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Schlicht bis zur Selbstabschaffung

Bild: Grathethrougfaith.com

Das zensierte Evangelium IV. 

An Tagen, die keine aktuellen Themen aus der Welt der katholischen Tradition bieten, fahren wir fort mit der Vorstellung von Perikopen der Fastenzeit, die die Liturgiereformer 1969 ersatzlos aus dem Missale Romanum getilgt haben. Der Quatember-Samstag in der ersten Fastenwoche bietet hier besonders reiche Beispiele – hatte die überlieferte Liturgie an diesem Tag doch insgesamt sieben Lesungen: Fünf Perikopen aus dem Alten Testament, als Epistel einen Ermahnung des hl. Paulus zum Leben nach den Geboten aus dem 1. Brief an die Thessaloniker und als Evangelium den Bericht des Matthäus von der Verklärung des Herrn. Überwölbendes Thema all dieser Schriftstellen ist die Macht und Glorie des Allmächtigen, der seinem Volk das Gesetz des Bundes gab und es für dessen Einhaltung mit reichen Gaben belohnt.

Von alledem ist in der erneuerten Liturgie nichts geblieben. Der selbstauferlegte Systemzwang veranlasst die Liturgiereformer, auch diesen Tag in ihr Werktagsschema von zwei Lesungen zu pressen. Für die erste übernahmen sie – in stark gekürzter Form – die erste Lesung der überlieferten Liturgie, das Evangelium präsentiert neu die Perikope aus dem Mathäusevangelium über die Feindesliebe. Der damit ursprünglich gegebene besondere Bezug zur Bundestreue Gottes und seines Volkes geht damit verloren. Die mit der Reform als Perikopen weggefallenen Schriftstellen tauchen nach der hier bereits mehrfach zitierten Untersuchung von Matthew Hazell teils in verändertem Umfang irgendwo außerhalb der Fastenzeit auf, zwei sind im erneuerten Missale überhaupt nicht zu finden.

Dabei handelt es sich ausgerechnet um zwei Schriftstellen, die zwei der bedeutendsten Hymnen des alten Bundes enthalten, die außerhalb des Psalters überliefert sind. Man tut den Liturgieingenieuren des Consiliums sicher kein Unrecht, wenn man das darauf zurückführt, daß sie von Dichtung und Poesie noch weniger Ahnung hatten als von allem anderen, was in der Liturgie zum Herzen der Menschen sprechen kann.

Hier zunächst die erste weggefallene Perikope aus dem 2. Buch der Makkabäer (1,23-26,27), wieder in der Übersetzung von Allioli:

Es verrichteten aber alle Priester ein Gebet, während das Opfer verzehrt ward, indem Jonathan anstimmte, und die übrigen nachsangen, und Nehemias betete auf folgende Weise:

Herr, Gott, Schöpfer aller Dinge, der Du furchtbar und stark, gerecht und barmherzig, allein der gute König bist, allein vortrefflich, allein gerecht, allmächtig und ewig, der Du Israel rettest aus allem Übel, der Du die Väter zu Auserwählten machtes und sie heilgtest; nimm an das Opfer für Dein ganzes Volk Israel, und bewahre und heilige Dein Erbe, damit die Heiden erfahren, daß Du unser Gott bist.

Im Original des Buches der Makkabäer ist der Hymnus noch ausführlicher wiedergegeben, dort heißt es nach „und heilige Dein Erbe“:

Versammle unsere Zerstreuten, befreie die, so unter der Dienstbarkeit der Heiden sind, und sieh gnädig auf die Verachteten und Geschmähten, damit die Heiden erfahren, daß Du unser Gott bist. Strafe, die uns unterdrücken und mißhandeln im Übermut. Setze fest Dein Volk an Deinem heiligen Orte, wie Moses gesagt.

Die Priester aber sangen Lobgesänge, bis das Opfer verzehrt war.

Das klingt im ersten Teil wie die Lobpreisungen des Gloria in Excelis und lässt im zweiten, für die Perikope gestrafften Teil bereits die Offertoriumsgebete der überlieferten Liturgie anklingen. Die freilich wurden von den Reformern ja völlig umgestalte und umgedeutet, und auch das Gloria, das das tatsächlich erst unter fränkischem Einfluss zum regulären Bestandteil der römischen Liturgie wurde, sollte nach ihren weitreichenden Plänen gestrichen werden. Keinerlei Rücksicht auf das ansonsten doch angeblich so hoch gehaltene Erbe des Alten Testaments. Stattdessen würdelose Schlichtheit bis zur Selbstabschaffung.

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