Motu Proprio: Summorum Pontificum

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Ad Deum qui lætificat juventutem meam

Eine Diskussion über Wurzeln, Verlauf und Ertrag der Liturgiereform von 1969

13. 8. 2008

Ausgangspunkt dieser Diskussion in der Combox von Father Zuhlsdorfs "WDTPRS" war ein Beitrag des 83-jährigen britischen Priesters Fr P. O'Rourke in einer ebenfalls durchaus nachlesenswerten Diskussion auf „Saint Mary Magdalen“. Nach dem einleitenden Text von Fr O'Rourke bringen wir eine Auswahl der Diskussionsbeiträge, deren Zahl inzwischen auf 120 angestiegen ist. Viele davon sind nicht wirklich lesenswert, einige sogar ausgesprochen ärgerlich - aber unsere Auswahl versammelt einige höchst bemerkenswerte An- und Einsichten zu der Frage: „Wie konnte das nur geschehen?“.

Der Ausgangspunkt:

Als Priester im 83. Lebensjahr möchte ich ein Bekenntnis ablegen. Ich habe die Paulinischen Reformen ohne Verständnis und ohne Gefühl durchgeführt. Ich tat das auf den Rat und im Gehorsam gegenüber meinem Bischof und den diözesanen Behörden. Während ich es tat, wurde ich Zeuge der Schmerzen und der Qualen vieler Frommer; viele glühende Christen wurden lauwarm, viele verloren den Glauben. Ich glaubte, richtig zu handeln, aber nach nunmehr 59 Jahren als Priester sehe ich, daß das, was wir erhofft hatten, nicht eingetreten ist.

Es ist mir sehr willkommen, daß insbesondere die jüngeren Priester eine sorgfältige Untersuchung und Einschätzung dessen vornehmen, was in der Zeit seit meiner Weihe gemacht worden ist. Damit sie das tun können, sollten sie etwas über die Spiritualität lernen, die Männer meiner Generation in so großer Zahl in die Seminare geführt hat. Initiativen wie (den einwöchigen Kurs zur Einführung in die alte Messe) in Merton begrüße ich sehr.

Ich habe übrigens in der Einsamkeit meines Ruhestandes seit letztem September erneut die Messe meiner Jugend erlernt, sie bringt mir großen Trost. Ich hatte sie aus Gehorsam seit 1970 nicht mehr zelebriert.

Fr P. O'Rourke


Die Diskussion:

Ich denke, daß viele Priester, die die Zeiten vor und nach der großen Wende erlebt haben, das ebenso bezeugen würde, wenn sie ehrlich gegenüber sich selbst wären. Als Laie, der im College war, als diese großen Veränderungen stattfanden, habe ich die Neuerungen begrüßt. Aber bei meiner Mutter und anderen aus ihrer Altersgruppe hörte ich, daß sie zumindest unsicher waren, warum das alles geschah. Ich frage mich, ob nicht heute Bischöfe und Priester, die sehr zurückhaltend gegenüber dem Motu Proprio des hl. Vaters sind, die Befürchtung haben, daß wieder etwas ähnliches geschehen könnte. Ich weiß, daß man im allgemeinen annimmt, daß sie aus Stolz handeln, aber ich vermute, viele sind auch einfach nur ängstlich.


Was für eine traurige und anrührende Aussage. Ich habe die Verwüstungen, die das Zweite Vatikanum durch die Zerstörung der Liturgie und der Glaubenspraxis verursachte, selbst erlebt und war selbst davon betroffen. Manchmal empfinde ich eine gewisse Bitterkeit gegenüber dem Klerus, der das durchgesetzt hat. Aber viele von ihnen hatten wahrscheinlich keine andere Wahl, und vermutlich waren auch viele Bischöfe der Meinung, sie hätten keine andere Wahl, und waren wohl ebenfalls unglücklich darüber.

Ich bin sicher, dieser Priester ist nicht der einzige, der mit Bedauern zurückschaut.


Das soll uns eine Mahnung sein, daß die „Reform der Reform“ mit Verständnis und Augenmaß durchgeführt werden muß, damit nicht viele fromme und brennende Seelen, die nie etwas anderes kennengelernt haben als den Novus Ordo, ebenfalls verletzt werden, lau werden oder den Glauben ganz verlieren.


Als ich eine Studie an der Erzdiözese von Dubuque durchführte, arbeitete ich in einem Raum mit einem älteren Priester. Das war ungefähr zu der Zeit, als ich anfing, die alte Messe zu besuchen, und ich sprach ihn auch darauf an. Er sagte immer nur: Wir haben so viel verloren. Wir haben so viel vom Gheimnis verloen, wir haben soviel Ehrfurcht vor dem Messopfer verloren. Man sah deutlich, wie traurig er über all das war.


Ich habe mit vielen Leuten gesprochen, die aus gebrochenem Herzen aufhörten, die Messe zu besuchen. Mein Vater, der immer noch die Samstagsabendmesse besucht, ist längst nicht mehr das, was er war, als er noch regelmäßig zur Beichte ging und ein wirklich frommer Mann war. Aber das ist vorbei. Meine Tanten und Onkel gluben, daß die Beichte mit dem 2. Vatikanum abgeschafft wurde. Daß sie as glauben, hat natürlich seinen Grund: Ihre Hirten haben es ihnen so vermittelt. Ich habe Kirchen besucht, in denen man die, die die nicht für die Neuerungen waren, lächerlich machte und an den Rand schob.


Gott segne diesen Priester für seine Ehrlichkeit. Ich denke auch, daß viele Priester im Grunde Ihres Herzens ebenso denken.

Wir müssen sehr gut aufpassen, oder die Geschichte wird sich wiederholen, wenn der Lavine derer, die auch die Gregorianische Messe verändern wollen, nicht halt geboten wird. Wenn man erst einmal damit anfängt, gibt es bald kein Halten mehr, und bevor man sich versieht, werden Gitarren und Clownsgewänder zusammen mit Mr. Potato Head auftauchen. Wegen all der Katastrophen der letzten Jahrzehnte sollte in der GIRM für viele Jahre überhaupt nichts geändert werden, und dann auch nur nach vielem Nachdenken. Die Seuche der Änderitis wütet immer noch in der Kirche, und es wird noch ein oder zwei Generationen dauern, bis sie abgeklungen ist.


Je mehr ich darüber höre oder lese, desto mehr bin ich davon überzeugt, daß tatsächlich der Hl. Geist das zweite Vatikanum inspiriert hat, um die wahre hl. Messe und die Kirche davor zu bewahren, in Vergessenheit zu versinken. Ich meine, hätte es nicht den Novus Ordo gegeben, an dem die Progressiven ihr Zerstörungswerk vollbringen konnten, dann hätten sie ihre feministischen und protestantisierenden Veränderungen der überlieferten Liturgie selbst aufgezwungen. Daraus wäre jetzt ein nicht wiederzuerkennender Schrecken geworden, schwer vorstellbar, wie man das hätte wieder gut machen können. Aber so kommen wir aus den 40 Jahren in der liberalen Wüste mit einer praktisch unversehrten hl. Messe und einer kleinen, aber wachsenden Zahl von Katholiken, die ihr mit erneuerter Wertschätzung begegnen.


Als ich die Worte dieses teuren Priesters las, kamen mir selbst fast die Tränen. Bei einer Gesellschaft kürzlich sprach ich mit meinen (größtenteils katholischen) Freunden darüber, daß ich mich in den letzten etwa 38 Jahren in meiner Pfarrei unglücklich und unerfüllt gefühlt habe. Als ich darlegte, was wir alles verloren hätten, schauten sie mich an, als ob ich zwei Köpfe hätte. Sie waren sich alle darin einig, daß die Messe in der Umgangssprache und Priester, die ihnen sagten, ihr eigenes Gewisen müsse ihr höchster Maßstab sein, das beste gewesen wären, was der katholischen Kirche widerfahren konnte. Das alles von Leuten, die sagen, daß es auf die Sonntagsmesse nicht wirklich ankomme, denn Gott liebt einen in jedem Fall.


Ich bin im Sommer 1961 mit 19 Jahren in die Katholische Kirche aufgenommen worden. Nach den abrupten Veränderungen nach dem 2. Vatikanum bin ich für 20 Jahre herausgefallen – das muß irgendwann um 1966 oder 67 gewesen sein, in meiner Diözese ging es früh los. Ich bin nicht stolz darauf, wie ich mich damals verhalten habe. Ich kam dann 1987 wieder zur Kirche zurück, als mein Sohn zur Welt kam, weil ich wollte, daß er getauft würde.

Ich erinnere mich an den enormen Druck, unter dem damals die Veränderungen eingeführt wurden. Es wärmt mir das Herz, zu sehen, wie dieser Priester 40 Jahre später mit 83 Jahren diese Erklärung abgibt. Dort, wo ich jetzt lebe, gibt es immer noch viele liturgische Mißbräuche, und seine Erklärung wirkt auf mich wie ein deja vu. Anstatt noch einmal den Fehler zu machen, aus der Kirche herauszufallen, habe ich mich in eine ukrainisch-katholische Gemeinde geflüchtet, wo wir einen großartigen Priester haben, einen Konvertiten aus der Orthodoxie. Die Orthodoxen und die Katholiken der östlichen Riten mußten keine so einschneidenden Veränderungen hinnehmen. Ihre Liturgie ist im wesentlichen noch so wie vor dem 2. Vatikanum. Nur der lateinische Ritus wurde so enorm beeinträchtigt.


In den 70er Jahren war ich ein junger Priester, und ich schaute ziemlich auf diejenigen herab, die wegen der Liturgiereform aufgehört hatten, die hl. Messe zu besuchen. Ich dachte: Die neue Messe ist doch gültig, warum nehmen sie das nicht an? Und darin liegt auch Stück Wahrheit. Aber es ist eine enge und kalte Wahrheit. „Eng“, weil es die menschliche Dimension von Glaube und Gottesdienst nicht genug in Betracht zieht. Heute denke ich, daß mein Urteil über diese Menschen arrogant, gefühllos und unreif war.

Unser gegenwärtiger hl. Vater betont die Bedeutung der Schönheit – der Schönheit der Musik, der Architektur, der Gewänder und des Rituals. Ritual erfordert Konstanz und Wiederholung, es wirkt ebenso wie ein Mantra. Die Zelebration des Novus Ordo kann diese Qualitäten im besten Fall auch ausdrücken, es muß dazu noch nicht einmal eine feierliche Messe oder ein Hochamt sein. Aber die Tragödie der letzten 40 Jahre ist, daß unsere Gemeinden diesen besten Fall nur selten erleben.

Es ist ernüchternd, zu denken, daß der Grund für den zurückgehenden Gottesdienstbesuch direkt vor unseren Augen steht – die Messe selbst, oder besser gesagt, die Art, wie sie gefeiert wird. Wenn ich Spaß haben will, dann ist doch die Kirche der letzte Ort, danach zu suchen. Spaß kann ich überall haben. Was die Kirche geben kann ist der Sinn für das Transzendente, das ist es, was wir dort suchen. Und genau das pflegt in unserer Liturgie zu fehlen.

In seinem Motu Proprio hat Papst Benedikt seine Absicht ausgedrückt, daß die außerordentliche Form der Feier nach dem Novus Ordo Anregungen und Vorbilder geben möge. Für mich ist das ganz bestimmt so gewesen.


Ich war wohl ein sehr vom Glück begünstigter Katholik. Ich bin in der Zeit vor dem 2. Vatikanum in einer Pfarrei aufgewachsen, die an der „Liturgischen Bewegung“ teilnahm. Daher lernte ich von einem sehr frühen Alter an – vielleicht mit 6 Jahren – die lateinischen Antworten zu geben, und als ich 10 war, konnte ich vielleicht 5 oder 6 der lateinischen Choralordinarien mitsingen.

Als gegen Ende 1964 die Veränderungen einsetzten war ich zutiefst irritiert und auch verärgert, weil ich doch die Messe, an der ich ja tatsächlich aktiv teilnahm, liebte, so wie sie war. Im Gespräch mit Altersgenossen aus anderen Pfarreien erfuhr ich dann aber, daß ich eher eine glückliche Ausnahme war und die hl. Messe für meisten von Ihnen ein sehr entferntes Ereignis war.

Heute weiß ich, daß das, was die Konzilsväter mit Teilhabe der Gläubigen an der Messe wollte so ungefähr das war, was ich damals schon hatte. Wenn man Sacrosanctum Concilium liest, hat man den eindruck, sie wollten allen die Erfahrung und das Erlebnis verschaffen, das wir schon hatten. Unglücklicherweise haben dann Progressisten die Liturgiereform an sich gerissen und die Absichten der Konzilsväter total entstellt. Erst heute beginnen wir wieder zu begreifen, was sie damals unter Liturgiereform verstanden: Überall das zu tun, was es vereinzelt am Vorabend des Konzils schon gab.


Direkte Antwort eines Priesters auf das vorhergehende:

Ich denke, das ist richtig. Was Sie in Ihrer Pfarrei vor dem Konzil hatten, ist das, was die Konzilsdokumente verlangen.

Unglücklicherweise entspricht das nicht der allgemeinen Erfahrung, zumindest in meiner Pfarrei nicht. Wir hatten nur zweimal im Jahr ein gesungenes Amt – an Weihnachten und Ostern – obwohl wir eine katholische Schule hatten, wo es auch einen Chor gab, und sei es nicht für mehr, als um Requiems zu singen. Vor Einführung der Umgangssprache geb es bei uns noch nicht einmal eine „Dialogmesse“.

Meine Erinnerung an die Messe meiner Kindheit ist davon bestimmt, daß ich kniete und in meinem englischen Messbuch las (ich gehört zum „Fußvolk“ der Messdiener und aus irgendeinem Grund durften wir keine zweisprachigen Messbücher haben) und ansonsten darauf wartete, daß die Glocke läutete, damit ich wußte wo ich zu sein hatte. Vom Priester war nichts zu hören. Es war eine vom gebet durchwirkte Stimmung, aber ich fühlte mich immer zur Musik hingezogen, und diese Art machte mich traurig. Wenigstens konnten wir nach dem Abschlußsegen der 11-UhrMesse das „Großer Gott, wir loben Dich“ singen.

Wenn alle es so gehabt hätten, wie Sie das beschreiben, dann wären die Reformen vielleicht anders ausgefallen. Bei uns gibg es von der Stillen lateinischen Messe in vielleicht 18 Monaten zur Messe in der Umgangssprache, begleitet mit Liedern von Peter, Paul and Mary. Alles sehr taurig.


Der 83-jährige Priester bekennt, an einer schlechten und fehlerhaften Durchführung der Liturgiereform beteiligt gewesen zu sein. Aber ich verstehe nicht, warum das 2. Vatikanum und Papst Paul VI. für die Kirchenkrise verteufelt werden, während man für andere Kräfte, die außerhalb der Kirche am Werk waren, stets großzügig übersieht.

Man spricht vom Papst und vom Konzil, als ob die Kirche in einem Vakuum existiert hätte und von den Stürmen der 60 Jahre überhaupt nicht betroffen gewesen wäre. Der Marxismus, der sich an den Universitäten breit machte – großzügig übersehen. Existenzialismus und Utilitarismus in der Philosophie, die jedermanns Verständnis von Wahrheit beeinträchtigten – großzügig übersehen. Die Sexuelle Revolution – wird übersehen. Die Bewegungen zur Empfängnisverhütung und Bevölkerungskontrolle, hinter denen das große Geld stand – großzügig übersehen. Ebenso der radikale Feminismus und der Drogenhandel.

Wie schon gesagt wurde, hatten es der Papst und das Konzil mit mehreren Sturmfluten zu tun, und wenn man die Enzykliken und die Dokumente der Zeit liest, findet man darin nichts, was dafür spricht, ihnen eine teuflische Herkunft zuzuschreiben, wie das gelegentlich geschieht. Alles deutet daraufhin, daß der Papst und die Hierarchie versuchten, ihr Lehramt so auszuüben, daß sie die Kirche durch diese Stürme steuern und einen Schiffbruch an den Felsen vermeiden könnten.

Der Teufel kann angesichts dieses Gedächtnisverlustes nur frohlocken. Während seine tatsächlichen Diener, die daran gingen die Kirche von außen zu zerreißen, übersehen werden, werden seine Feinde wie der Papst und das Konzil dämonisiert.

Die guten Priester jener Zeit hatten es auch mit Feinden innerhalb der Kirche zu tun – das will ich nicht bestreiten. Aber das Konzil und die Messe Papst Pauls waren ernsthafte Versuche einer Antwort auf die äußeren Angriffe, welche die Kirche als versteinert, mittelalterlich und unfähig zum Dialog mit der Modernen darstellten.

Auch wenn es eher selten vorkommt, daß jemand Papst Paul VI. oder Erzbischof Bugnini regelrecht „verteufelt“, ist diese Mahnung ernst zu nehmen: Die meisten, die die Litrugiereform konzipiert und sie dann auch noch mehr schlecht als recht umgesetzt haben, glaubten, zum Wohle der Kirche zu handeln. Die Zahl derer, die den Glauben wirklich überkonfessionell einschmelzen oder die Kirche zu einem Verein für Weltethos umbauen wollten, dürfte eher gering gewesen sein. Aber wie so oft gilt auch hier: Das Gegenteil von „gut“ ist „gut gemeint“.

Im Übrigen ergibt eine genauere Betrachtung der oben genannten glaubensfeindlichen Zeitströmungen, daß viele davon erst dann Durchschlagskraft gewannen, nachdem die Kirche das Mißverständnis aufkommen ließ, sie habe ihren Frieden mit dem Zeitgeist gemacht. Hier ist ideengeschichtlich noch vieles zu erforschen.


Direkte Antwort darauf:

Das gehört mit zu dem Besten, was ich hier bis jetzt gelesen habe. Ja, die Kirche befindet sich heute in einer Krise. Aber ist daran der Novus Ordo oder der vorherrschende Zeitgeist schuld? Glauben wir denn, daß die Kirchen immer noch voll, die Laien fromm und die Berufungen reichlich wären, wenn nur die Liturgie so geblieben wäre, wie sie damals war? Ich bin mir da nicht sicher. Man mag sagen, daß es keinen Sinn hat, nach dem „Was wäre wenn“ zu fragen, aber steht diese Frage nicht auch hinter allem, was die radikalen Traditionalisten immer sagen?

Wir sind nun vor die Aufgabe gestellt, einen „Wandel ohne Achtung vor der Kontinuität“ wieder ins rechte Gleis zu bringen. Es gibt eine Krise in der Kirche, kein Zweifel, aber wir haben einen wunderbaren Papst, der das genau weiß. Wir sollten ihm betend folgen, während er uns zu Christus führt.


Zur „Was wäre wenn“-Frage:

Ich kann nicht für die „radikalen Traditionalisten“ sprechen, aber meine persönlichen Vermutung geht dahin: Wäre die traditinelle Messe erhalten geblieben – und zwar mit den Erneuerungen, die das 2. Vatikanum und zuvor schon die Päpste von Pius X. Bis zu Pius XII. Verlangt hatten – dann wäre die Kirche heute vielleicht etwas kleiner, als sie jetzt ist, aber die meisten verbliebenen Katholiken wären wesentlich frömmer und gläubiger. So ähnlich hat sich ja wohl auch unser heiliger Vater irgendwo ausgedrückt.

In einem Punkt bin ich mir ganz sicher: Die überlieferte Messe hätte wesentlich mehr Berufungen hervorgebracht, und sie tut das ja auch überall, wo sie gefeiert wird. In der traditionellen Liturgie nimmt der Priester eine mannhafte Rolle ein, die von Jungen bewundert und angestrebt wird. Das sieht man an den überquellenden Seminaren traditioneller Gemeinschaften ebenso wie an kleinen Gemeinden wie der meinen, wo praktisch jeder Junge auch Messdiener sein will.


Gegen die Schilderung der Zeitumstände der Konzilsepoche habe ich nichts einzuwenden – ich habe den ganzen „Spaß“ miterlebt. Mein Einwand geht dahin, daß die Kirche damals auch eine andere Handlungsmöglichkeit gehabt hätte, die jedoch nicht ergriffen wurde.

Anstatt sich den beschriebenen Kräften voll zu widersetzen, entschieden sich viele Kirchenführer ohne sich dessen voll bewußt zu sein dafür, sich dem dem Chaos im Namen des „Wandels“ anzuschließen – und wenn es jemals ein Wort ohne Bedeutung gab, dann ist es „Wandel“. Die Kirche hätte sich auch dafür entscheiden können, im Sturm ein Leuchtturm der Stabilität zu sein und hätte dadurch wahrscheinlich mehr Einfluß und Prestige behalten als durch den Flirt mit dem Zeitgeist. Ich war damals ein Teenager, und ich war buchstäblich krank durch all die mutwillige Zerstörung der alten Liturgie und der alten Formen, die von einer älteren Generation durchgeführt wurde, die es hätte besser wissen und sich jedenfalls mehr Zurückhaltung hätte auferlegen müssen. Ich bin sehr froh darüber, daß dieser alte Priester sein „mea Culpa“ gesprochen hat, und wünschte, das würden mehr tun.