O Gott, die Heiden sind über uns
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- 05. Juni 2020
Der 5. Juni ist – sofern er nicht wie in diesem Jahr von einem anderen Fest verdrängt wird – Festtag des hl. Bonifatius (673-754), des ersten Apostels der Deutschen. Das Martyrologium Romanum (approbatio 1928) berichtet über ihn:
Im Friesenland (Todestag, d.h. Himmlischer Geburtstag) des hl. Bonifatius, Bischofs von Mainz und Märtyrers. Er was aus England nach Rom gekommen und dort vom seligen Papst Gregor II. nach Germanien geschickt worden, damit er jenen Völkern das Evangelium predige, und hatte dort eine große Zahl von Menschen, insbesondere bei den Friesen, dem christlichen Glauben unterworfen. Daher verdient er zu Recht , Apostel der Deutschen genannt zu werden. Bei einer erneuten Reise nach Friesland wurde er zusammen mit seinem Mitbischofsamt Eoban und seiner Begleitung von den wilden Heiden mit dem Schwert getötet und vollendet so das Martyrium.
Dieser knappe Text – er stützt sich auf die etwa um 800 entstandene Lebensbeschreibung des Chronisten Willibald – fällt auf durch eine äußerst unsensible und von keinerlei Bereitschaft zum Dialog geprägte Sprache: das Evangelium predigen, dem Glauben unterwerfen, wilde Heiden – was sind das für Ausdrücke, da sind wir heute doch weiter. Und dabei verschweigt das Martyrologium noch den stärksten Auftritt des Heidenmissionars nach dem Bericht des Willibald, nämlich die Fällung des germanischen Heiligtums der Donareiche. Diese stand freilich nicht in der Gegend, die wir heute als Friesland bezeichnen, sondern im heute thüringischen Geismar, im Eichsfeld, jenem Gebiet also, das sich zu DDR-Zeiten durch besonders katholischen Starrsinn auszeichnete.
Mit diesen Sätzen begannen wir 2016 unseren Artikel zum Festtag des Apostels der Deutschen, den Sie vollständig hier nachlesen können.
Inzwischen ist immer deutlicher geworden, daß die Fällung der Donareiche bestenfalls einen zeitweiligen Sieg des Christentums über die neuerdings gewaltig anschwellenden Kräfte von Heidentum und Barbarei bedeutet hat. Armin Schwibach hat dazu heute auf kath.net den Zusammenhang mit den Pachamama-Umtrieben im Herzen der Kirche im vergangenen Jahr hergestellt, und in diesem Zusammenhang zitiert er den vollständigen Text der großen Katechese, die Papst Benedikt am 11. März 2009 auf St. Bonifatius gehalten hat. Außerdem erinnert er an einen Aufsatz des jungen Theologen Ratzinger, den dieser im Jahr 1958 unter dem Titel „Die neuen Heiden und die Kirche“ veröffentlicht hatte. Beides überaus lesens- und bedenkenswert. Und ebenso aktuell wie unsere heutige Überschrift, die wir uns von unserem eigenen Artikel über den Fall von Konstantinopel ausgeliehen haben. Die Heiden sind über uns, die Heiden sind unter uns - und das Fällen von Donareichen, das Im-Tiber-Versenken von Götzenbildern und die Errichtung eines Kreuzes auf der Kuppel eines rekonstruierten Berliner Stadtschlosses sind ja sowas von Gestern.
Was also fangen wir an mit einem Heiligen wie Bonifatius, dem die Kirche in Deutschland so viel zu verdanken hat - und der doch nicht verhindern konnte, daß die Bewohner dieses Landes unter freundlicher Anleitung ihrer Bischöfe sich erneut dem für ein Jahrtausend zurückgeworfenen Heidentum zuwenden? Uwe C. Lay erwägt in seinen Nachtgedanken einen überaus bedenkenswerten Vorschlag: „Muß Bonifatius exkommuniziert werden?“