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Der Ignoramus als Chefliturgiker II

Bild: Catholic Herald, Marcin MazurIm Interview mit der BBC hat Arthur Roche, derzeit Leiter der Liturgiebehörde im Vatikan, zu Protokoll gegeben, warum seiner Ansicht nach die von ihm verhängten Einschränkungen für die überlieferte Liturgie berechtigt, ja erforderlich sind: „Die Theologie der Kirche hat sich verändert. Früher repräsentierte der Priester aus der Entfernung die Gläubigen, die durch ihn in die Messe einbezogen waren, doch es war er alleine, der die Messe feierte… Nun jedoch ist es nicht mehr nur der Priester, der die Liturgie zelebriert, sondern alle, die gleich ihm getauft sind – und das ist eine höchst schwerwiegende Feststellung.“

Soweit unser Versuch, den auch im englischen Original kaum verständlichen Sätzen des im sprachlichen Ausdruck offensichtlich schwer behinderten hohen Kirchenbeamten eine Aussage abzugewinnen. Dazu zwei Anmerkungen und eine Anfrage.

Anmerkung 1: Natürlich lag es dem Pastoralkonzil der 60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts durchaus fern, eine „neue Theologie“ einzuführen – und erst recht nicht eine, die einen Gegensatz zu einer ab jetzt nicht mehr vertretbaren „alten Theologie“ hergestellt hätte. Es gibt in der Entwicklung des theologischen Verständnisses der Kirche kein solches „alt“ gegen „neu“. Es gibt Verschiebungen des Aspektes oder der Betonung. Es gibt eine reichere Entfaltung von Einsichten, die früheren Generationen in diesem Umfang so nicht zugänglich waren. Aber es gibt auch den Verlust des Wissens um Dimensionen, die den Heutigen nur noch schwer oder gar nicht mehr zugänglich sind. Es gibt auch unterschiedliche theologische Schulen, die jeweils den einen oder anderen Aspekt der Aussage einer überzeitlichen Wahrheit in den Vordergrund stellen. Widersprüchliche und miteinander unversöhnliche Wahrheiten gibt es es erst seit der Erfindung der Post-Postmoderne – für die freilich die Kirche bis zum gegenwärtigen Pontifikat wenig Raum bot.

Die Behauptung Arthur Roches ist also nichts weiteres als eine erneute Bekräftigung der theologisch unmöglichen Hermeneutik des Bruches, die darauf besteht, das vergangene Konzil als das Ende der alten und den Anfang einer neuen Kirche zu betrachten.

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Anmerkung 2: Die Aussage „früher hat nur der Priester alleine die Messe gefeiert“ kann eigentlich nur von einer theologisch und liturgiegeschichtlich völlig ungebildeten Person getroffen werden, die anscheinend noch nicht einmal die Ordinariumstexte des Missales Pius V. Kennt. Oder sie zwar kennt, aber bewußt entstellen will.

Zur Kenntnis zu nehmen wären hier mindestens:

► Das „Orate fratres“ vor der Präfation, in dem ausdrücklich von „meinem und eurem Opfer“ die Rede ist. Alle im rechten Geist Anwesenden opfern – aber in verschiedenem Grad, so wie es ihrem Stand entspricht, der nicht nur wie Roche vortäuscht durch die Taufe, sondern auch durch die Priesterweihe bestimmt und dementsprechend unterschieden ist. Verschiedene mittelalterliche Missales haben an dieser Stelle übrigens die Anrede „fratres et sorores“ – hier sind definitiv nicht nur die Kleriker im Altarraum gemeint. Allerdings hat später tatsächlich eine theologische Akzentverschiebung ereignet, die den Ton auf die Kleriker legte, und die dann noch spätestens durch Mediator Dei von 1947 wieder zurückgeschoben worden ist. Und zwar ohne daß dadurch die eine Sichtweise als unvereinbar mit der anderen hätte diskreditiert werden müssen.

Die mit dem „meinem und eurem Opfer“ angestimmte „inkludierende Differenzierung“ bestimmt dann auch die Gebete des Canon Romanus, der nebenbei bemerkt auch im Novus Ordo noch zulässig ist, auch wenn in der Praxis oft an den Rand geschoben. Will Roche wirklich die in Conzil und Consilium unterlegene Minderheitsmeinung neu beleben, die den römischen Canon ganz verwirft und damit den Bruch zum Prinzip erhebt? Vieles spricht dafür.

► Im Memento der Lebenden ist ausdrücklich von dem Lobopfer die Rede, das „wir“ (die Kleriker) für das Volk Gottes und „sie selbst“ (nämlich die teilnehmenden Angehörigen des Gottesvolkes) darbringen, und genau so wird es dann noch einmal im Hanc igitur wiederholt: Nimm Herr diese Opfergabe huldvoll an, die wir, Deine Diener, und Deine ganze Gemeinde Dir darbringen. Erst bei der eigentlichen Wandlung, die nicht nur einen „Einsetzungbericht“ darstellt, wie häretische Neotheologen behaupten, sondern wahrhaft „actio“ ist, wechselt der Priester in die persona Christi und spricht exklusiv und alleine die Wandlungsworte, die der Herr selbst im Obergemach gesprochen hat.

► Im an die Wandlung anschließenden Unde et memores wechselt der Canon Romanus sofort wieder in den „differenzierend inklusiven Modus“: „Daher sind wir eingedenk, Herr, Deine Diener, aber auch Dein heiliges Volk, des heilbringenden Leidens, der Auferstehung von den Toten und der glorreichen Himmelfahrt Deines Sohnes“. Bemerkenswert hier auch die ganz konkrete Aufzählung der Heilstaten Gottes bei seinem Erlösungswerk, die in der nachkonziliaren Redeweise vom „Paschamysterium“ zwar nicht geleugnet, aber doch unsichtbar gemacht werden. Ein gutes Beispiel für den Dimensionsverlust der Theologie, der eintreten kann, wenn der Ausdruck der Lehre unter dem Vorwand der Entwicklung nicht entfaltet, sondern reduziert wird.

Soweit die auffälligsten Belege dafür, daß die überlieferte Liturgie sehr wohl im Auge hat und bekräftigt, daß alle Mitfeiernden an der Darbringung des Opfers teilhaben – wenn auch auf verschiedene Weise und in verschiedenem Grade, genau so wie es z.B. in Sacrosanctum Concilium 26 ganz in Übereinstimmung mit der Tradition verlangt wird.

Bleibt noch die angekündigte Anfrage, die sich in wenigen Sätzen zusammenfassen läßt: Weiß der oberste Liturgiebeamte der Kurie das alles nicht, wenn er von „früher hat nur der Priester allein“ redet? Oder will er es nicht wissen? Will er die seiner Hirtensorge anvertrauten Gläubigen das vergessen lassen? Ist die Lüge ihm bereits zur Gewohnheit geworden? Wieviel fachliche und moralische Inkompetenz ist erforderlich, um in diesem Pontifikat zu den höchsten Ämtern aufzusteigen?

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Die römische II in der Überschrift bezieht sich auf unseren Artikel vom vergangenen Juni, der ebenfalls mit guten Gründen die Frage aufwarf, ob Arthur Roche weiß, wovon er redet, wenn er sich zu liturgischen Fragen äußert.

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