Warten auf neue Köpfe und neue Papiere
Zwei Blicke in die römische Gerüchteküche
15. 10. 2008
Instruktion zum Motu Proprio ist fertig. Ecclesia Dei wird gestärkt
Bruno Volpe
Die Instruktion zur Ausführung des Motu Proprio vom 7. Juli 2007 zur Freigabe der heiligen Messe nach dem alten Römischen Ritus ist schon seit längerer Zeit fertig und wird gegenwärtig von Papst Benedikt XVI. geprüft. Das hat Pontifex von maßgeblicher Seite erfahren. Der vom Präsidenten der Päpstlichen Kommission Ecclesia Dei, Dario Kardinal Castrillón Hoyos audsgefertigte Text wird vom Papst sehr wahrscheinlich Ende Dezember unterzeichnet und in den Ersten Januartagen 2009 veröffentlicht. Das Dokument, das wegen der vielen Probleme bei der Umsetzung des Motu Proprio und offenen Widerstandes bei nicht wenigen Bischöfen (wie es der Vizepräsident von Ecclesia Dei, Msgr Camillo Perl, im September angesprochen hat) zwingend erforderlich geworden ist, wird im wesentlichen zwei Hauptpunkte ansprechen: Die Bedeutung des Ausdrucks "dauerhaft existierende Gruppe" innerhalb einer regulären Pfarrei und die Frage der Personalpfarreien. Es war sogar überlegt worden, eine Zahl für die Mindestgröße einer solchen Gruppe festzulegen, aber davon hat man wieder Abstand genommen.
Nach dem Dokument werden die traditionsorientierten Gläubigen in einer Pfarrei den vollen Schutz des Gesetzes genießen, um die alte Messe zu erbitten, und wenn der Bischof sich mit der Begründung weigert – hier kommt die Neuigkeit – daß es dort keinen Priester gibt, der die alte Messe feiern kann, wird die Kommission Ecclesia Dei aus eigener Autorität einen Priester in diese Diözese entsenden können. Die Bischöfe werden sich also in solchen Fällen nicht mehr von vornherein weigern können, die alte Messe feiern zu lassen, weil die Kommission dann einen eigenen Priester beauftragen wird.
Diese Ausführungen glänzen nicht gerade durch Klarheit - zumal die Kommission ja kein eigenes Personal hat, das sie einsetzen könnte. Aber Wendungen wie "aus eigener Autorität entsenden" deuten möglicherweise daraufhin, daß die Kommission künftig Priester der Petrusbruderschaft und anderer Gemeinschaften, denen bis jetzt viele Bischöfe die Tätigkeit in ihren Diözesen verweigern, in päpstlichem Auftrag und ohne Zustimmung der Bischöfe sowohl für regelmäßige Messfeiern als auch zur Verwaltung von Personalpfarreien delegieren könnte. Das wäre ein starker erster Schritt zur Errichtung einer Personalprälatur, die eine eigene Struktur neben den herkömmlichen Bistümern darstellen würde. Wenn Bischöfe ihre Vollmachten weiterhin mißbrauchen, könnte ihre Macht auf diesem Wege einschneidend beschränkt werden.
Ds Dokument diskutiert des weiteren den Fall von Personalpfarreien, in welchen die traditionsorientierten Gläubigen die Weihnachtsmesse oder das Ostertriduum nach dem Alten Ritus feiern wollen, auch wenn es bisher keinen Priester dafür gibt oder der Bischof das verbietet. Da die Möglichkeit des Priestermangels tatsächlich in Rechnung zu stellen ist, wird Ecclesia Dei auch in diesem Fall tätig werden. Der Heilige Stuhl will also endgültig Klarheit über die Umsetzung des Motu Proprio schaffen und aus diesem Grunde die Vollmachten und die Möglichkeiten der Päpstlichen Kommission Ecclesia Dei besser definieren und stärken.
Machtkampf um die Gottesdienstkongregation?
CWN-Hintergrundbericht
Andrea Tornielli von Il Giornale hat gemeldet, daß Franzis Cardinal Arinze, der Präfekt der Gottesdienstkongregation, bald durch einen spanischen Würdenträger, nämlich Antonio Cardinal Canizares Llovera von Toledo, abgelöst werden wird. Dieses Gerücht ist in rom zwar schon seit Monaten zu hören, es gewinnt jedoch dadurch an Gewicht, daß Tornielle angbibt, der Wechsel stehe „in den kommenden Wochen“ bevor. (...)
Torniellí sagt außerdem, daß der gegenwärtige Sekretär der Gottesdienstkongregation, Erzbischof Albert Malcolm Ranjith Patabendige Don demnächst zum Erzbischof von colombo in seinem Heimatland Sri Lanka ernannt werden wird. Allerdings – so überlegt Tornielli weiter – sei es unwahrscheinlich, daß beide Spitzenpositionen gleichzeitig neu besetzt würden, sondern der Papst würde eher einige Monate zwischen den beiden Wechseln verstreichen lassen.
Torniellis Bericht ist aus verschiedenen Gründen ernstzunehmen. Am 1. November wird Kardinal Arinze 76 Jahre alt – das ist schon ein Jahr älter als die reguläre Altersgrenze für Würdenträger dieses Ranges. Und Erzbischof Ranjith genießt in seinem Heimatland höchstes Ansehen und hat gute Kontakte zu beiden Seiten in dem blutigen Bürgerkrieg, der Sri Lanka zerreißt. Normalerweise wäre er der nächstliegende Anwärter für die Position des Erzbischofs von Colombo. Und der gegenwärtige Oberhirte in der Hauptstadt, Erzbischof Oswald Gomis, geht ebenfalls auf seinen 76. Geburtstag zu und erwartet seine Ablösung.
Allerdings stellen diese Ernennungen bei der gegenwärtigen inneren Situation des Vatikans und insbesondere wegen des großen Nachdrucks, mit dem Papst Benedikt sich für eine Wiedergewinnung des Geistes der Ehrfurcht in der Liturgie einsetzt, alles andere als Routineaufgaben dar.
Erzbischof Ranjith wurde von Papst Benedikt im Dezember 2005 nach Rom berufen. Nach allem, was man hört, hatte ihn der Papst ganz bewußt ausgesucht, um einen starken Anwalt des traditionellen Ansatzes in der Liturgie in dieser Position zu haben. Der Würdenträger aus Sri Lanka hat diese Aufgabe mit großem Einsatz wahrgenommen und mit seinen klaren Aussagen zur notwendigen größerer Ehrfurcht in der Liturgie und der Bedeutung der Wiederzulassung der traditionellen Messe auf viele römische Hühneraugen getreten
Da Erzbischof Ranjith in seiner Position sehr profiliert aufgetreten ist, hegen traditionsorientierte Gläubige die Hoffnung, er selbst könne der Nachfolger von Kardinal Arinze werden. Es wäre zwar ungewähnlich, daß der zweite Mann einer römischen Kongregation direkt zum Präfekten befördert würde, aber ein solcher Zug wäre ein unmißverständliches Zeichen für die Entschlossenheit des Papstes zur Durchführung dessen, was er in der Vergangenheit als die „Reform der Reform“ bezeichnet hat. Andererseits würden viele Traditionsorientierte es als einen Rückschlag für die liturgische Reform empfinden, wenn Erzbischof Ranjith rom verläßt, während Kardinal Arinze noch im Amt bleibt.
Die vermutete Ernennung von Kardinal Canizares bringt weitere Komplikationen in diese vsatianischen Manöver. Auch der spanische Kardinal gilt als ein starker Verbündeter von Papst Benedikt in Fragen der Liturgie. Sollte er Kardinal Arinze ablösen, solange Erzbischof Ranjith noch Nummer 2 in der Gottesdienstkongregation ist, hätte die Leitung der Kongregation eine starke konservative Schlagseite - und das würde die liberalen Liturgologen, die in Rom immer noch über starken Einfluß verfügen, auf den Plan rufen.
In einem Schritt, der ohne großes Aufsehen am 24. September bekanntgegeben worden war, hatte Papst Benedikt eine vollständig neue Beratergruppe für das Amt der Liturgischen Feiern des Papstes eingesetzt. Die neuen Berater waren sämtlich ausgewiesene Konservative. Und wie Catholic News Agrency beobachtete, war "ebenso bedeutend wie die Ernennungen die Tatsache, daß sämtliche feüheren Berater, die noch ernannt worden waren, als Erzbischof Piero Marini dieses Amt leitete, nicht wieder ernannt und somit entlassen wurden".
Diese Ernennungen signalisierten die Eröffnung eines neuen Kapitels in dem Bereich, der sich als Mittelpunkt dieses Pontifikates herausstellen dürfte: Im Kampf um die Reform der Liturgie. Die neuen Gerüchte um die bevorstehenden Veränderungen an der Spitze der Gottsdienstkongregation, zeigen, daß dieser Kampf voll entbrannt ist.
In der Sache sagen die beiden hier übersetzten Artikel wenig neues: Daß die Instruktion zu „Summorum Pontificum“ fertigt ist und zur Unterschrift beim Papst liegt, hat Kardinal Castrillón bereits mehrfach öffentlich mitgeteilt, und die Pensionierungsdaten des Präfekten der Gottesdienstkongregation bzw. des Erzbischofs von Colombo samt der Überlegungen über ihre jeweiligen Nachfolger sind auch kein Geheimnis. Das interessanteste an den beiden Berichten sind die Schlaglichter, die sie auf Bühne der römischen Kurie werfen, auf der Papst Benedikt mit großer Vorsicht agieren muß, wenn einzelne Maßnahmen nicht das Gegenteil von dem bewirken sollen, was er erreichen will.
Den Artikel von Bruno Volpe haben wir unsererseits nach der englischen Übersetzung auf TNLM übersetzt. Hier finden Sie das italienische Original. Und hier das englische Original des CWN-Berichtes.