Konzelebration - ein Herzstück des NO
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- 19. März 2021
Die demonstrative Monopolisierung der Peterskirche für die Konzelebration im Novus Ordo bedeutet weitaus mehr als die damit einhergehende Verbannung der überlieferten Liturgie in die vielleicht 10 Plätze bietende Capella Clementina der Grotti. Diese Herabstufung ist wenig mehr als ein willkommener Seiteneffekt einer Maßnahme, die noch weitergehende Ziele verfolgt.
Die Konzelebration war und ist eine der Lieblingsideen des radikalen Flügels der Liturgiereformer der 60er Jahre. So, wie dieser Flügel es versteht, zielt sie darauf ab, den „Gemeinschaftscharakter“ der Eucharistiefeier zu verabsolutieren und die Rolle und Stellung des Priesters zu reduzieren und in der „um den Altar versammelten Gemeinde“ untergehen zu lassen. Damit soll nicht bestritten werden, daß Konzelebrationen nach der ganzen Anlage des Novus Ordo in bestimmten Ausnahmefällen einen diskutablen Sinn haben können – etwa als Ausdruck der Einheit des Presbyterates mit dem Bischof in der Feier der Chrisammesse oder auch der Priester mit ihren Confrates bei großen Versammlungen und Kongressen. Unter Hinweis auf solche Sonderfälle wurde die Neueinführung der Konzelebration den Konzilsvätern bei der Diskussion von Sacrosanctum Concilium schmackhaft gemacht, während gleichzeitig die Möglichkeit weiterer Ausdehnung eröffnet wurde. Der betreffende Abschnitt 57 der Konzilskonstitution ist ein Musterbeispiel für zielbewußt eingesetzte Ambivalenz.
Außerdem enthält er eine Aussage, die – wenn man sie nicht komplett als Unwahrheit bezeichnen will – zumindest auf ziemlich schwachen Füßen steht. Der Einleitungssatz behauptet: „Die Konzelebration ist in der Kirche des Ostens wie des Westens bis auf den heutigen Tag in Übung geblieben.“ - was für den Westen durchaus zweifelhaft ist. Die in diesem Zusammenhang regelmäßig angeführte „Konzelebration“ der gerade geweihten Neupriester mit dem Bischof in der Weihemesse wird vielfach nicht als tatsächlich sakramentale Konzelebration betrachtet, sondern als ein „gemeinsames Sprechen der Gebete mit dem Bischof“, ein ritualisiertes Überbleibsel einer letzten Einführung in die rechte Feier des Messopfers. Die Tatsache, daß die Neugeweihten dabei im überlieferten Ritus stets ein erfahrener Priester als Assistent begleitet, unterstreicht dieses Verständnis.
Eine zunächst überwiegend praktisch begründete Forderung nach sakramentaler Konzelebration wird nach unserer Literaturkenntnis erstmals in den 40er Jahren sichtbar.
Karl Rahner setzte sich damit in dem später als Buch erscheinenden Artikel über „Die vielen Messen und das eine Opfer“ (1949) durchaus kritisch auseinander. Etwa gleichzeitig hatte der amerikanische Jesuit und Liturgiker Gerald Ellard eine eher positive Sicht formuliert , sah sich aber durch die engen Grenzen der damals nicht nur geltenden, sondern auch durchgesetzten Rechtsordnung daran gehindert, über eine Art „Synchronmese“ (viele Priester zelebrieren gleichzeitig und abgestimmt jeder an seinem eigenen Altar) hinauszugehen. Das Drängen auf Konzelebration wurde in den 50er Jahren verstärkt durch die Arbeiten des Liturgie-Theoretikers Cyprian Vagaggini, der diese Forderung durch eine weitreichende Umdefinition der Rolle des Priesters theologisch untermauerte und ihr dadurch eine in den Augen des Modernismus anscheinend unwiderstehliche Durchschlagskraft verlieh. Leseprobe:
“Die Kirche Christi und ihre Priester und Gläubigen bilden in der Liturgie gleichsam den Schatten, den er (Christus) hinter sich her wirft. Er macht mit ihnen eine Gestalt, eine Person aus. Der Vater betrachtet sie als Glieder Christi; er sieht sie nur so, er hört sie nur so, liebt sie nur so.“ (Theologie der Liturgie, S. 178)
Damit ist bereits früh eine Tendenz angesprochen, die sich dann später in der Praxis der Gemeindemesse weitgehend durchsetzen sollte.
Zweifellos in Kenntnis und vermutlich auch in Absprache mit Bugnini arbeitete Vagaggini bereits im Herbst 1963 – also vor der Promulgation von Sacrosanctum Consilium – an Entwürfen für eine Liturgie der Konzelebration – die Arbeit daran muß also schon deutlich früher aufgenommen worden sein. Jedenfalls konnte Bugnini unmittelbar nach Verabschiedung der Konstitution 1964 mit einer „praktischen Erprobungsphase“ beginnen. Von den dabei gewonnenen und berichteten Erfahrungen schreibt Bugnini in seiner Verteidigungsschrift der Liturgiereform nichts, aber mit unverkennbarem Stolz meldet er die Quantitäten: Von Juli 1964bis März 1965 fanden 720 von seiner Behörde genehmigte Konzelebrationen statt. Ein interessantes Detail aus seiner Schrift, in der er der Konzelebration ein eigenes, wenn auch nicht sehr langes Kapitel widmet: Die zulässige Anzahl der Teilnehmer war danach von Anfang an ein neuralgischer Punkt. Ursprünglich sollten es nicht mehr sein, als um den Altar stehend Platz finden konnten – was dazu führte, daß man mancherorts den Altar durch Auflagebretter passend vergrößerte. Später wurde dann die Grenze auf zunächst 25, dann 50 erhöht, noch später dann ganz aufgehoben; auch das Erfordernis der unmittelbaren Nähe zum Altar entfiel. Ebenso löste sich die ursprüngliche Anordnung, alle Zelebranten hätten die vollen Paramente zur Messfeier anzulegen, in Wohlgefallen auf. Mit Genugtuung konnte Bugnini 1983 feststellen, daß das, was zunächst als Problem wahrgenommen war, schon bald nicht mehr als problematisch erschien, so daß in der Endfassung des Ritus von einer Begrenzung nicht mehr die Rede war. (Bugnini, The Reform, S126 – 127)
Bei kirchlichen Großereignissen ist es seitdem die Regel, daß unübersehbare Mengen von Priestern, die teilweise den Altar noch nicht einmal sehen können, „konzelebrieren“. In Klosterkirchen wurden die traditionell vor dem Konventsamt zelebrierten Einzelmessen vielfach ausdrücklich „abgeschafft“ und die Konzelebration bei der Konventsmesse verpflichtend vorgeschrieben. Als Gast in einer Gemeinde anwesende Priester werden immer wieder am Zugang zu einem Altar für „Einzelmesse“ gehindert und auf die Konzelebration mit einem der örtlichen Priester verwiesen. Ebenfalls oft gibt es Berichte, nachdem in aus mehreren oft verstreuten Pfarreien bestehenden Pfarrverbünden sonntags die zwei oder drei vorhandenen Priester nicht etwa in die ehemaligen Gemeinden ausschwärmen, um dort so viele Messen wie möglich zu feiern, sondern daß sie – freiwillig oder unter Druck – am Hauptort konzelebrieren, während in den Filialkirchen eine Gemeindereferentin die Wort-Gottes-Feier (mit Kommunionausteilung) leitet.
Die Konzelebration stellt von daher – neben der dem Novus Ordo immanenten Tendenz zur Formlosigkeit - in den Augen vieler Modernisten ein hervorragendes Mittel dar, das traditionelle Verständnis von der Meßfeier und vom Wesen des Priestertums „aufzubrechen“ und in Richtung der mehr oder weniger in sich geschlossenen und von horizontalistischen Denkansätzen bestimmten „Gemeindefeier“ umzudeuten. Die Sache hat nur zwei ärgerliche Schönheitsfehler. Im Leben der Gemeinden sind – durch fehlenden Nachwuchs und nicht zuletzt das Wegsterben der Pensionisten – die Priester so rar geworden, daß für Konzelebrationen meist nicht mehr genug Personal vorhanden ist. Und ausgerechnet in Rom und in der von vielen Katholiken so wahrgenommenen Hauptkirche der Christenheit, in St. Peter, wurden die Pilger unübersehbar mit der „überlebten Form“ der Einzelmesse konfrontiert, die in der Regel auch nicht an einem „Volksaltar“ gefeiert wurde.
Der in Rom starken Lobby für eine Bekräftigung und Weiterführung der in ihren Augen anscheinend unerhört erfolgreichen Liturgiereform ist das seit langem ein Ärgernis. Sie hat schon öfter Vorstöße in Richtung der nun ergangenen Regelung unternommen, konnte damit aber – wohl solange Kardinal Sarah noch Präfekt der Gottesdienst-Kongregation und Kardinal Comastri Hausherr der Peterskirche waren – nicht durchdringen. Im vergangenen Monat sind nun beide aus ihren Ämtern geschieden, und anscheinend sahen die Gegener der Einzelmesse und des auch in der reformierten Liturgie stellenweise noch vorfindbaren Liturgieverständnisses damit den Moment gekommen, das Ärgerniss zu beseitigen. Weil dem aber neben den genannten Personen auch rechtliche und verfahrensmäßige Hürden im Wege standen, brauchten sie dazu Einverständnis und Unterstützung des Papstes – und der hat sie dann wohl auch mit der bei ihm schon zur Gewohnheit gewordenen Leichthändigkeit über diese Hindernisse hinweggehoben. Denn wie es dieser Tage einer der römischen Beobachter formulierte: Im Vatikan fällt kein Blatt vom Baum, wenn nicht der Pontifex Maximus es anbläst.