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Eine chinesische Lösung?

Bild: Screenshot aus einem Youtube-Auftritt ReesesDie Kreativität von Jesuiten bei der Produktion von Schnapsideen ist zwar nicht beneidens-, aber doch staunenenswert. Der in progressiven US-Kreisen einflußreiche Journalist, Autor, und ja, auch Jesuit Thomas J. Reese ist jetzt in einem Selbstverständigungsorgan der amerikanischen Linkskatholiken mit eiinigen bemerkenswerten Vorschlägen zum „mainstreaming“ der Konzilskirche auffällig geworden. Dazu will Reese – wo denn auch sonst – bei der Liturgie ansetzen. Ihre „Inkulturation“ in die unterschiedlichen kulturellen und sprachlichen Umfelder soll vertieft und dem lähmenden Einfluß der römischen Zentrale entzogen werden. Jeder Diözese, womöglich jeder Pfarrei, ihre eigene Liturgie! Reese schreibt:

Bischofskonferenzen sollten darüber diskutieren ob neue liturgische Dienste benötigt werden und wer zu ihrer Ausübung zu berufen ist. Kann liturgische Tätigkeit von administrativer Tätigkeit getrennt werden. Müsse alle liturgischen Vorsteher männliche, zölibatäre und in Vollzeit beschäftigte Angestellte sein? Sollen Diakone oder Laien die Krankensalbung spenden oder Beichte hören können. Diesen Fragen müssen wir uns in Zeiten sinkender Priesterzahlen stellen.“

Man sieht, das Inkulturationsverständnis des hochwürdigen Herrn Reese ist ziemlich ausgreifend. Es hat nur eine Grenze, kennt nur ein Tabu: Die überlieferte Kultur und Liturgie der Kirche.

Nach der paulinischen Reform der Liturgie war erwartet worden, daß die „Tridentinische“ oder Lateinische Messe aussterben würde. Bischöfe erhielten die Autorität, sie in ihren Diözesen zu verbieten – aber einige Leute klammerten sich bis ans Schisma an die alte Liturgie. Benedikt hat den Bischöfen diese Autorität genommen und erlaubt, daß jeder Priester wann immer ihm danach ist die Tridentinische Messe feiern kann. Es ist an der Zeit, den Bischöfen die Autorität über die tridentinische litrugie in ihren Diözesen zurückzugeben. Die Kirche muß deutlich machen, daß sie wünscht, daß die unreformierte Liturgie verschwindet und nur noch aus pastoraler Rücksicht für alte Leute erlaubt ist, die unfähig sind, die Notwendigkeit der Veränderung zu begreifen. Kindern und jungen Leuten sollte der Besuch solcher Messen verboten sein.“

Kein Wunder, daß angesichts solcher rabiater und von Menschenverachtung triefender Wunschvorstellungen ein katholische Publizist wie der britische Diakon Nick Donelly einen naheliegenden Vergleich zieht: „Es scheint, daß die Jesuiten hier wohl eine Seite aus den Regieanweisungen der Kommunistischen Partei Chinas übernommen haben, die ebenfalls jungen Katholiken den Messbesucxh verbietet.“ Quelle.

Hier geht es weiterAus unserer Sicht stellen sich im Anschluß an die Ausführungen Reese (hier vollständig im amerikanischen Original) zwei Fragen: Erstens: Was treibt einen Mann, der immerhin vor fast 50 jahren einmal die Priesterweihe empfangen hat, zu solchen Vorschlägen? Und zweitens: Welche Chancen zur Verwirklichung muß man ihnen zumessen?

Das erste ist in der gebotenen Kürze leicht zu beantworten: Viele Priester der Generation Reese (Jahrgang 1945) haben ihr Priestertum auf einer Lebenslüge aufgebaut: Der Lüge, daß „nach dem Konzil“ alles vorhergehende abgestreift, alles anders, und der Weg in eine neue Epoche der Kirche in der Welt eröffnet würde. Seitdem verbringen sie ihre Tage damit, diese Lüge weiter zu verbreiten, mit mehr oder weniger passenden Indizien zu untermauern und alles zu verleumden und soweit in ihrer Macht stehend zu unterdrücken, was daran gemahnt, daß die katholische Kirche, wenn sie denn Kirche Christi bleiben soll, sich nicht in Umkehr und Bruch von ihrer zweitausendjährigen Vergangenheit abwenden kann. Die Tatsache, daß die Päpste Johannes Paul II und Benedikt, in vielem aber auch Paul VI und selbst Franziskus, der These vom Bruch stets (mehr oder weniger überzeugend) widersprochen haben, hat sie im Grund ihrer jämmrlichen Existenz verunsichert.

Die überlieferte sakramentale Struktur der Kirche und ihre Sakramentenlehre, verdichtet in der überlieferten Liturgie, sind der Felsblock und die Barriere auf dem 1965 so einfach erscheinenden Weg der Reformer und Umstürzler, der ihnen immer wieder ins Bewußtsein zwingt, daß ihre Hoffnungen zum Scheitern verurteilt und die darauf gegründeten Anstrengungen eines ganzen Lebens letztendlich vergebens waren. Und die Erfahrung, daß die Kirchen mit den von ihnen erfundenen tatsächlich „entkulturierten“ Gemeindeversammlungen immer leerer, dagegen die Kirchen mit der verhaßten „tridentinischen“ Liturgie immer voller und die dort zum Gottesdienst Versammelten immer junger werden, bringt sie nachgerade um den Verstand. Und so schlagen sie denn nur noch blind um sich – die anonymen Hintermänner des Verbots der alten Liturgie im Petersdom ebenso wie die Reeses und ihre Schüler*innen auf theologischen Leerstühlen in Deutschland.

Die zweite Frage, die nach den Verwirklichungschancen und Auswirkungen solcher Vorschläge, ist schwerer zu beantworten – wie immer, wenn es um die Prognose zukünftiger Entwicklungen geht. Wir können hier nur wiederholen, was wir schon mehrfach angedeutet haben (z.B. hier): Die Gläubigen des Jahres 2020 sind nicht mehr die Gläubigen von 1969. Wo ihre Eltern und Großeltern noch von einem seine Aufgaben ernst nehmenden Lehramt und – zumindest nach außen hin – den traditionellen Glauben hochhaltenden Bischöfen und Theologen geprägt waren, haben die heutigen Katholiken, die katholisch bleiben wollen, die Erfahrung einer beispiellosen Dekonstruktion aller Autoritäten hinter sich: Das Lehramt hat abgedankt und überläßt sich der Zweideutigkeit, die Universitätstheologie versinkt im Sumpf steriler Selbstbezogenheit, und die von vielerlei Mißbräuchen diskreditierten Bischöfe sind größtenteils nur noch mit dem Erhalt der institutionellen Hülle ihrer Stellung beschäftigt.

Wo selbst der noch im autoritären Geist der 50er Jahre geprägte Episkopat an der restlosen Unterdrückung der Tradition scheiterte, haben ihre heutigen Nachfolger noch viel geringere Erfolgsaussichten. Die Gläubigen, denen der wahre Glaube lieb und notfalls auch teuer ist, haben gelernt, wie man aufgeblähte Machthaber ins Leere laufen läßt. Die Drohung mit dem Schisma ist nach allem, was in den letzten Jahrzehnten erst in der einen und nun in der anderen Richtung zu beobachten war, nur noch lächerlich. Gerade die deutschkatholischen Autoritäten haben sich hier um jede Glaubwürdigkeit gebracht. Wer „Ökumene“ mit jedem, „Liberalität“ gegenüber allem und „Diversität“ in jeder Hinsicht zu höchsten Werten erhebt, kann nur verlieren, wenn er den eigenen Stamm und die eigenen Wurzeln dem Feuer des Scheiterhaufens übergibt.

Mag schon sein, daß (nicht nur) einige Jesuiten keine Skrupel hätten, die Kirchenkrise in ihrem Sinne mit einer „chinesischen Lösung“ zu beenden. Zuzutrauen wäre es ihnen - allein es fehlen ihnen die Panzer.

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