dann noch verstärkt durch das eigentliche Gebt zur Darbringung des Weines offerimus tibi, in dem das Vorausdeuten auf die  bevorstehende Verwandlung der Opfergabe besonders deutlich in Erscheinung tritt:

Wir opfern Dir Herr, den Kelch des Heiles und flehen Dich, den Allgütigen an, laß ihn uns zum Segen und der ganzen Welt zum Heile, wie lieblichen Wohlgeruch vor das Angesicht Deiner göttlichen Majestät emporsteigen.

Der hier nach dem Schott zitierte deutsche Wortlaut verwendet mit „Allgütiger“ einen Begriff, der im katholischen Bereich eher selten auftaucht und sensible Ohren an die im Islam gebräuchliche Attributierung „Allerbarmer“ erinnern mag. Im lateinischen Text steht nichts dergleichen, sondern tuam deprecantes clementiam – wir flehen Deine Güte und Nachsicht an. Im folgenden In spiritu humilitatis wird das in Art einer weiteren Apologie ausgeführt, die noch einmal darauf hinweist, daß das eigentliche Opfer noch bevorsteht:

Laß uns Herr, im Geiste der Demut und mit zerknirschtem Herzen bei Dir Aufnahme finden. So werde unser Opfer heute vor Deinem Angesichte, auf daß es Dir wohlgefalle, Herr und Gott.

Dem folgt mit der Anrufung Veni sanctificator ein Gebet, das im hohen Mittelalter und neuerdings wieder unter ökumenischen Vorzeichen vielfach als  Ersatz für eine dem römischen Ritus angeblich ermangelnde Epiklese oder Schrumpfform einer solchen verstanden wird:

Komm Heiligmacher, allmächtiger ewiger Gott und segne dieses Opfer, das Deinem heiligen Namen bereitet ist.

Nach Ansicht von Jungmann, dem wohl kein jemals existierendes Missale der Westkirche unbekannt geblieben ist, wäre diese Deutung oberflächlich und unzutreffend. Dieses oder ähnliche Gebetsformeln tauchen erst sehr spät und dann an unterschiedlichen Stellen des Offertoriums auf, waren auch nie allgemein verbreitet. Sie bezeichnen daher eher eine allgemeine Segnung der Opfergaben und haben noch nichts mit einer förmlichen Epiklese zu tun, die dann auch eher in den Kanon gehören würde. (Das Problem der dem Westen „fehlenden“ Epiklese kann hier nur angedeutet werden und muß einer eigenen Behandlung vorbehalten bleiben.)

Ritueller Abschluß der Gabenbereitung und -aufopferung ist die zeichenhafte Inzensierung der Gaben mit der ebenso zeichenhaften Händewaschung, die seit dem frühen Mittelalter (Amalar von Metz) belegt sind. Zeichenhaft insoweit, als mit der Händewaschung nicht nur verschiedenen praktischen Bedürfnissen (zunächst wegen der Entgegennahme der Gaben, dann auch durch den Umgang mit dem Räucherwerk) entsprochen wird, sondern auch der Übergang vom „handwerklichen“ Diesseits in die Sphäre des Allerheiligsten zum Ausdruck gebracht wird. Eine gewisse Unsicherheit besteht lediglich hinsichtlich der Positionierung des Aufopferungsgebetes zur allerheiligsten Dreifaltigkeit suscipe sancta Trinitas, das bis Trient mal vor, mal nach diesen beiden Riten gesprochen wird. Es bildet den zusammenfassenden Abschluß des gesamten vorhergehenden Abschnitts der Meßfeier und weist ebenfalls voraus auf die Geheimnisse des Kanons.

Das gilt insbesondere für den ersten Teil dieses Gebetes:

Heilige Dreifaltigkeit, nimm diese Opfergabe an, die wir Dir Darbringen zum Andenken an das Leiden, die Auferstehung und die Himmelfahrt unseres Herrn Jesus Christus.

Besonders wertvoll erscheint hier die Aufzählung im Klartext der drei wesentlichen Elemente dessen, was von einer glaubensschwachen modernen Theologie und Pastoral unter dem Unbegriff des „Paschamysteriums“ mehr raunend angedeutet als nach der Lehre und dem Wissen der Kirche ausgesprochen wird: Kreuzestod, Auferstehung und Himmelfahrt. Dem folgt die bittende Einbeziehung der Heiligen beginnend mit der Gottesmutter Maria und bis „herunter“ zu den Märtyrern und Bekennern, deren Reliquien im Altar selbst nach alter (inzwischen aufgehobener) Sitte beigesetzt sind. Seinen ersten Abschluß findet das Suscipe, sancta Trinitas dann in einer typischenSchlußformel, in der Himmel und Erde, streitende und triumphierende Kirche in römischer Prägnanz zusammengefasst sind:

Laß (diese Gaben) ihnen zur Ehre, uns aber zum Heile gereichen, und laß die im Himmel unsere Fürbitter sein, deren Gedächtnis wir auf Erden feiern.

Dieses vom Priester still gesprochene Gebet wird seit ältesten Zeiten durch einen Aufruf (orate frates und suscipiat) abgeschlossen, der sich an die ganze versammelte Gemeinde richtet. In der tridentinischen Form:

Betet Brüder, daß mein und euer Opfer wohlgefällig werde bei Gott dem allmächtigen Vater. (Antwort:) Der Herr nehme das Opfer an aus Deiner Hand zum Lobe und Ruhm seines Namens, zum Segen für uns und seine ganze heilige Kirche.

Eine aus kulturellen Gründen sowohl im Mittelalter als auch in der früheren Neuzeit bestehende Tendenz in Richtung „Klerikerliturgie“ hat dazu geführt, daß nicht zuletzt wegen der Anrede „Brüder“ nur die im Chorraum versammelten Kleriker als die Adressaten dieses Aufrufes angesehen wurden – das Volk wäre demnach auch hier lediglich Zuschauer und Zuhörer gewesen. Zahlreiche überlieferte Missales – möglicherweise sogar die Mehrheit, Jungmann liefert keine Statistik – haben hier jedoch „Orate fratres et sorores“. Das ganze versammelte Volk Gottes ist angesprochen und soll die Kleriker in ihrem officium begleiten.

So enthält das Offertorium in seiner im Mittelalter natürwüchsig entstandenen und nach Trient weitgehend vereinheitlichten Form eine immense Fülle von Gedanken, Gebeten und Hinweisen, die nicht nur die herbeigebrachten Gaben, sondern auch die Zelebranten und die ganze Gemeinde für den Eintritt in die dann folgende Zone des Allerheiligsten bereit machen. Diese Fülle war offenbar mehr, als die Liturgietechniker des Novus Ordo ertragen konnten oder dem von ihnen gewohnheitsmäßig für dumm gehaltenen Volk zumuten wollten. Also haben sie diesen Reichtum brutal zusammengestrichen und durch Texte ersetzt, die mit dem ursprünglichen Inhalt kaum noch etwas zu tun haben, ja sogar eine Entstellung dieses Inhalts in Richtung Gemeinschaftsmahl begünstigen.

Über die daraus entstadenen Texte und über Einzelheiten des Vorgehens der Reformer ist in einem weiteren Beitrag zu berichten.

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