Nun also doch: Ein neues Dokument?
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- 19. Januar 2023
Kaum findet die Vermutung Anklang, daß die jüngst aus Rom durchgesickerten Gerüchte wohl eher die bösen Absichten einer bestimmten Gruppe des päpstlichen Umfeldes wiedergeben als konkrete Schritte beschreiben, tauchen Anzeichen dafür auf, daß es da doch ein Dokument geben könnte. Insidethevatican.com veröffentlichte am 18. Januar die Zuschrift eines namentlich nicht genannten Priesters, der unter Berufung auf „einen Erzbischof aus den USA“ ganz Ähnliches zu berichten weiß, wie die Quelle unserer „Gerüchte“ vom 13. Januar. Und diese Zuschrift hat auch einen Termin oder besser gesagt einen Zeitraum für die Veröffentlichung eines entsprechenden Dokumentes genannt: April oder Mai.
Zur Form des Dokuments nennt der Brief ebenso wie unsere Quelle die der „Apostolischen Konstitution“, um die Gleichrangigkeit mit der feierlichen Einführung des Bugnini-Missales von 1969 zu betonen. Zum Inhalt führt die Zuschrift aus, es gehe vor allem darum, den Bischöfen die in Canon 87 und anderen gebotene Möglichkeit zu nehmen, „aus pastoralen Gründen“ Ausnahmen von römischen Anweisungen zuzulassen. Bekanntlich haben besonders in der angelsächsischen Welt viele Bischöfe diese Rechtslage genutzt, um Traditionis Custodes überaus zögerlich umzusetzen. Sie sollen nun durch einen autoritativen Akt des Despoten „auf Linie“ gezwungen werden. Als weitere Information des Erzbischofs teilt die Quelle mit, daß die verschärfte Regelung in erster Linie die Bistümer betreffe, während das „Privileg“ der altrituellen Gemeinschaften, in ihren Häsern privat nach dem Missale Johannes XXIII. zu zelebrieren, nicht betroffen sei.
Der angekündigte Eingriff in die Befugnisse der Bischöfe – sei es durch eine ausdrückliche Anweisung, sei es durch den Versuch einer vermutlich rechtswidrigen Änderung des Kirchenrechts – dürfte nicht nur bei traditionsfreundlichen Bischöfen alle Alarmglocken schrillen lassen.
Der Schritt, sollte er den vom Gerücht zum Faktum werden, ordnet sich nahtlos ein in die von Franziskus in den letzten Jahren verstärkt verfolgte Politik einer systematischen Entmachtung der Ortsordinarien und deren Degradierung zu „Regionalbeauftragten“. Die diversen Synoden und die Entstehung ihrer Dokumente waren davon geprägt, daß Franziskus Bischöfe nur insoweit berücksichtigt, wie sie mit seiner Kirchenpolitik übereinstimmen. Ähnlich war es mit der höchst selektiven Nutzung der bischöflichen Rückmeldungen zur vatikanischen Umfrage über die Lage der überlieferte Liturgie in den Diözesen. Jüngstes Beispiel dafür ist die Übernahme der direkten Verwaltung „seiner“ Diözese Rom durch den Papst, der damit seine bisherigen Vikare, darunter einen Kardinal, praktisch auf die Stellung von Weihbischöfen reduzierte.
Inwieweit die nun gerüchtete Änderung des Kirchenrechts überhaupt rechtlich wirksam ist – und inwieweit sie auch von der Zentrale durchgesetzt werden kann – steht dahin. und ist hier nicht Gegenstand. Aber es ist unverkennbar, daß Franziskus und seine Jesuiten damit (nicht zum ersten Mal) in einen direkten Widerspruch zu den Dokumenten des II. Vatikanischen Konzils (insb. Christus Dominus) treten, in dem die Ortsbischöfe ausdrücklich nicht als „Delegierte“ des Papstes, sondern – aufgrund ihrer Zugehörigkeit zum Kreis der Nachfolger der Apostel, die sie wiederum bindet – als Inhaber eigener Autorität herausgestellt werden. Das war damals so beschlossen worden, um populären Missdeutungen und Übertreibungen der päpstlichen Suprematie (Hyperpapalismus) im Gefolge des I. Vatikanums entgegenzuwirken. Nun fällt Franziskus in diese Mißdeutungen zurück und steigert sie sogar noch.
Damit sind nicht nur rechtliche und dogmatische Fragen angesprochen, die im Fall des Falles von den Spezialisten zu diskutieren sind. Das Vorgehen von Franziskus hat auch eminent aktuelle kirchenpolitische Bedeutung. Zum einen mit der Frage, ob er sich tatsächlich für die wenige ihm noch verbleibende Zeit den Wunsch erfüllen kann, in der ganzen Welt „mit eiserner Faust“ durchzuregieren. Seine Kräfte sind schwach, und viele Beobachter sind der Ansicht, daß er die Dinge selbst im kleinen Kreis der Kurie schon längst nicht mehr im Griff hat. Dann aber mit der noch viel wichtigeren Frage, ob die Wähler seines Nachfolgers – gerade die von Franziskus ernannten Kardinäle „von der Peripherie“ verfügen über reiche Erfahrungen als Ortsordinarien – bereit sein werden, die Entmachtung ihres „Standes“ hinzunehmen und zu verstetigen.
Vieles spricht dagegen, und alles spricht dafür, daß Franziskus, dessen letzte Amtsjahre zu einer Amokfahrt zu werden drohen, der zuverlässigste Garant dafür ist, daß es keinen Franziskus II. geben wird. Das bringt noch nicht die Gewissheit für eine Besserung – aber es gibt Hoffnung.