Operieren in Grauzonen II
Dr. Gero P. Weishaupt
Kirchenrechtliche Anmerkungen zu einer Pressemeldung des scheidenden Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Karl Kardinal Lehmann
Der scheidende Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Karl Kardinal Lehmann, hat in einem Pressebericht im Anschluss an die Frühjahrs-Hauptversammlung der Deutschen Bischofkonferenz vom 11. bis 14. Februar 2008 u.a. auch Stellung genommen zur Frage der Umsetzung des Motu Proprio Summorum Pontificum1. Darin teilt Kardinal Lehmann mit: „Die Leitlinien, die wir auf der Herbst-Vollversammlung am 26. September 2007 verabschiedet haben, sind inzwischen von allen Diözesanbischöfen in Kraft gesetzt und in den Amtsblättern veröffentlicht worden.“ Die Mitteilung ruft die Frage hervor: Haben die Bischöfe nun Leitlinien veröffentlicht oder allgemeine Ausführungsbestimmungen erlassen? Was meint Kardinal Lehmann hier mit „Leitlinien"? Als Kirchenrechtler mache ich hierzu folgende Anmerkungen:
1. Leitlinien sind keine allgemeine Ausführungsbestimmungen im Sinne der decreta generalia exsecutoria des can. 32 CIC/1983. Infolgedessen können sie nicht diejenigen binden, die durch das Motu Proprio Summorum Pontificum verpflichtet werden. Dessen Anwendungsweisen werden ausschließlich entweder durch eine Instruktion nach can. 34, die sich in erster Linie nicht an die Gläubigen, sondern an die kirchlichen Behörden richten würde, oder durch allgemeine Ausführungsbestimmungen nach can. 32 bestimmt, nicht aber durch „Leitlinien". Außerdem können nur allgemeine Ausführungsbestimmungen die Befolgung des Motu Propio einschärfen (vgl. can. 32). Der Begriff „Leitlinie“ ist keine kirchenrechtliche, d.h. im kichlichen Gesetzbuch anzutreffende Kategorie.
2. Leitlinien im eigentlichen Sinn des Wortes können nicht in Kraft gesetzt werden, da sie keinerlei Gesetzeskraft besitzen oder eine ein Gesetz (hier das Motu Proprio) ausführende Funktion haben. Leitlinien werden vielmehr nur zur allgemeinen Kenntnisnahme veröffentlicht und dienen der Orientierung, wie Kardinal Lehmann selbst im Anschluss an die Herbst-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz im September 2007 richtig gesagt hatte.
3. Der in der Pressemeldung verwendete Begriff „Leitlinien“ deckt nicht den kirchenrechtlichen Begriff „allgemeine Ausführungsbestimmungen“des can. 32 ab. Aus dem Text der Pressemeldung geht darum nicht mit der für die Rechtssicherheit der Gläubigen, die die Feier der heiligen Messe nach dem außerordentlichen Usus des Römischen Ritus wünschen, erforderlichen Eindeutigkeit hervor, ob es sich bei den von den Bischöfen für ihre Diözesen bereits erlassenen Bestimmungen nur um „Leitlinien“ oder um „allgemeine Ausführungsbestimmungen“ handelt. Nur letztere hätten bindende Kraft, allerdings nur so weit, als sie dem Wortlaut und dem Geist des Motu Proprio Summorum Pontificum nicht widersprechen. Das sagt unmissverständlich der kanonische Gesetzgeber in can. 33 § 1: „Allgemeine Ausführungsbestimmungen, auch wenn sie in Direktorien oder anders benannten Dokumenten“(etwa in diözesanen Amtsblättern) „herausgegeben werden, heben Gesetze nicht auf, und soweit ihre Vorschriften Gesetzen widersprechen, entbehren sie jeglicher Rechtskraft".
4. Im Einzelfall - von Diözese zu Diözese - müsste in den einzelnen Amtsblättern nachgeprüft werden, ob der jeweilige Diözesanbischof tatsächlich für seine Diözese allgemeine Ausführungsbestimmungen im Sinne des can. 32 erlassen oder nur Leitlinien veröffentlich hat, die in bezug auf die Umsetzung des Motu Propio Summorum Pontificum keine kirchenrechtlich bindende, sondern nun orientierende Kraft hätten. Sollte es sich bei den Erlassen in den diözesanen Amtsblättern um allgemeine Ausführungsbestimmungen handeln, müsste das eindeutig aus Titel und Text hervorgehen2.
Dr. iur. can. Gero P. Weishaupt (13. 2. 2008)
1Vgl.: http://dbk.de/aktuell/meldungen/01618/index.html#VI-2
2 Es wäre allerdings merkwürdig, wenn die Bischöfe noch im Vorfeld der zu erwartenden für die Gesamtkirche bestimmten Anweisungen der Päpstlichen Kommission Ecclesia Dei zur praktischen Umsetzung des Motu Proprio Summorum Pontificum, sei es dass sie diese in der Form einer Instruktion im Sinn des can. 34, sei es dass sie sie in der Form von allgemeinen Ausführungsbestimmungen nach can. 32 erlassen würde, selber allgemeine Ausführungsdekrete erstellt hätten. Die diözesanen Ausführungsbestimmungen müssten nämlich an diese von der höchsten Gesetzgebungs- und Verwaltungsinstanz, nämlich vom Papst selber, erlassenen wieder angepasst werden bzw. würden durch diese aufgehoben.
Vergleichen Sie in diesem Zusammenhang bitte auch ein Gutachten „zu den zu erwartenden allgemeinen Ausführungsbestimmungen der deutschen Bischöfe zum Motu proprio Summorum Pontificum“, das P. Weishaupt im September vorigen Jahres erstellt hat