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Heiliger Pius V., bitte für uns

Heute begeht die Kirche den Gedenktag des heiligen Papstes Pius V. Die großen Reformen im Auftrag des Konzils von Trient, das im Dezember 1563 noch unter Papst Pius IV. abgeschlossen worden war, konnten größtenteils erst unter Pius V., der ihm 1566 nachfolgte (gest. bereits 1572, heiliggesprochen 1712), umgesetzt werden. Er ließ 1566 den Römischen Katechismus veröffentlichen, 1568 eine Neufassung des Römischen Breviers und 1570 das Missale Romanum, das dann für die nächsten 400 Jahre Richtschnur für die Liturgie der Heiligen Kirche war.

Beim Brevier ebenso wie beim Missale gingen die mit der Durchführung der Reform beauftragten Gelehrten keinesfalls davon aus, „Anpassungen an die Erfordernisse der Gegenwart“ vornehmen zu sollen oder gar Neuerungen vornehmen zu können. Das Ziel war, die durch die reformatorischen Wirren entstandenen und mit dem Aufkommen des Buchdrucks verbreiteten Irrtümer und Unsicherheiten zu beseitigen und dem Gottesdienst der Kirche wieder eine in allen Punkten ihrer Lehre und Tradition entsprechende Grundlage zu geben.

Pius V. bzw. die von ihm beauftragten Überarbeiter lösten diese Aufgabe auf zwei Wegen. Zunächst stellten sie für das Missale Romanum einen gesicherten Text her. Dazu stützten sie sich im Wesentlichen auf das „Missale secundum consuetudinem romanæ curiæ“, das erstmals 1474 in Mailand gedruckt worden war und sofort weite Verbreitung gefunden hatte. In einer Version von 1501 ist es auch Online zum Download verfügbar. Dieses Missale unterscheidet sich nicht wesentlich von seinen Vorgängern aus dem 12. und 13. Jahrhundert. In seinem Kernbestand (d.h. vor allem dem Canon) geht es bis auf die Zeit vor Papst Gregor d. Großen zurück – das von Pius V. für die ganze Kirche festgestellte Missale ist also alles andere als eine Neuschöpfung. Insoweit ist die Rede vom „Missale von Trient“ etwas irreführend - das Missale Pius V. ist das Meßbuch der lateinischen Kirche vom frühen Mittelalter bis in die Gegenwart.

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Zum zweiten waren sich die Reformer des 16. Jahrhunderts jedoch auch durchaus dessen bewußt, daß es neben dem „Gebrauch der Kurie“ noch zahlreiche andere theologisch unbedenkliche gute liturgische Traditionen in der Kirche gab. Zu nennen sind hier einmal die Ordenstraditionen und zum anderen die besonders an den Kathedralen großer Bischofssitze ausgebildeten Sondertraditionen, die man besser als „usus“ denn als „ritus“ bezeichnen sollte. Pius V. verzichtete also in der Einführungsbulle Quo Primum zum Missale darauf, die neue Redaktion für einzig- und alleinverbindlich zu erklären, sondern erlaubten zusätzlich die Verwendung der Missale und der Usus von Orden oder Ortskirchen, die seit mehr als 200 Jahren ununterbrochen und unbeanstandet in Gebrauch waren. Auch diese durften jedoch das neue Messbuch verwenden und machten davon in der Folgezeit vielfach Gebrauch, so daß die lokalen Formen im Lauf der folgenden Jahrhunderte großenteils untergingen.

Quo Primum wendet sich in zeittypisch starken Worten gegen jeden zukünftigen Eingriff in das soeben promulgierte Missale, damit war jedoch offensichtlich nicht gemeint, daß Text und Rubriken künftig in keiner Weise verändert oder ergänzt werden könnten. Eine erste tief in die Form eingreifende Änderung erfolgte tatsächlich bereits 12 Jahre nach der Promulgierung, als mit der Kalenderreform Gregors XIII. die entsprechenden Vorgaben des Missale auf die neue Zähl- und Berechnungsweise umgestellt wurden. Auch Gregors Nachfolger Clemens VIII. und Urban VIII. ließen neue Ausgaben erstellen, die sich freilich auf die Einfügung neuer Heiligenfeste und die Korrektur offensichtlicher technischer Fehler beschränkten. Der Canon Missae blieb bis zur Aufnahme des hl. Joseph ins Communicantes 1962 absolut unverändert.

Sinn und Wert dieser Einfügung von 1962 sind diskutierbar - ihre Rechtmäßigkeit ist schwerlich zu bestreiten. Allerdings bildete sie mit ein Einfallstor für die an die Substanz gehenden Veränderungen der folgenden Jahre, die schließlich zum Novus Ordo von 1969 führten. Die faktische Abschaffung des römischen Kanons durch die Praxis der Liturgierevolution nach 1965 und deren Begründung in der universitären Liturgiewissenschaft  bedeutet einen unerträglichen Bruch in der liturgischen Tradition und hat viel dazu beigetragen, Gottesdienst und Lehre der Kirche innerhalb weniger Jahrzehnte bis zur Nicht-Wiedererkennbarkeit zu verändern. Man kann mit guten Gründen daran zweifeln, daß da, wo der unter Pius V. festgestellt römische Kanon abgelehnt wird, noch der Gottesdienst der römischen Kirche stattfindet.

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Der Beitrag ist eine überarbeitete Fassung unseres Artikels zum Tage von 2014. Weitere Beiträge zum Wirken von Pius V.:

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