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Der Usus von Sarum/Salisbury

Bild: Screenshot aus dem Video aus Str. ThomasIn unserem Nachtrag zu Lichtmess hatten wir am Rande erwähnt, daß in der katholischen St. Patrick-Kirche in Philadelphia am Vorabend des Festes eine Vesper im Ritus von Sarum (Salisbury) gefeiert worden ist. Unser Versuch, dem Wie und Weshalb nachzugehen, hat bemerkenswerte Zwischenergebnisse gebracht. Dieser Lokalritus des mittelalterlichen England erfreut sich in der angelsächsischen Welt zunehmenden Interesses. In erster Linie bei Anglikanern und Episkopalen mit konservativen liturgischen Neigungen – was leider nicht unbedingt auch traditionsorientierte theologische Ansichten bedeutet.

Für den katholischen Bereich, der in der angelsächsischen Welt und vor allem in England selbst ja eher schwach ausgebildet ist, gilt das nur sehr eingeschränkt: Zwar hat der früher auch als Blogger aktive Fr. Sean Finnegan mit wissenschaftlicher Arbeit zur Erschließung von Texten und Formen des Ritus einen großen Beitrag geleistet, und er hat auch bereits 1996 erstmals in der Kapelle des Merton College von Oxford eine hl. Messe nach den Büchern von Sarum gefeiert – am Fest Mariä Lichtmess, dessen Proprium er als erstes rekonstruiert hatte. Der zuständige Bischof hatte keine Einwände, aber nach einer ungeschickten, vielleicht auch böswilligen Anfrage eines „Mitwissers“ in Rom ergaben sich Probleme, die schließlich schon ein Jahr später zur Einstellung aller dahingehenden Aktivitäten im Kreis um Fr. Finnegan führten.

Später hat Bischof Mario Conti von Glasgow im Jahr 2000 noch einmal ein Sarum-Pontifikalamt im schottischen Aberdeem gefeiert, wo dieser Ritus allerdings keine historischen Wurzeln hat. Seitdem ist, zumindest offiziell, von katholischen Priestern keine Messe mehr im Usus von Sarum zelebriert worden. Auch im Missale des 2009 errichteten Ordinariats U.L.F. von Walsingham, das eine ideale Heimstatt für diesen Ritus hätte bieten können, hat Sarum nur schwache Spuren hinterlassen.

Umso intensiver haben sich seitdem nicht-katholische Gemeinschaften mit dieser vorreformatorischen Liturgie beschäftigt. Hier geht es weiter Das reicht von anglo-katholischen Gemeinden wie St. Thomas, Huron Street, in Toronto bis zu durchaus zweifelhaften Unternehmungen wie der weder von Anglikaner noch Katholiken anerkannten „Anglican Catholic Church“ eines Fr. Anthony Chadwick, der diesen Ritus in seiner Privatkirche in einem Dorf an der französischen Kanalküste pflegt. Chadwick, von dem wir nicht wissen, ob er tatsächlich gültig zum Priester geweiht ist, hat sogar ein halbstündiges Trainingsvideo zur „Stillen Messe“ nach Sarum ins Netz gestellt. Wie zuverlässig das ist, können wir nicht beurteilen, aber die Stille Messe ist ohnehin nicht geeignet, einen Eindruck vom formalen Reichtum dieser Liturgie zu vermitteln. Das gelingt schon besser bei einem Levitenamt mit vorangehender Kerzenweihe  in der erwähnten (anglikanischen) Thomas-Kirche von Toronto, deren gar nicht so kleiner Altarraum doch bei weitem nicht groß genug erscheint, um den zahlreichen Mitwirkenden von Chor, Altardienst und Klerus genügend Raum zur Aufstellung zu bieten – von den Prozessionen ganz zu schweigen.

Nur als Kuriosum am Rande sei erwähnt, daß auch die wenigen ehemals katholischen Gemeinden in Nordamerika, die sich im Widerstand gegen die Liturgiereform Pauls VI.unter das Dach des „Vikariates für den westlichen Ritus“ des orthodoxen Patriarchats von Antiochien geflüchtet haben, Experimente mit dem Ritus von Sarum veranstalten. Sie haben ihr „Missale Romanum“ nicht nur – etwa durch Streichung des „Filioque“ im Credo und Einfügung einer besonderen Epiklese und anderer Elemente „byzantinisiert“ - sondern versuchen auch, durch Rückgriffe auf Sarum eine Form der Liturgie zu gewinnen, die vermeintlich bis in die Zeit vor dem großen Schisma zurück reicht. Vermeintlich, weil Sarum definitiv jünger ist als das 11. Jahrhundert.

Was die katholische Kirche im Drang, ihre Traditionen zu vergessen, aufgegeben hat, verschwindet also nicht einfach, sondern wird von anderen Händen – oft nicht den saubersten – aufgegriffen. Wir haben es am spektakulärsten bei der Gregorianik beobachtet, die kaum, daß sie von der Kirche als unzeitgemäß abgestoßen worden war, in der Popmusik ein Comeback erlebte.

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Einen großen Teil der hier verarbeiteten Informationen verdanken wir dem Artikel The Ligitimacy of the Sarum Use von „The RadTrad“, den wir sehr zur Lektüre empfehlen.

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