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Roche: Der Ignoramus als Chefliturgiker

Mainzer Missale von 1742 - eigene AufnahmeDer Chef der römischen Liturgiebehörde und demnächst Mitglied der immer erlauchter werdenden Kardinalsschar Arthur Roche hat VaticanNews ein Interview gegeben, in dem er zwar nichts Neues sagt, aber das schon Bekannte mit gesteigertem Nachdruck. Schwer, in dem Wust von Halbwahrheiten, ganz  Erfundenem und Entstelltem Ansatzpunkte einer nüchternen Kritik zu finden. Hier ein erster und nicht sonderlich in die Tiefe gehender „Faktencheck“ zu einigen zentralen Behauptungen, die Roche in diesem Interview und anderen Äußerungen aufgestellt hat

„Es hat nie zuvor zwei Versionen des römischen Messbuchs gegeben.“

Es hat immer unterschiedliche Versionen gegeben, die zwar den gleichen römischen Geist atmeten, bis auf den weitgehend (nicht ausnahmslos) wortgleichen römischen Kanon aber beträchtliche Unterschiede aufweisen konnten: In der Abfolge und Gestalt von Zeremonien, in Anzahl und Wortlaut von Gebeten, in der Zuteilung von Rollen an die Mitfeiernden. Es gab in der Kirche unter dem Nachfolger Petri nie eine sterile Einheit des Ritus, tatsächlich gab es immer nicht nur verschiedene „usus“, sondern auch verschiedene Riten. Ein bis ins 10. Jh. zurückgehendes Beispiel der süditalienischen Katholiken mit byzantinischem Ritus in den (heute so genannten) italo-albanischen Gemeinden von Grottaferata. Die kirchliche Einheit mit den einen ursprünglich sehr fremdartigen Ritus feiernden Syro-Malabaren geht bis ins 16. Jh. zurück. Nach Ort und Gemeinschaft unterschiedliche „lex orandi“ zwischen den und innerhalb der Riten waren selbstverständlich, und die Kirche sah ihre Aufgabe nicht darin, diese Unterschiede zu beseitigen, sondern zu verhindern, daß sich daraus Unterschiede in der Lex credendi ableiten ließen.

Hier geht es weiterDie Pluralität der seinerzeit bestehenden liturgischen Formen, die zu vielen Varianten des römischen Missales geführt hatte, wurde von Pius V. in Quo Primum ausdrücklich anerkannt – nicht als reformerische Großtat, sondern als Selbstverständlichkeit. Das II. Vatikanum hat die Anerkennung einer Vielfalt von Riten in SC, Abschnitt 4, ausdrücklich erneuert.

„Lex orandi des Gregorianischen Ritus und lex orandi des Novus Ordo sind unvereinbar“.

Paul VI. hat bei der Promulgation des Novus Ordo ausdrücklich klargestellt, daß sein neues (nicht „erneuertes“) Missale die überlieferte Lex credendi in keiner Weise ändere. Inwieweit er sich dabei getäuscht hat (oder täuschen ließ), steht dahin. Aber daß es sein Wille war, nichts an der überkommenen Lex credendi zu ändern, kann nicht bezweifelt werden. Wer heute behauptet, die Liturgiereform habe eine so tiefgehende Änderung von Lex orandi und Lex credendi bewirkt und bewirken sollen, daß die „veraltete“ Formen nicht mehr zulässig sein könnten, widersprich zunächst direkt der Aussage des Papstes, der diese Reform promulgierte. Und er liefert indirekt den Beweis, daß diese Reform – unabhängig von den Absichten Pauls VI. – historisch gescheitert ist, weil sie sich in der Praxis in einer Richtung entwickelt hat, die den explizit ausgesprochenen Absichten ihres Promulgators widerspricht.

Wer heute die Unvereinbarkeit der beiden Missale behauptet, widerspricht diametral den Päpsten Paul VI., Johannes Paul-II und Benedikt XVI. Und bekennt sich zu der ansonsten doch lautstark zurückgewiesenen These eines Bruchs zwischen der vor- und der nachkonziliaren Kirche. Er bekennt sich faktisch zu der beispielsweise auch vom deutschen „Synodalen Weg“ immer nachdrücklicher erhobenen Forderung nach Schaffung einer neuen Kirche. „Christus 2.0“ läßt grüßen.

„Bereits Jungmann hat nachgezeichnet, wie die Messe im Lauf der Jahrhunderte verändert wurde, um den Bedürfnissen der Zeit zu entsprechen.“

Roche impliziert hier, Jungmann habe einen (am Ende gar noch zentral gelenkten) Prozess der gezielten Veränderung der Liturgie angenommen und nachgewiesen. Jungmann mag manchen modernistischen Irrtümern erlegen sein – für die These, der römische Ritus sei quasi zentral gesteuert und bewußt entwickelt worden, kann man ihn ausweislich seines Hauptwerkes „Missarum Solemnia“ in gar keiner Weise in Anspruch nehmen. Jungmann zeichnet nach, wie die Messe sich veränderte, indem an verschiedenen Orten, in verschiedenen Gemeinschaften und zu verschiedenen Zeiten Änderungen erfolgten, die mal anderswo übernommen wurden, mal auch wieder hinfällig wurden, in seltenen Fällen auch von Rom ausdrücklich anerkannt oder gar für die ganze Kirche vorgeschrieben wurden.

Jungmanns wissenschaftliches Werk (seine späteren kirchenpolitischen Artikel kennen wir nicht) zeichnet alles in allem das Musterbild einer „organischen Entwicklung“ der Liturgie (der Begriff wurde u.W. 2004 von Alcuin Reid geprägt)  – ohne jedes andere entwickelnde Subjekt als das Wirken des Heiligen Geistes in den Menschen, die die Kirche ausmachen. Auch und gerade Trient und Pius V. haben nichts an der Liturgie „entwickelt“, sondern vorgefundenes (meistens) schonend bereinigt und Wildwuchs beschnitten, ohne auch nur im geringsten daran zu denken, das, was vor ihrer Zeit war, für überholt oder gar illegitim zu erklären.

Die Anmaßung des "Entwickelns" war dem Bugnini-consilium und dessen unzureichender Beaufsichtigung durch Paul VI. vorbehalten, die mit ihrem Novus Ordo erstmals in der Kirchengeschichte darangingen, eine Liturgie wie am Reißbrett zu entwerfen und für alle verbindlich zu machen. Wobei sie allerdings mit zahllosen weitgehenden Alternativen und Optionen die Tür dafür öffneten, daß sich das von Roche in Worten abgelehnte subjektive Element von Priestern und Gemeinden zum dominanten Faktor der „liturgischen Gestaltung“ entwickelte, so daß heute selbst innerhalb einer Stadt keine zwei Sonntagsmessen nach gleichem Muster stattfinden. Diese Mißstand konnte bis heute trotz mehrfacher dahingehender Bemühungen von Roches Phantasieprodukt einer  liturgieentwickelnden Zentrale nicht eingedämmt werden konnte.

Das Interview Roches vom 20 Juni ist – wie alle bisher bekannt gewordenen Äußerungen des obersten Liturgieverwesers – ein Zeugnis beklagenswerter liturgischer Unwissenheit und Unbildung, ideologischer Blindheit und interessengeleiteter Unwahrhaftigkeit. Einen solchen Mann an der Spitze der Liturgiebehörde zu sehen, ist eine Schande – für ihn selbst, für die ehemalige Heilige Ritenkongregation und für den Despoten auf dem Stuhl des Bischofs von Rom. Die von Roche und Bergoglio mit dem Ziel der Delegitimierung der liturgischen Tradition der Kirche vorgetragenen Thesen können auch dann keine Bindungswirkung entfalten, wenn sie nicht im Interview mit dem Staatsanzeiger geäußert werden, sondern im Gewand päpstlicher Dokumente wie des Motu Proprio Traditionis Custodes oder gar einer künftigen Enzyklika daherkommen.

Seine zukünftige Eminenz Roche ist nachgerade der lebende Beweis dafür, daß das päpstliche Lehramt sich aktuell im Zustand der Suspension befindet.

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