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Abgesang auf ein Requiem

Bild Jeseph Shaw auf FlickrWie die Latin Mass Society von England und Wales am vergangenen Donnerstag (28. 09.) mitteilte hat Kardinal Nichols die Society informiert, daß ihr jährliches Requiem in der Westminster-Kathedrale nicht mehr stattfinden kann. Die Messe für das Seelenheil der verstorbenen Freunde und Förderer der überlieferten Liturgie war bisher regelmäßig Anfang Oktober am Hauptaltar der Kathedrale zelebriert worden – meist als Pontifikalrequiem – und das seit 51 Jahren: Seit dem mit Unterstützung des damaligen Kardinals Heenan erwirkten sogenannten „Agatha-Christie-Indults“ () von 1971. Nun passt sie – wie der derzeitige Londoner Kardinal Nichols der Gesellschaft mitteilen ließ,  nicht mehr in die pastoralen Vorgaben der Erzdiözese, nach denen solche feierlichen Messen in der Kathedrale nur noch mit einer Sondergenehmigung des Vatikans stattfinden können. Der Kardinal war jedoch nicht bereit, eine solche Genehmigung zu erbitten. Quasi als Ersatz wird am 6. November ein Totenamt nach der überlieferten Form in der Londoner Kirche Corpus Christi (Maiden Lane) stattfinden. Die bisher regelmäßig am ersten Samstag jeden Monats zelebrierte Stille Messe nach dem Missale von 1962 bleibt bis auf weiteres erhalten.

Ob und inwieweit die Erzdiözese London bei der Untersagung des Requiems in Westminster römischen Weisungen folgte, ist nicht bekannt. Allerdings passt die Beendigung einer seit dem Inkrafttreten der Liturgiereform (1970) praktizierten Regelung sehr gut in die gegenwärtige politische Linie der vatikanischen Liturgiebehörde. Schon der Oberste Liturgie-Chef, der britische Kardinal Roche, hat 2021 behauptet, daß die überlieferte Liturgie mit Inkraftretten der Liturgiereform endgültig abgeschafft worden sei – obwohl Papst Benedikt in seinem Begleitschreiben zu Summerum Pontificum von 2007 ausdrücklich das Gegenteil festgestellt hatte.

Hier geht es weiterNun könnte man freilich einwenden, daß Papst Benedikt sich damit über den Willen des damaligen Gesetzgebers der Liturgiereform, Papst Paul VI. hinweggesetzt hätte, doch das entspricht nicht der historischen Faktenlage: Mit dem sog. „Agatha Christie-Indult“ von 1971 hat ausgerechnet Paul VI. nur ein Jahr nach Promulgation seines Messbuches selbst eingeräumt, daß die überlieferte Liturgie sehr wohl weiter „gültig“ sei, wenn auch ihr Gebrauch stark einschränkenden Regulierungen unterworfen wurde. Danach hat dann auch Papst Johannes Paul II durch Ecclesia Dei Adflicta von 1988 das Weiterbestehen der überlieferten Liturgie bekräftigt und bis dahin bestehenden Einschränkungen gelockert, bis diese von Papst Benedikt XVI. mit Summorum Pontificum praktisch ganz aufgehoben wurden.

Auch Franziskus ist bisher davor zurückgeschreckt, eine „Abschaffung“ der überlieferten Liturgie zu behaupten oder gar in Überschreitung seiner Vollmachten deren komplettes Verbot zu verfügen. Die allmähliche Verdrängung des Indults von 1971 aus dem Gedächtnis der Kirche würde es sicher erleichtern, ein derartiges Verbot zu verfügen. Der erste reichlich plumpe Versuch des Liturgiepräfekten Roche von 2021, der behauptet hatte, seine Behörde verfüge über keinerlei Unterlagen zu diesem Indult, war damals kläglich gescheitert – es gab genug andere Stellen, die sehr wohl darüber (hier der Text) verfügten. Und so versucht man es jetzt eben mit der schleichenden Revision der Geschichte: Wenn man das Indult selbst auch nicht weglügen kann, so will man doch dessen faktische Konsequenzen möglichst unsichtbar machen.

Ein bis auf 1971 zurückgehendes feierliches Requiem in Westminster – das geht ja nun mal überhaupt nicht.

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