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Zwiespältiges bei Rahner

Zu unsere Erwähnung der verächtliche Haltung von Karl Rahner gegenüber den Anhängerrn der überlieferten Liturgie haben uns gleich drei Zuschriften erreicht, die darauf aufmerksam machen, daß Rahner selbst bis zum Ende seines Lebens stets in der alten Form zelebriert habe - zumindest bei seinen täglichen „Privatmessen“. Was auf den ersten Blick widersprüchlich erscheint, lässt sich allerdings mit geringer Mühe erklären oder zumindest verständlich machen.

Ein ganz wesentliches Motiv Rahners, bei der ihm vertrauten Form der Zelebration zu bleiben, dürfte ein Gefühl gewesen sein: Quod licet jovi, non licet bovi. Leute seiner Statur hatten die neue Form nicht nötig, um endlich zum rechten Verständnis der Messe zu kommen. Dieser Gedanke war dem gerade 65 Jahre alt gewordenen berühmten Gelehrten sicher sympatischer als die Berufung auf Nr. 19 der  Instructio de constitutione Apostolica »Missale Romanum« gradatim ad effectum deducenda vom 20. Oktober 1969, in der es heißt: „Priester in fortgeschrittenem Alter, welche die Messe ohne Volk feiern, und die vielleicht größere Schwierigkeiten mit dem neuen Ordo Missae und den zu verwendenden Texten des Missale Romanum und der Leseordnung in der Messe haben, können, mit Zustimmung des eigenen Ordinarius, die jetzigen Riten und Texte weiter gebrauchen.“

Dennoch bleibt dieser Abschnitt natürlich wichtig für das Verständnis des wesentlichen Inhalts der Reform: Das alte Missale wurde nicht aus Gründen der Lehre verworfen und abgeschafft, sondern seine Verwendung wurde disziplinär allgemein aufgehoben, konnte jedoch weiterhin - wenn auch unter Einschränkungen - gestattet werdene. Es blieb also rechtlich bestehen - so wie bei der Einführung des Missale von 1570 in Quo primum die älteren Riten - sofern sie länger als 200 Jahre praktiziert wurden und daher als rechtgläubig gelten konnten  - ausdrücklich anerkannt wurden.

Doch zurück zu Rahner. Die berechtigte Kritik an diesem Wegbereiter der Modernisierung des Glaubens und der Säkularisierung darf nicht dazu führen, ein undifferenziertes Bild zu entwerfen, das ihn als womöglich absichtsvollen und planmäßigen Verderber der Kirche darstellt. Ein solcher Vorwurf kann sich schlimmstenfalls gegen die Adepten und Nachbeter richten, die an seinen oft zweifelhaften Orakelsprüchen festhalten, obwohl deren destruktive Potenzen inzwischen deutlich erkennbar sind. Diese Potentiale finden sich jedoch nicht in allen seinen Schriften. Um eine zu anzuführen, die besonders zum Thema passt: Der kleine 1950 erschienene  Band "Die vielen Messen und das eine Opfer" zeigt ein tieferes und weitaus orthodoxeres Verständnis vom bereits damals heftig umstrittenen Charakter des hl. Messopfers als das seitdem in der aktuellen Modetheologie geläufig gewordene.

Gut möglich also, daß der Priester Karl Rahner sich wie so viele seiner Amtsbrüder schwer damit tat, in den intimsten Momenten des priesterlichen Lebens in der neuen Form der Liturgie die geistlichen Kraftquellem wieder zu finden und für sich und andere nutzbar zu machen, die ihm erst die Führung dieses Lebens ermöglichten. Nicht alle, die nach 1970 zumindest heimlich bei der überlieferten Form blieben, taten das aus Opposition zum Papst und der von ihm angeordneten Revolution: Sie konnten einfach nicht anders. Und damit sind wir bei einem der traurigsten und bisher am wenigsten thematisierten Kapitel der großen pastoralen Kulturrevolution: Was für ein Verständnis vom seelischen Leben frommer Menschen muß man eigentlich haben, um mit solcher Unerbittlichkeit in die bis dahin von der Kirche geformten und vorgegebenen innersten Vollzüge des Gebetes von Priestern und Gläubigen einzugreifen, wie die Entwickler und Exekutoren dieser Reform es getan haben?

Der ehedem viel zitierte Fleischerhund muß demgegenüber von ausgesprochen zartfühlendem Gemüt gewesen sein. 

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