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Das Epistelbuch von Versailles

Bild: Aus dem im Text genannten Digitalisat der BNFIn Ergänzung unseres Beitrages vom 7. Februar zum Evangeliar der königlichen Kapelle zu Versailles sei hier kurz darauf hingewiesen, daß Gregory Dipippo jetzt auch das dazu passende Epistelbuch vorgestellt hat. Es stammt offenbar von der gleichen Hand oder zumindest aus der gleichen Werkstatt wie das Evangeliar, und es ist ebenfalls wie dieses in digitalisierter Form vollständig im Netz abrufbar.

Diese Vorstellung gibt Gelegenheit zu einem zweifachen Hinweis. Das „Missale“, in dem sämtliche zur Feier der hl. Messe erforderlichen Texte in einem Buch zusammengefasst, hat sich zwar seit dem Aufkommen der (nicht der stabilitas loci verpflichteten) Bettelorden im 13. Jahrhundert schnell als die Hauptform der Textvorlage für die Messfeier durchgesetzt. Spätestens seit der nach-tridentinischen Reform unter Pius V. sind die Messtexte auch nur noch in dieser Form des geschlossenen Missales approbiert worden. Das hat jedoch nichts daran geändert, daß aus praktischen Gründen immer wieder Auszüge aus diesem Missale hergestellt und auch gedruckt worden sind, um die Texte für feierliche Liturgien dem Diakon und Subdiakon in „tragbarer“ Form zur Verfügung zu stellen. Umfang und Zusammensetzung dieser Auszüge können je nach den praktischen Anforderungen (und finanziellen Möglichkeiten) variieren. Die Versailler Exemplare realisieren nur eine von mehreren Varianten.

Davon grundsätzlich zu unterscheiden sind die Lektionare für den Novus Ordo, die keine Auszüge aus dem Messbuch darstellen, sondern ein eigenes und wegen der komplizierten Lesezyklen sehr umfangreiches Opus bilden, das eine unentbehrliche Ergänzung zum neuen Messbuch darstellt. Die nationalsprachlichen Fassungen dieses Lektionars werden von den Bischofskonferenzen erarbeitet und von Rom rekognosziert.

Zweite Anmerkungen: Die öffentlich zugänglichen „Digitalversionen“ der Versailler Lektionare sind Ausdruck einer überaus erfreulichen Entwicklung des Bibliothekswesens in den vergangenen 10 - 20 Jahren: Immer mehr alte Drucke und Handschriften, die oft weltweit nur in wenigen oder einem einzigen Exemplar vorhanden sind, sind über das Internet zugänglich gemacht worden. Die Versailler Lektionare sind dafür noch nicht einmal ein besonders gutes Beispiel, weil es sich dabei nicht um volle Digitalisate (mit der Möglichkeit zur elektronischen Durchsuchung desTextes) handelt, sondern lediglich um Photo-Facsimiles in einem relativ bescheidenen Abbildungsmaßstab. Wie weit die technischen Möglichkeiten hier inzwischen gehen, ist an der Online-Zusammenführung des in der realen Welt an drei verschiedenen Orten hinter Panzertüren liegenden „Codex Sinaiticus“ zu sehen. Einige für die Forschung besonders interessante Bücher wie z.B. das im Original kaum auffindbare vortridentinische „Missale secundum consuetudinem curiae romanae“ sind inzwischen als hochwertige Photo-Facsimiles sogar auf CD zu bekommen – bei Ebay für 15$.

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