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Hermeneutik der Kontinuität am Ende

Bild: La Porte LatineZum Brief des Generaloberen der Piusbruderschaft in Sachen Traditionis custodes.

Gleich zu Anfang seines „Briefes an die Mitglieder und Freunde“ der Piusbruderschaft führt deren Generaloberer Pater Pagliarani aus: „Man kann in aller Logik feststellen, daß die Ära der Hermeneutik der Kontinuität mit ihren Zweideutigkeiten, Illusionen und ihren unerfüllbaren Anstrengungen auf drastische Weise beendet und vom Tisch gewischt worden ist.“ Was könnte man dem noch entgegensetzen, nachdem Papst Franziskus mit seinem Dekret einen so tiefgreifende Bruch in Selbstverständnis und Lehre der Kirche nach dem 2. Vatikanum ausgerufen hat, daß die Liturgie der Zeit vor DEM KONZIL und vor 1969 nach diesem „Neuen Pfingsten“ nicht mehr als „Ausdruck der Lex Orandi“ des römischen Ritus gelten könne? Nachdem der Papst die Unbelehrbaren, die die Liturgie des hl. Gregor nicht aufgeben wollen, aus der Gemeinschaft der Pfarrkirchen verbannt und ihnen nur noch eine Gnadenfrist einräumt, um ihrer unerleuchteten Halsstarrigkeit abzuschwören, sonst...

Franziskus verwirft nicht nur Benedikts Bemühungen zur Rehabilitierung der traditionellen Liturgie. Er widerspricht auch auf brutalstmögliche Weise dessen Ansatz, das Konzil der 60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts nicht in einer „Hermeneutik des Bruches“ zu lesen (wie das von den Modernisten seit Anfang an versucht worden ist), sondern in einer „Hermeneutik von Reform und Kontinuität“. Seit dem 16. 8. 21 sind alle Verhüllungen obsolet: Jetzt wird auf Bruch gefahren. Auf Teufel komm raus!

Im zweiten Absatz seines Briefes macht Pater Pagliarini deutlich, daß wir den Teufel hier nicht nur als rhetorische Figur im Spiel haben. Der Generalobere erinnert daran, „dass die heilige Messe eine Fortsetzung des verbissensten Kampfes aller Zeiten ist: die Schlacht zwischen dem Reich Gottes und dem Reich Satans. Dieser Krieg erreichte seinen Höhepunkt auf Kalvaria durch den Triumph unseres Herrn. Für diesen Kampf und diesen Sieg wurde Christus Mensch. Weil der Sieg unseres Herrn auf dem Kreuz und in seinem Blut stattfand, ist es verständlich, dass er fortwährend ebenfalls durch Kampf und Widerspruch aufrechterhalten wird.“ Das klingt reichlich fremdartig für unsere vom endlosen Dialoggesäusel betäubten Ohren, doch nachdem Franziskus den Dialog der Kirche mit ihrer Vergangenheit förmlich und unmißverständlich aufgekündigt hat, können wir Pagliarinis Schlußfolgerung eine gewisse Plausibilität nicht absprechen: „Es ist nicht erstaunlich, dass die Messe aller Zeiten, die ein vollkommener Ausdruck des endgültigen Sieges unseres Herrn durch sein Sühneopfer über die Sünde ist, selbst ein Zeichen des Widerspruchs ist.“

Von daher werden auch seine weiteren Überlegungen bedenkenswert, selbst da, wo man ihnen (noch) nicht so ohne weiteres folgen mag. Hier geht es weiter Auf der einen Seite die Messe des Kreuzesopfers, mit dem Christus den Fürsten der Welt besiegt hat – auf der anderen Seite die Messe DES KONZILS „als authentischer Ausdruck einer Kirche, die mit der Welt in Harmonie leben möchte und ihr Ohr dem Drängen der Welt leiht“. Daraus dann die Schlußfolgerung: „Die Auseinandersetzung der letzten fünfzig Jahre, welche am vergangenen 16. Juli gewiss einen bedeutungsvollen Moment erlebte, ist nicht ein Krieg zwischen zwei Riten: Es ist definitiv ein Krieg zwischen zwei unterschiedlichen, sich widersprechenden Auffassungen über die Kirche und das christliche Leben; diese Auffassungen sind absolut unüberwindbar und miteinander unvereinbar.“

Das „absolut“ ist hier u.E. ein wenig zu, naja, absolut halt – aber leicht wird die Verständigung über diesen Graben nicht, wie an der absoluten Dialogverweigerung des Papstes in genau dieser Sache zu erkennen ist. DAS HEILIGE KONZIL (oder besser gesagt, die Karikatur, zu der es hin interpretiert worden ist) darf auf keinen Fall und in keiner Weise in Frage gestellt werden – Dubia werden nicht beantwortet, Punktum. Und im Folgenden ist Pagliarini dann auch wieder uneingeschränkt zuzustimmen: Jeder einzelne Gläubige steht vor der Entscheidung, in welcher Richtung er gehen (Sie sehen, wir vermeiden das „absolute“) will: „Viele Seelen werden vor einer wichtigen Wahl stehen, welche den Glauben berührt, denn – wir wollen es noch einmal wiederholen – die Messe ist der höchste Ausdruck eines lehrmäßigen und moralischen Universums.“ Damit ist auch unserer Ansicht nach die Dimension dessen, um das hier geht, völlig beschrieben. Der Spalt, der die beiden Universen voneinander trennt, hat sich in den vergangenen Jahrzehnten des herbei gelogenen „Neuen Frühlings“ ständig erweitert. Der „Synodale Weg“ hat für unser Land den Spaltungsprozess noch beschleunigt, und „Traditionis Custodes“ läuft Gefahr, den Spalt zu einer kaum noch überwindbaren Kluft zu machen. Der oberste traditionis custos setzt, seinem Namen und Auftrag zum Spott, dazu an, sich von allen störenden und störrischen Elementen zu befreien; in seiner Herde soll es nur noch Schafe geben, die so riechen, wie er.

In dieser Situation kann es für viele an den Rand gedrängten oder ganz und gar ausgestoßenen „schwarzen Schafe“ Trost und Hilfe sein, daß die Piusbruderschaft sich feierlich dazu verpflichtet, alles dafür zu tun, „daß die tridentinische Messe nie vom Angesicht der Erde verschwinden wird.“ Dieses Versprechen wiegt umso schwerer, als der Zerfall in weiten Bereichen der von Franziskus erstrebten Kirche der globalen Öffnung bereits so weit fortgeschritten ist, daß Sakramente unwirksam verspendet werden (ungültige Taufen in den USA) oder in Deutschland durch die Verwendung selbstgemachter Hochgebete mit kreativ verheutigten Konsekrationsworten immer wieder Zweifel bestehen, was und ob überhaupt etwas hier geschieht.

Die Piusbruderschaft wird diese große Aufgabe weder alleine stemmen können noch müssen. Das Schicksal der früheren Ecclesia-Dei-Gemeinschaften ist ungewiß, Auflösung von oben und Abspaltung von Unten an sind nicht ausgeschlossen. An vielen Orten werden Priester und Gemeinden „in den Untergrund“ gehen müssen, um Bestandteil des „lehrmäßigen und moralischen Universums“ der Kirche Christi bleiben zu können. Das wird alle Beteiligten, Priester ebenso wie Gläubige, vor große psychische Belastungen stellen und große – auch materielle – Opfer verlangen. Möglich ist es, wie das Überleben der schon einmal verstoßenen Überlieferten Liturgie in den Jahren nach 1970 erwiesen hat.

Das Schlimmste (und Franziskus samt Hintermännern am meisten erfreuende) Ergebnis wäre, wenn die durchaus heterogenen Gruppierungen dieses Universums sich in Eifersüchteleien verzettelten oder gar Kleinkriege gegeneinander führten. Zu hoffen wäre, daß sie untereinander ganz im Sinne des Aufrufs „Unite the Clans“ zu einem fruchtbaren Miteinander käme. Das wäre nicht nur für die von Franziskus in die Heimatlosigkeit verstoßenen Gläubigen eine große Erleichterung, es würde auch den Gemeinschaften – und zwar allen – helfen, mehr Sinn für die Berechtigung unterschiedlicher Spiritualitäten innerhalb des genannten Universums zu entwickeln und vielleicht sogar die eine andere gar zu scharfe Kante oder garstige Spitz etwas abzuschleifen, mit der sie sich bisher gerne mal auf die Nerven gegangen sind.

In den bisherigen Botschaften aus dem kleinen Universum des hl. Papstes PIUS X. konnten wir bisher nur schwache Signale der Bereitschaft auffangen, an einer Entwicklung in diesem Sinne mitzuwirken. Daran hat auch das Schreiben des Generaloberen nicht viel geändert – freilich auch keine entgegengesetzten Signale gesendet. Aber auf eines ist Verlaß: Franziskus wird es uns schon rein prügeln.

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