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Herr oder Hüter der Liturgie

New Liturgical Movement hat in dieser Woche den ersten Teil eines äußerst lesenswerten Artikels gebracht, in dem der polnische Philosoph Paweł Milcarek einige Entwicklungslinien und Grundprinzipien der Liturgiereformen des 20. Jahrhunderts nachzeichnet. Als einen dieser Grundzüge identifiziert er den „papalistischen Absolutismus“ in Angelegenheiten der Liturgie, den ja auch Joseph Ratzinger als Kardinal in seinem „Der Geist der Liturgie“ bereits heftig kritisiert hatte

Nach dem II. Vatikanum entstand der Eindruck, der Papst könne eigentlich alles in Sachen Liturgie, vor allem wenn er im Auftrag eines ökumenischen Konzils handle. ... Tatsächlich hat aber das I. Vatikanum den Papst keinesfalls als absoluten Monarchen definiert ... (ausführlicher hier).“

Zum Beleg zitiert Milcarek eine Passage aus der Rede von Cardinal Gaetano Cigogniani vor dem liturgischen Kongress in Assisi 1956, in der der Würdenträger den Papst tatsächlich in den höchsten Tönen zu preisen scheint: 

Hauptziel dieses Kongresses ist es daher, an unserem Auge vorbeiziehen zu lassen die bewundernswerte Tätigkeit unseres Hl. Vaters Pius XII. auf pastoralliturgischem Gebiet, und das im Geiste der ehrfürchtigen und treuen Anhänglichkeit, die jeder Gläubige dem erhabenen Hirten schuldet, der uns führt.“

Dieses Zitat ist in der Tat typisch für den Geist und die äußeren Formen die damals in weiten Bereichen der Kirche verbreitet waren. Es ist aber nicht typisch für die inhaltliche Position des Kardinals  in Hinblick auf die sich 1956 bereits abzeichnenden liturgischen Umwälzungen, denen er unter Berufung auf die päpstliche Autorität entgegentreten will, und es beschreibt erst recht nicht die Haltung der in Assisi versammelten  Vertreter der „pastoralliturgischen Bewegung“. In den Einleitungsworten und an anderen geeigneten Stellen ihrer Beiträge  lassen sie es nicht an geradezu byzantinistisch anmutenden Huldigungen für den „gesegnet regierenden obersten Hirten“ fehlen. Wo der Papst als „Oberster Brückenbauer“ ihnen in diesem Dokument in Formulierungen entgegenkommt und ihren Anliegen mit Freundlichkeit zu begegnen scheint, ergreifen sie mit dem kleinen Finger entschlossen die ganze Hand. Zur Sache selbst gehen sie mit der größten Unbekümmertheit über die von Pius XII in Mediator Dei festgeschriebenen Grundsätze der Tradition hinweg. 

Kardinal Cicogniani beansprucht die päpstliche Autorität unter Berufung auf die Aufgabe des Papstamtes als Hüter von Überlieferung und Tradition. Die „Reformer“ sehen im Inhaber dieses Amtes den absoluten Potentaten, der reden und tun kann, was er auch immer will - solange es ihren Plänen nicht in die Quere kommt.

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Die außerordentlich aufschlußreichen Beiträge des Kongresses liegen in deutscher Übersetzung vor in dem von Johannes Wagner herausgegebenen Band: Erneuerung der Liturgie aus dem Geist der Seelsorge unter dem Pontifikat Papst Pius XII - Akten des Ersten Internationalen Pastoralliturgischen Kongresses zu Assisi. Erschienen 1957 im Paulinus-Verlag Trier.

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