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Nochmal „Chinesisches“

Bild: Von der Facebook-Seite ReesesDie Themen des am Donnerstag hier behandelten Artikels des amerikanischen Jesuiten Reese lassen uns nicht los – aus zwei Gründen. Zum einen müssen wir unsere Einschätzung korrigieren, bei der Plattform, die Reeses Artikel veröffentlicht hat, handle es sich um ein „Selbstverständigungsorgan der amerikanischen Linkskatholiken“. Das mag auf die Jesuitenzeitschrift „America“ zutreffen, die Reese lange Jahre als Chefredakteur geleitet hat. Aber nicht auf den „ReligionNewsService“, in dem wir seinen Artikel gelesen haben. Der RNS ist keine katholische Einrichtung, sondern eine ihrer Selbstbeschreibung nach unabhängige Informationsplattform zu Religionsthemen, die weit über den christlichen Bereich hinausgreift. Vorstand und Beirat bestehen in erster Linie aus mehr oder weniger prominenten Journalisten/Medienleuten, die sich mit religiösen Gegenständen befassen; nur wenige davon sind Geistliche oder wissenschaftliche Theologen. In Leitungsgremien und Redaktion sind Angehörige fast aller größeren in den USA vertretenen Religionen vertreten – neben Christen vieler Denominationen auch Hindus, traditionsorientierte und „progressive“ Moslems ebenso wie mehrheitlich progressive Juden, dazu eher weniger als mehr religiös eingefärbte „social justice warriors“ - alles, was man von linksliberal bis linksradikal erwarten kann. Reese ist einer von 10 ständigen Kolumnisten der Plattform. Von „katholisch“, selbst „linkskatholisch“, ist in diesem Umfeld wenig zu spüren – vielleicht passt deshalb der Jesuit Reese so gut hinein.

Umso erstaunlicher erscheint es, daß von den etwa 200 Leserzuschriften, die bis Freitag Nachmittag auf den Artikel Reeses eingegangen waren, keine 5 den Jesuiten unterstützen. Heftige Ablehnung, nicht immer sachlich sehr fundiert, aber stets in eindeutig katholischer Perspektive vorgetragen, dominiert. Ironie und Sarkasmus sind nicht selten. Einige Zuschreiber merken an, als Schutzraum für aus der Zeit gefallene Ältere wie den Autor müsse man künftig wohl eher den Novus Ordo betrachten. Andere üben durchaus fundierte Kritik an einzelnen Aussagen Reeses, viele nehmen Anstoß an dem unverhüllt bevormundenden und autoritären Gestus seines Artikels. Im unübertrefflichen Amerikanisch eines Beitrags: „The author goes full soviet“, und eines anderen: „Thomas Reese wants the bishops to be like the Gestapo“. Generell wird die Intervention des Jesuiten als Ausdruck der Panik eines Reformers wahrgenommen, der erkennen muß, daß alles, wofür er sich ein Leben lang eingesetzt hat, zusammenbricht – und der sich nun mit Händen und Füßen dagegen sträubt, diese Wahrnehmung zuzulassen. Vielfach wird in den Zuschriften „jesuitisch“ gleichgesetzt mit „häretisch“, und mehrfach wird die Auflösung der Gemeinschaft gefordert. Trotz des zuweilen scharfen Tones der Äußerungen wecken nur zwei oder drei den Verdacht, aus sedisvakantistischer oder genuin schismatischer Ecke zu kommen – ansonsten äußert sich dort das ganz normale Spektrum des der Tradition verbundenen katholischen Laienvolkes zwischen Pius und Petrus.

Derlei zu lesen bereitet schon eine gewisse Genugtuung, und es wäre zu wünschen, daß die Heißluftproduzenten aus der deutschen Jesuitenprovinz mal zur Kenntnis nehmen würden, was ganz normale katholische Gläubige von ihnen und ihren fein gesponnenen Plänen halten.

Der zweite Grund, auf Reeses Beitrag zurückzukommen, ist inhaltlicher Art. Hier geht es weiter Das Bild der Kirche der Zukunft, das der jesuitische Vordenker da in ein paar dahingeworfenen Sätzen zeichnet, ist nichts weniger als ein Programm zur Abschaffung der Kirche Christi überhaupt. Man könnte derlei Hybris mit Verachtung abtun, wäre nicht – unter anderem – ein großer Teil der deutschen Kirche und ihrer Funktionäre gerade dabei, ein ganz ähnliches Programm in die Tat umzusetzen. Gewiß hat Christus seiner Kirche zugesagt, daß die „Pforten der Hölle“ sie nicht überwinden werden – aber er hat ihr keine Bestandsgarantie für jeden Ort und jede Zeit gegeben. Figuren wie Reese, Bätzing oder Sternberg erwecken den Eindruck, es könnte ihnen gar nicht schnell genug mit der Einebnung der Kirche in einen Verbund wohlmeinender Menschheitsanbeter gehen.

Neben der Liturgie, zu deren je nach Diözese unterschiedlich „inkulturierter“ Gestaltung er besondere Komitees von Wissenschaftlern, Dichtern, Musikern und Pastoren einberufen will, nennt Reese an erster Stelle die Ökumene als neuen Handlungshorizont. Die Eucharistie soll dazu als Zeichen und Motor der Einheit „dienen“, zumindest die nichtkatholischen Ehepartner von Katholiken sollen generell zur Kommunion zugelassen werden. Theologisch bringt Reese hier die bemerkenswerte Begründungsfigur: „Wie können wir einem Paar die Einheit am Tisch des Herrn verwehren, wenn es im Sakrament der Ehe vereint ist?“ Da ist sogar etwas dran – nur daß die Kirche ehedem daraus die dringende Empfehlung an ihre Kinder ableitete, eben keinen Partner zu nehmen, der nicht der Kirche angehört. Ein halbes Jahrhundert Abrücken von dieser weisen Vorgabe hat zur Genüge gezeigt, in welches Elend das in den meisten Fällen führt.

Von der Kommunionbank wendet sich der in dem ganzen Text reichlich spontan und unsystematisch argumentierende Jesuit wieder einem liturgischen Detail zu: Die Liturgischen Texte müßten dringend in zeitgemäßer Sprache dargeboten werden – nur so seien moderne Menschen zu erreichen. Als ersten Schritt empfiehlt Reese die Zulassung der 1998 von Rom nicht genehmigten Übersetzung des Missales in ein sehr zeitgeist affines Englisch. Über das Stichwort „Latein“ führt die Sprachenfrage den Autor dann zu seiner bereits angesprochenen Diatribe gegen die „lateinische Messe“, die er, da zu Recht als Bedrohung für seine Phantasien empfunden, mit Stumpf und Stiel ausrotten will.

Und wo er gerade dabei ist, legt er im nächsten Abschnitt Hand an das Herzstück der Messe, das Eucharistische Hochgebet, von dem er zu sagen weiß, dem werde sowohl seitens der Gläubigen als auch von den Priestern nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Selten hat man eine vernichtendere Kritik an der Liturgiereform gehört! In einer wissenschaftlich – nicht zuletzt von Joseph Ratzinger in seiner Schrift „Gestalt und Gehalt der Eucharistischen Feier“ – längst als unhaltbar erwiesenen kurzschlüssigen Ableitung der hl. Messe vom Paschamahl behauptet Reese:

Wie das Paschamahl ist die Eucharistie ein Opfermahl, durch das die Familie sich mit Gott und untereinander vereinigt. Es bietet darüber hinaus Gelegenheit, sich an den Bund mit Gott zu erinnern und diesen zu erneuern. Wir danken Gott für sein Handeln in der Geschichte, insbesondere für das Leben Jesu, seinen Tod, seine Auferstehung und sein Versprechen der Wiederkehr. In der Eucharistie erneuern wir den Bund mit dem Vater durch Christus.

Soweit klingt das noch ganz fromm, auch wenn das theologisch nur ein wenig geschulte Auge gewisse Lücken wahrnimmt. Im folgenden Satz reißen diese Lücken dann weit auf:

Bedeutender als die Transformation von Brot und Wein in den Leib und das Blut Christi ist die Transformation der Gemeinde in den Leib Christi, so daß wir den Bund, den wir in Christus geschlossen haben, ausleben können. So gesehen ist es nicht Jesus, den wir anbeten und verehren, sondern mit Jesus verehren wir den Vater und bitten ihn, durch die Kraft des Geistes in den Leib Christi verwandelt zu werden.

Worauf das letztlich hinausläuft, gibt Reese dann im folgenden recht deutlich zu erkennen:

Es wäre schön, mehr Hochgebete in stärker biblischer Sprache zu haben. Wenn das Evangelium aus Lukas ist, könnte der Priester ein Hochgebet verwenden, das die Sprache und die Theologie Lukas‘ aufgreift. Eine spezielle „Präfation“ für alle Sonntage, die Themen aus den Schriftlesungen aufgreift, könnte die Liturgie des Wortes und die Liturgie der Eucharistie enger miteinander verbinden. Weitere Hochgebete könnten andere Themen entwickeln – die Sorge der Kirche für die Armen, für Gerechtigkeit, für den Frieden und die Heilung der Umwelt.

Und somit sind wir endlich da, wo wir hin sollen: Aus dem Dankgebet für die Großtaten des Dreifaltigen Gottes, der im Opfer des Sohnes der gefallenen Menschheit den Weg zur Rückkehr in das himmlische Vaterhaus wieder geöffnet hat, wird eine um ihre ganz und gar diesseitigen Vorstellungen kreisende Selbstbestätigung der Gemeinde in ihrer Vortrefflichkeit.

Ihren Tiefpunkt findet die Bewegung zur Herabholung der Eucharistie aus dem Raum des göttlichen Heilshandelns an den Menschen zu den Zwecken und Zielen der „neuen Theologie“ in Reeses Vorschlag, den urkirchlichen Brauch des „Fermentums“ wieder aufzunehmen und weiter zu entwickeln. Das „Fermentum“ war ein Bruchstück vom Brot des vom Papst selbst konsekrierten Herrenleibes, das zu besonderen Anlässen den anderen Gemeinden Roms übersandt und vom Priester bei der Messe im Kelch des heiligen Blutes aufgelöst wurde – Sinnbild der Einheit des einen Leibes Christi unter dem Nachfolger des hl. Petrus. Diesen Brauch will Reese wiederbeleben und auf „den ökumenischen Patriarchen oder andere christliche Bischöfe“ ausdehnen. Als quasi magisch wirkendes Symbolakt soll dieser Akt damit Einheit herbeiführen oder zumindest vortäuschen, wo sie in Glauben und Glaubenspraxis nicht gegeben ist.. Interkommunion in globalem Maßstab.

Das von Reese umrissene Programm greift also weit über die geforderte endgültige Abschaffung der traditionellen Liturgie hinaus – es soll letztlich auch dem Novus Ordo alles austreiben, was ihn noch mit der überlieferten Lehre der Kirche verbindet. 

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