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O Maria hilf! – im Durcheinander des 1. Mai

Gedanken von Baldassare Stella

Bild: Baldassare StellaSeit heidnischen Zeiten wird am ersten Tag des Mai in vielen Regionen der Frühling, die Fruchtbarkeit und die Freude gefeiert, so im süddeutschen Raum mit dem geselligen Aufstellen von Maibäumen. Doch Ende des 19. Jahrhunderts ist der 1. Mai als Kampftag für Arbeit, gegen Anstrengungen und im Aufstand für Kommunismus, Sozialismus – mal international, mal nur national– und vieles mehr ins politische Leben eingezogen. Für was genau gestritten wurde, änderte sich oft und schnell. Die Unsicherheit, für was dieser Tag nun gut sein soll, hat leider in der Mitte des 20. Jahrhundert auch Einzug in die katholische Liturgie gehalten, die sich bis dahin die Souveränität ihres Kalenders bewahrt hatte.

Die Kalenden des Mai zierte seit dem 6. Jahrhundert das Märtyrerblut der heiligen Apostel Philippus und Jakobus und dies blieb so über ein Jahrtausend lang bis 1955. Pius XII. legte damals das neu geschaffene Fest vom hl. Joseph, dem Mann der Arbeit, auf den 1. Mai und ersetzte damit zugleich das Fest vom hl. Joseph, dem Schutzherrn der universalen Kirche (wie jüngst hier dargestellt). Das Apostelfest verlegte er auf den nächstbesten freien Tag, den 11. Mai.

Doch was ist daran schlimm? Der Paradigmenwechsel. Es war gute römische Praxis den Spielplan des theatrum sacrum nicht zu verändern, sondern nur zu bereichern und selten zu entrümpeln. Für dieses Prinzip vorbildhaft sind in den Reformbestreben von Papst Pius X. die Reduzierung der Sonntagsfeste, so z. B. durch die Verlegung des Festes vom hl. Joseph, dem Schutzherrn der Kirche, vom 3. Sonntag nach Ostern auf den Mittwoch davor, sowie die pastoral feinfühlige Möglichkeit von deren äußeren Feier (in foro) an einem Sonntag, besonders prominent ist bis heute das Rosenkranzfest am ersten Sonntag im Oktober.

Ein weiteres hohes Fest, welches dieses Jahr auf den 1. Mai fällt, ist das der Schutzfrau Bayerns. Mit diesem Fest der bayerischen Diözesen läßt sich die Problematik dieses Tages noch besser aufzeigen. Das Fest der Patrona Bavariae wurde 1916 auf Bitten von König Ludwig III. durch Papst Benedikt XV. eingeführt und seit 1917 am ersten Samstag im Mai im Rang duplex I classis cum octava communi begangen, mit der äußeren Feier am darauffolgenden Sonntag. Bei der Terminwahl wurde in vielerlei Hinsicht sorgfältig vorgegangen, zum einen wurde es passenderweise in den Marienmonat Mai gelegt, zum anderen auf einen Samstag, der an sich bereits Maria gewidmet ist wie die Mittwoche den Patronen, und zudem ist es beweglich, wodurch es kein Fest mit einem von Ostern abhängigen oder im Kalender festen Termin dauerhaft verdrängt.

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Schnell erfreute sich dieses Fest großer Beliebtheit, weshalb es nicht verwunderlich ist, daß im altehrwürdigen Marienwallfahrtsort Altötting, dem katholischen Herzen Bayerns, an jedem Tag, an dem Votivmessen gestattet sind, die von der Patrona Bavariae genommen werden darf. Die große Stiftskirche neben der Gnadenkapelle ist aber den hll. Aposteln Philippus und Jakobus geweiht. Erscheint das nicht unpassend? Nein, im Gegenteil. Der Ort kann die Wallfahrtssaison und den Marienmonat solemniter mit dem Fest ihrer Kirchenpatrone beginnen – wie passend! Da wird den Gläubigen ein theatrum sacrum geboten, in dem der universale Kalender und die örtlichen frommen Gepflogenheiten zusammenspielen. Das war einmal.

Die internationale Arbeiterbewegung hat diese Harmonie selbst im kirchlichen Leben Bayerns zerstört. Seit 1955 wird am 1. Mai das Fest des hl. Joseph begangen, die Kirchenpatrone von Altötting wurden auf einen bedeutungslosen Termin abgeschoben und wenn der 1. Mai wie dieses Jahr ein Samstag ist, wird die Patrona Bavariae auf den 3. Mai verdrängt. Soll nun der Patron des katholischen Antikommunismus höher gewichtet werden als die Schutzfrau Bayerns? Ja, auch wenn es viele nicht wahrhaben wollen.

Wie konnte es so weit kommen? Unter dem Druck der veränderten politischen Verhältnisse – nach roter Räterepublik, Demokratisierung und nationalsozialistischer Gleichschaltung – erwirkten 1935 die bayerischen Bischöfe ein neues Officium und Meßformular zu Ehren der Patrona Bavariae, bei der Ritenkongregation. Die neuen Texte waren von allen Bezügen zu Königtum und den Wittelsbachern gesäubert worden, so hieß es beispielsweise zuvor in der Oration Deus, qui dilecti Filii tui Genetricem nobis Matrem ac Regni Patronam dignatus es …. Das Wort ‚Königreich‘ (regni) wurde ersatzlos gestrichen. Wer meint, das sei nur eine Anpassung an die neuen Gegebenheiten, der irrt und würde durch einen Blick in die Matutin, für den hier leider kein Platz ist, eines Besseren belehrt. Auf Bitten der Bischöfe wurde zudem die Festoktav „wegen anderweitiger Häufung der Oktaven in dieser Zeit aufgehoben“ - so Wilhelm Lurz in „Ritus und Rubriken der heiligen Messe“ (3. Aufl. 1952, S. 567). Eine Anbiederung an eine Mode der liturgischen Bewegung gegen Oktaven stufte das hohe Partikularfest der bayerischen Landespatronin auf den Rang duplex I. classis sine octava herab. So weit so gut, weil das Apostelfest von Philippus und Jakobus nur duplex II. classis ist, hat sich noch nicht viel geändert.

Aber Papst Pius XII. legte 1955 auf den 1. Mai das Fest S. Ioseph opificis im Rang duplex I classis (sine octava) und endgültig vollendet durch die Rubrikenreform von 1960 ist nun für die außerordentliche Form des römischen Ritus klar, daß wenn der 1. Mai auf einen Samstag fällt die Patrona Bavariae als Partikularfest in Bayern das Nachsehen hat und dem Universalfest weichen muß. Und weil durch die Rubrikenreformen die Sonntage aufgewertet wurden, wird das Marienfest in einem solchen Fall auf Montag, den 3. Mai, verlegt.

Nach den Rubriken von 1939, die gemeint sind, wenn von ‚vorpianisch‘ im Sinne von vor Pius XII. die Rede ist, und die sich immer größerer Beliebtheit erfreuen und teilweise durch Ecclesia Dei wieder gestattet wurden, man denke an die Kartage und noch ein paar Kleinigkeiten, hätte es folgendermaßen ausgesehen: Am Samstag, den 1. Mai, wäre in Bayern Maria als Patrona Bavariae sowohl mit Officium als auch mit Messe in choro geehrt worden. Am Sonntag, den 2. Mai, wäre sowohl die äußere Feier der Landespatronin (in foro) gestattet gewesen wie auch das Fest der hl. Philippus und Jakobus, da dieses als duplex II. classis einen Semiduplex-Sonntag verdrängt hätte, aber nicht ganz, denn sowohl der Sonntag als auch das Fest des hl. Athanasius und die Oktav von Patrona Bavariae wären kommemoriert und das Propriums-Evangelium des Sonntags wäre als Schlußevangelium gelesen worden. Für den von Vereinfachungen ernüchterten Katholiken wäre diese Fülle erst einmal zu viel, aber ein Liebhaber der römischen Liturgie würde einen solchen Tag genießen.

An sich wäre das Problem mit dem 1. Mai schon längst gelöst, wenn man im Gehorsam alle Reformen angenommen hätte. Doch wenn Gehorsam auf Unsinn trifft, braucht es Disziplin und die gibt es in Sachen Liturgie nicht mehr.
So hat die Freisinger Bischofskonferenz bei der Neuordnung des liturgischen Kalenders 1970 das Fest der Patronin Bayerns auf den 1. Mai festgesetzt und sich nicht um Joseph, den Arbeiter, geschert, dessen Hochfest in Bayern nun immer entfällt. Kommemorationen gibt es ja nicht mehr und eine Verschiebung ist für ein Heiligenfest auch nicht vorgesehen – schöne neue Liturgie.
Im Nachdruck des Schott von 1962, der im Jahr 2007 von der Petrusbruderschaft herausgegeben wurde, wurde im Anhang auf Seite [278a] bei den in Deutschland gefeierten Heiligenfesten unter dem 1. Mai – nicht dem ersten Samstag im Mai – das Fest der Patrona Bavariae eingefügt. Jedoch ist dort das 1916 eingeführte Meßformular Salve sancta Parens abgedruckt und nicht der neue, nun vorgeschriebene Text von 1935 Gaudeamus omnes. Mittlerweile ist der Terminfehler im Priesterseminar in Wigratzbad aufgefallen, denn dort feiert man seit einigen Jahren die Patrona Bavariae nicht mehr am 1. Mai.

Nicht nur in Bayern hat man Probleme mit den liturgischen Vorgaben für den 1. Mai, sondern selbst die Glaubenskongregation in Rom hat solche. Sie gestattet nämlich im von ihr herausgegebenen Ordo divini officii reditandi sacrique peragendi, wie seit wenigen Jahren, auch 2020 am 1. Mai für das Fest S. Ioseph opificis die Auswahl zwischen der eigentlichen Festmesse Sapientia und dem Formular der Votivmesse Adjutor, welches früher am abgeschafften Schutzfest des hl. Joseph verwendet wurde. Nun kann jeder Zelebrant selbst wählen, ob der hl. Joseph die Arbeiter oder die ganze Kirche schützen soll.

Die Problematik bei den dargestellten Vereinfachungen und Veränderungen im Zuge liturgischer Reformen sowie der Wahlfreiheit zwischen verschiedenen Formularen und, wenn es mit Absicht geschehen ist, dem Abdruck eines falschen Textes, liegt in der Demontage der liturgischen Vorgaben, des fein ausgetüftelten Spielplans des theatrum sacrum, welches uns die Heilsgeheimnisse im Laufe eines Kirchenjahres vor Augen führen soll. Die Konsequenz ist nicht nur Uneinheitlichkeit, die als ‚vel … vel‘ schöngeredet werden könnte, sondern in der Gefahr den kirchlichen Kult zu Gunsten privater Frömmigkeit umzuformen. Das Bedrohliche dabei ist, daß die Deformierung zum Privatkult bereits auf Ebene der Autorität stattfindet, indem sie die Regeln und Prinzipien der liturgischen Tradition und teilweise selbst geltende Vorgaben durch kuriose ‚Ausnahmen‘ mißachtet.

Anscheinend hatte Josef Stalin Recht, indem er der internationalen Kraft des Lateinischen der römischen Kirche die Schuld gab, daß der reale Sozialismus keine Fortschritte mache, und er darum Einfluß auf das Kardinalskollegium nehmen wollte, um – wie Georg Lohmeier (Zorn eines Christenmenschen, 1999) behauptet – das Latein der Kirche durch 120 Volkssprachen zu ersetzten und – wie ich ergänzend hinzufügen will – damit auch Einheitlichkeit und Disziplin in der Kirche aufzulösen.

Ave, maris stella,
Monstra te esse Matrem,
Vitam praesta puram,
Iter para tutum.

*

Corrigenda oder Richtigstellung zum Festtermin

Das Fest der Patrona Bavariae wurde ab 1917 in allen bayerischen Diözesen am 14. Mai (in choro) gefeiert und die äußere Feier (in foro) wurde am Sonntag in der Oktav von Christi Himmelfahrt begangen.
1927 wurde der Festtermin auf den ersten Samstag im Mai verschoben und die äußere Feier auf den darauffolgenden Sonntag.
1936 änderte man die Texte des Festes und hob die Oktav auf, aber der Termin blieb unverändert.

Quellen:
Amtsblatt der Erzdiözese München und Freising 1927 S. 51 n. 48.
Amtsblatt der Erzdiözese München und Freising 1936 S. 103 n. 49.
Blume, Clemens: Fest und Festgebete zur Feier Mariens als Schutzfrau Bayerns, Regensburg 1917.
Lurz, Wilhlem: Ritus und Rubriken der heiligen Messe, Würzburg 3. Aufl. 1952, S. 567 Anm. 74.

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