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Opferung oder Gabenbereitung?

Bild: Eigene Repro aus Heinrich Kunkel, Das hl. MessopferEs ist angebracht, auf das Thema der Opferung zurück zu kommen, deren Ersetzung durch eine „Gabenbereitung“ hier in der vergangenen Woche kritisiert wurde. Worum geht es in diesem Teil der traditionellen Liturgie, der von den Reformern als Vorwegnahme oder Verdoppelung der Konsekration empfunden und daher – da sie ihn wegen des Einspruchs von Paul VI. nicht ganz beseitigen konnten – durch die erwähnten pseudojüdischen Gebete zur Gabenbereitung ersetzt worden ist?

Zweierlei vorweg: Die Gebete des „kleinen Kanons“, wie die traditionellen Opferungsgebete auch bezeichnet wurden, haben nicht das ehrwürdige Alter des eigentlichen Kanons, die sicher bis ins 4. Jahrundert und teilweise bis in die Zeit der Apostel zurückreichen. Sie wurden im hohen Mittelalter an verschiedenen Orten in lange unterschiedlicher Form in den Ritus aufgenommen und gehören von daher nicht zum unverfügbaren Grundbestand der hl. Messe. Allerdings ist schon die Rede von einem „unverfügbaren Grundbestand“ sehr wohl geeignet, den Blick in eine falsche Richtung zu lenken, da sie voraus zu setzen scheint, daß Elemente, die dem Ritus im Lauf seiner Entwicklung zugewachsen sind, deshalb von minderem Wert und daher entbehrlich sei.

Zum zweiten ist einzuräumen, daß es um diesen Teil der Messe tatsächlich Unklarheiten, Mißverständnisse und sogar Mißbräuche gegeben hat, die den Gedanken an eine Reform nahelegen konnten. Allerdings beruhen diese Mißverständnisse nicht auf den nun abgeschafften Gebeten, sondern auf historisch längst überwundenen Vorstellungen und Praktiken des Mittelalters. Für die „Abschaffung“ der Gebete, wie sie spätestens seit Trient in der ganzen Kirche verbindlich waren, gab es keinen Grund – wohl aber ein Motiv: Luther und den auf ihn gründenden Traditionen ist alles, was den Gedanken eines Opfers der Kirche zum Ausdruck bringt, ein Gräuel, und daher wollten die einem inhaltsentleerten Ökumenismus zugeneigten Reformer diesen Stein des Anstoßes aus dem Weg räumen.

Hier geht es weiterHistorisch hat das Offertorium seinen sehr alten Ursprung in der Gabenprozession, in der Kleriker und Gläubige (zumindest im päpstlichen und bischöflichen Hochamt) seit ältesten Zeiten unter Psalmengesang die Gaben von Brot und Wein, oft auch noch die für den Gottesdienst benötigten Kerzen, zum Altar brachten. Dieser Vorgang wurde dann vom Zelebranten durch die oratio super oblata, später weiterentwickelt zur secreta, abgeschlossen: Die Gaben der Gemeinde werden dem profanen Gebrauch entzogen und zur Opfergabe bestimmt. Kein Geringerer als Thomas von Aquin hat sich zu diesem Opfer durch Übertragung aus dem profanen in den göttlichen Bereich ausführlich geäußert, und die traditionellen Vorschriften für die Messfeier tragen dem im Regelwerk De defectibus Rechnung, indem sie auch für die schon dargebrachten, aber noch nicht konsekrierten Gaben besonders würdigen Umgang verlangen. Die Opferung ist in diesem Sinne quasi der erste Abschnitt eines mehrstufigen Ablaufs, in dem aus dem Opfer der Gläubigen schließlich das Opfer der Kirche und Christi selbst vor dem himmlischen Vater wird, das durch die Wandlung der Gaben in Leib und Blut Christi und deren Aufnahme in der Kommunion vollendet wird.

Hier hat sich historisch eine zweifache und teilweise durchaus gegensätzliche Entwicklung vollzogen. Auf der einen Seite drängte der geradezu unerschöpfliche innere Reichtum der äußeren Ablaufe dazu, dem auch durch entsprechende Gebete Ausdruck zu verleihen. Diese Gebete fanden ihren Platz zwischen dem einleitenden „Oremus“ der oratio super oblata und dieser (bzw. der daraus entstandenen secreta) selbst. Und gaben nun ihrerseits den Anstoß zu Darbringungsgesten, die ihren Inhalt auch nach außen hin verdeutlichten. Michael Fiedrowicz faßt das in seinem Buch zur überlieferten Messe so zusammen:

Insofern sich dieser ganze Komplex der Offertoriumsgebete und -riten auf der Grundlage der oratio super oblata entwickelt hat, ist deren liturgische Funktion – die Hinführung zum zum Geheimnis der eucharistischen Anaphora – der Schlüssel zum rechten Verständnis des gesamten Offertoriums. Wenngleich diese Gebete manche Gedanken des Kanons schon vorwegnehmen und sogar einzelne Formulierungen daraus entlehnen, so sind diese Texte keineswegs eine überflüssige Verdoppelung oder gar eine unangemessene Antizipation des einzigen Opfers, sondern die ‚Eröffnung der Opferhandlung durch die vorläufige Darbringung der materiellen Gaben‘.“

Die dargebrachten Gaben werden zu Sinnbildern der Selbstaufopferung der Gläubigen, die der Messfeier nicht nur als Zuschauer beiwohnen, sondern sich selbst in das Opfer der Kirche und damit Christi „einbringen“ (sollen).

Diese spirituelle Entwicklung und Entfaltung des Offertoriums wurde allerdings begleitet von einer teilweise geradezu gegenläufigen Entwicklung im äußeren Bereich. Aus der Gabenprozession mit Brot und Wein, die in dem Maß funktionslos geworden war, wie der Klerus diese materia in der erforderlichen Qualität selbst bereitstellte, hatte sich schon früh vielerorts ein Opfergang entwickelt, in dem die Gläubigen an bestimmten Tagen ihren Beitrag zum Unterhalt von Kirche und Geistlichkeit einlieferten – vom silbernen Pfennig bis zum lebenden Huhn. Eine Frühform der Kirchensteuer also, und wie diese eine ständige Quelle von Mißbräuchen und Streit.

Diese „fiskalischen Wucherungen“, wie Jungmann den Komplex bezeichnet, dienten mit als Impulse der Reformation mit entsprechenden Auswirkungen auf die Meßtheologie. Sie waren aber bereits spätestens seit Trient stark zurückgedrängt und zur Zeit der Liturgiereform praktisch schon seit Jahrhunderten verschwunden. In den populären „Meßandachten“ Martin von Cochems, verfaßt um 1700, wird ein Verständnis der Opferung präsentiert, das auch heute noch Bestand hat und dessen katechetische Umsetzung auch im 20. Jahrhundert noch ausgereicht hätte, um eventuell bestehende Unklarheiten bezüglich des Inhalts dieser Gebete auszuräumen:

Nimm an, o Herr, diese Opfergaben von Brot und Wein, welche wir Dir durch die Hände des Priesters darbringen. Nach kurzer Zeit sollen sie nach Anordnung Deines vielgeliebten Sohnes , unseres Herrn und Erlösers Jesus Christus, in sein wahres Fleisch und Blut verwandelt werden, um das einzig wahre und würdige Opfer zu sein, welches Deiner göttlichen Majestät kann dargebracht werden. … Mit dieser Opfergabe legen wir uns selbst und unser Herz in Vereinigung mit Deinem lieben Sohn auf den Altar. Reinige und heilige es; verfüge über uns und all das unsrige nach Deinem heiligen Wohlgefallen...“

Zugegeben – das ist nicht ganz die Sprache der Kirche des „synodalen Weges“. Doch wir wagen die Vermutung: Wäre die Kirche in ihrer Liturgie und ihrer Verkündigung näher an dieser Sprache oder zumindest dem darin ausgedrückten Geist geblieben, wäre es zu dem inzwischen weltweit so betrachteten „synodalen Irrweg“ erst gar nicht gekommen – zumindest nicht innerhalb der Kirche.

Den Reformern von 1969 hätte die Einbeziehung der Gläubigen, wie sie von Martin von Cochem beispielgebend zum Ausdruck gebracht wurde, eigentlich sehr gelegen sein müssen – von wegen participatio actuosa. Vorbelastet durch ihre von Luther inspirierte Infragestellung der überlieferten Opfertheologie und im Blickfeld eingeschränkt durch Archäologismus einerseits und modernistische Vorstellungen von „logischer Abfolge“ und „klarer Struktur“ auf der anderen Seite, waren sie dazu nicht im Stande. Also weg damit! Und da der Versuch, die auf den reinen Vorgang reduzierte „Gabenbereitung“ gänzlich ohne Priestergebete zu gestalten, von Paul VI. abgewiesen wurde, „erfanden“ sie auf die Schnelle jüdisch klingende Gebetstexte, die dem überlieferten Inhalt nur noch wenig Raum boten, aber dafür den ökumenistischen Mißverständnissen ihres Jahrzehntes umso mehr entgegen kamen.

(Es folgt ein weiterer Teil mit Überlegungen zu den Texten der traditionellen und der aktuellen Gebeten zur Gabenbereitung bzw. deren Vorstufen)

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