Bereichsnavigation Themen:

Die wunderbare Ölvermehrung

Bild: ArchivNach dem Montag in der dritten Fastenwoche bringt auch der Dienstag eine der Erzählungen um Elisäus, und zwar aus dem 4. Kapitel des IV. Buches der Könige, das eine kleine Sammlung von Wundergeschichten um den Propheten enthält. Man muß sich das Leben solcher Propheten – zumindest, solange sie nicht die Gunst eines Fürsten erlangt hatten und an dessen Hof berufen worden waren – wie das eines Einsiedlers oder auch Wanderpredigers vorstellen, der nach seiner Berufung eine kleine Gemeinde um sich versammelte, von deren Gaben, und erforderlichenfalls auch unter deren Schutz, er lebte. Ähnlichkeiten mit dem, was wir über die Lebensumstände des Vorläufers Johannes ( Joh. 1, 21) oder von Jesus selbst (Joh. 1, 23), wissen, sind keinesfalls zufällig und durchaus erwünscht. Zu einem solchen Propheten mit Namen Elisäus kam also eines Tages die Witwe eines Mannes aus der Gemeinde, der seiner Frau nichts als Schulden hinterlassen hatte und dessen Gläubiger nun drohte, die beiden Söhne der Frau in die Schuldknechtschaft zu verkaufen. Eine Witwe ohne Söhne – das bedeutete ein schweres Schicksal. Grund also für Elisäus – der der Frau möglicherweise nie zuvor begegnet war, denn Propheten waren Männersache – sich der Frau zu erbarmen und auf Hilfe zu sinnen.

Aber wie? Geld hatte er nicht – niemand vom einfachen Volk hatte damals nennenswert Geld, es war schon schwer genug, die in Münze zu errichtende Steuer aufzutreiben. Und Elisäus war, wie aus der vorhergehenden Perikope zu erfahren war, allen irdischen Reichtümern abgeeneigt.

Hier geht es weiter Doch wie eine alte jiddische Anekdote weiß: "Was soll der Herr, gepriesen sei sein Name, nehmen vom guten Bar, wann er kann tun a Wunder?", gingen auch die Gedanken von Elisäus genau in diese Richtung. Freilich geschehen Wunder nicht in der reinen Luft – sie brauchen den Glauben und das Vertrauen derer, denen geholfen werden soll, und sie verlangen nach einer Materie, an der sie wirksam werden können. Daher fragt der Prophet, der vom Glauben der Frau offenbar bereits überzeugt war, was Sie denn so im Hause hat. Nicht viel – etwas Öl. Und so schickt er sie mit dem Auftrag nach Hause, zusammen mit Ihren Söhnen soviele Gefäße aufzutreiben, wie es nur irgend geht, und sie mit dem wenigen Öl, das sie hat, anzufüllen: Sie tut es, ohne Zweifel und ohne Rückfrage, und siehe da der kleine Krug spendet Öl, bis all die großen Krüge und Kannen voll sind. Genug, um die beiden Söhne vor der Schuldknechtschaft zu bewahren und den weiteren Lebensunterhalt der Familie zu bestreiten.

Die Ähnlichkeit zu den späteren Wundertaten Jesu, als dessen Vorgestalten die Propheten alle in der einen oder anderen Weise zu lesen sind, ist unverkennbar: Zur Verwandlung des Wassers in Wein bei der Hochzeit zu Kanaa (Joh. 2, 1-12) und bei der Sättigung der Fünftausend mit fünf Broten und zwei Fischen (Joh. 6, 5-13). Beide Male tun die, deren Mitwirkung erforderlich ist – die Diener, die die Krüge mit Wasser füllen, und die Menschenmenge, die sich zum Essen niedersetzt - vertrauensvoll das, was ihnen aufgetragen ist, und es erscheint fast wie ein Anflug von Ironie, daß ausgerechnet einer der Jünger, Andreas, leise Zweifel äußert: Was ist das für so viele. Beide Male schafft der Gottmensch, das, was er den Menschen zukommen lassen will, nicht aus der hohlen Hand: Gratia supponit naturam, und zu dieser Natur gehört sowohl die unbelebte Materie von Wasser und Öl, Brot und Fische,  wie das vertrauensvolle Mittun der Menschen. Und noch ein weiteres Voraus-Echo läßt das Ölwunder des Elisäus anklingen: Das Wirken der Gnade Gottes rettet vor der Schuldknechtschaft der Sünde.

Während diese Perikope aus dem vierten Kapitel des IV. Buches der Könige sich fast so liest, als ob sie unmittelbar an die Erwähnung des Elisäus im Evangelium des vorangehenden Tages anschlösse, ist die Beziehung zum eigentlichen Tagesevangelium wieder eher locker. Sie beruht wohl vor allem auf dem Versprechen „Wenn zwei von euch auf Erden einmütig um irgend eine Sache bitten, so wird sie ihnen von Meinem Vater, der im Himmel ist, gegeben werden“ (Matth. 18, 19). Der Hauptinhalt dieser Abschnitte liegt jedoch in dem Drängen Jesu auf Gemeinsamkeit und Versöhnlichkeit unter den Jüngern, nicht auf der Erfüllung ihrer Bitten.

Das 4 Kapitel von IV. Könige weiß noch über weitere Wunder des Elisäus zu berichten: Die Erfüllung der Bitte einer kinderlosen Frau um Nachkommenschaft, die Erweckung eines soeben Gestorbenen – es ist der vordem versprochene Nachkomme der Frau von Sunam – vom Tode – und die Heilung einer Vergiftung. Und dann auch noch nach der Ölvermehrung eine Brotvermehrung, wohl anläßlich einer der damals häufigen Hungerzeiten. Ein Besucher hatte dem Propheten 20 Gerstenbrote mitgebracht – man muß dabei wohl an handgroße Fladen in Art der türkischen Lavas denken – und Elisäus beauftragte seinen Diener, diese an die Leute zu verteilen. „Da entgegnete ihm sein Diener: Wie viel ist dieses, daß ich es auftrage für hundert Mann?. Und nochmals sprach der Prophet: Gib es den Leuten, daß sie essen. Denn das spricht der Herr: Sie werden essen, und es wird übrig bleiben. Da gabe er es ihnen heraus, und sie aßen, und es blieb übrig nach dem Worte des Herrn.“

So zeigt sich am Beispiel des Propheten Elisäus ein enges und nicht immer leicht zu deutendes Geflecht zwischen dem Alten Testament und seinen Propheten und der Erfüllung in Christus. Diese Zusammenhänge deutlicher hervortreten zu lassen, war sicher eines der Motive der Liturgiereformer, als sie entschieden, Lesungen aus dem Alten Testament zu einem regulären Bestandteil des Wortgottesdienstes der hl. Messe zu machen. Sie sind damit jedoch in der Praxis, wie mit vielen anderen ihrer Ideen, grandios gescheitert. Die Erhellung der angesprochenen Zusammenhänge würde eine intensive Katechese erfordern, und die Feier des Messopfers kann nicht der primäre Ort für die Unterweisung der Gläubigen sein.

Zusätzliche Informationen