Der Katechismus Pius V.
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- 05. Mai 2021
Heute verzeichnet der überlieferte Kalender der Kirche den Festtag des hl. Papstes Pius V. In unseren bisherigen Artikeln zu diesem wohl bedeutendsten Papst der Jahrzehnte nach dem Konzil von Trient haben wir insbesondere die Rolle Michele Ghisleris (1505-1572) in der Liturgiegeschichte herausgestellt. Unter seiner Anleitung erhielten sowohl das Breviarium Romanum (1568) als auch das „Tridentinische“ Missale (1570) die Form, die dann bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts hinein verbindlich blieb. Einen ausführlicheren Beitrag dazu samt Links auf frühere Artikel brachten wir im vergangenen Jahr. Ein weiterer bedeutender Beitrag Pius V. zur Festigung von Gebet und Glauben der Kirche wurde hier bislang nur am Rande erwähnt: Der römische Katechismus des Jahres 1566, den der Papst auf der Grundlage der überlieferten Lehre und der Dokumente des Trienter Konzils erarbeiten und veröffentlichen ließ.
Die Erinnerung an dieses dritte große Werk, das zwar inzwischen grundlegend erneuert und auch fortgeschrieben, aber in keiner Weise veraltet, überwunden oder gar „abgeschafft“ ist, erscheint umso notwendiger, als die Katechismen (es gibt mehrere in verschiedenen Sprachen und in der Auswahl des Materials der historischen Situation oder einer pastoralen Zielsetzung angepasst) in der dem Zeitgeist unterworfenen Theologie und Pastoral praktisch keine Rolle mehr spielen. Der Münsteraner Lehrstuhlinhaber und Baby-Häretiker Michael Seewald hat dieser Tage sogar gemeint, den Katechismus als ein „unverbindliches Angebot“ klein reden zu können, das sowohl seitens der Wissenschaft als auch der Gläubigen keine besondere Beachtung verdiene – eine verdiente Zurückweisung dieser Anmaßung gibt es auf kath.net. Doch Aussagen zum Glauben gewinnen ihre Autorität und Verbindlichkeit tatsächlich nicht dadurch, daß sie in einem Katechismus stehen, sondern sie stehen in einer als Katechismus bezeichneten Sammlung, weil sie schon vorher als Dogmen oder verbindliche Aussagen des Lehramtes zum zentralen Glaubensgut der Kirche gehören.
Der Katechismus des Jahres 1566 war die erste derartige Sammlung des Glaubensgutes, die in systematischer Form zusammengestellt wurde, um den Priestern in der Seelsorge, aber auch Lehrern an Schulen für das Volk und anderen Bildungseinrichtungen, einen praktikablen und zuverlässigen Zugriff auf die Glaubensaussagen zu ermöglichen. Das Werk ist in vier Teile gegliedert.
Der erste stellt die grundlegenden Glaubensartikel zusammen: Den Glauben an den einen Gott und Erschaffer der Welt, an seine Natur in drei Personen, an die Erlösung durch Christus, den Sohn – kurz: in ausführlicher Form das, was in knappster Raffung im Glaubensbekenntnis enthalten ist.
Der zweite Teil behandelt unter ausführlichen Begriffsbestimmungen die Lehre von den Sakramenten, ohne selbst dem, was die Kirche aus dem Zeugnis der Schrift entfaltet hat, irgend etwas hinzuzufügen oder wegzunehmen. Entsprechend den Zeitumständen hat dabei die Zurückweisung der von den Reformatoren verkündeten Irrlehren besonderes Gewicht.
Der dritte behandelt das göttliche Gesetz , wie es aus den Gesetzen Gottes für das Volk Israel, aus den 10 Geboten und dem natürlichen Gesetz hervorgeht und durch die Natur und die Offenbarung mit dem menschlichen Verstand erkannt werden kann.
Der vierte Teil handelt – Originalton - „Vom Gebete und besonders von der Notwendigkeit desselben“. Dabei folgt er insbesondere dem Beten und Bitten des „Vaterunser“ - weniger im Sinne einer Kommentierung des Textes, sondern um seine einzelnen Verse zum Anlaß zu nehmen, die damit zusammenhängenden Glaubensinhalte und zum Teil auch Glaubenshilfen zu explizieren. Dabei findet das „und führe uns nicht in Versuchung“ so reichhaltige Erklärung, daß wirklich schwer zu begreifen ist, warum viele darin ein Problem sehen wollen, das nur durch verfälschenden Eingriff in die überlieferte Textgestalt aus der Welt geschafft werden kann.
In der Grundstruktur folgt auch der Katechismus der Katholischen Kirche von 1993 dieser Anordnung, wenn auch die Gewichte teilweise anders gesetzt werden und insbesondere die Zitierweise einem moderneren und „wissenschaftlicheren“ Verständnis angepasst ist. In den Grundaussagen gibt es keine Veränderungen – es kann sie nicht geben. Allerdings wird sowohl am Umfang der Behandlung einzelner Themen als auch an deren „Tonart“ stellenweise erkennbar, daß die modernen Redaktoren den Herausforderungen ihrer Zeit nicht immer aus der Glaubensgewißheit heraus antworten, in der das ihre Vorgänger im 16. Jahrhundert vermochten. Von daher lohnt es sich auch heute im Zweifelsfall, auf den Katechismus des Jahres 1568 zurückzugreifen, den der hl. Papst Pius V. der Kirche als wertvolles Erbe hinterlassen hat.
Das Werk ist in vielen Sprachen und zahllosen Ausgaben und auch auf deutsch antiquarisch leicht erhältlich. Eine Online-Version fanden wir bei herzmariae.blogspot.com, wo auch andere Grundlagenwerke, darunter der Katechismus des Petrus Canisius, abrufbar sind.