Motu Proprio: Summorum Pontificum

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Zusatzinfo

Wird die Karfreitagsliturgie geändert?

Ein Gerücht und seine Hintergründe

Eine kurze Meldung in der italienischen Tageszeitung Il Giornale vom 18. 1. 2008 hat bei traditionsorientierten Katholiken erhebliche Unruhe ausgelöst: Noch vor Ostern - so berichtete der Vaticanista des Blattes, Andrea Tornielli - sei mit einer Verfügung des Papstes zu rechnen, mit der der hauptsächlich von jüdischer Seite kritisierte Wortlaut der Karfreitagsfürbitte für die Bekehrung der Juden im Missale von 1962 geändert werden solle. Eine amtliche Bestätigung dafür gibt es nicht. Wir gehen der Angelegenheit im Folgenden etwas näher nach - als Gerücht und auch in der Sache selbst.

Das Gerücht

Eine ausführliche englische Übersetzung des Artikels von Il Giornale bringt Father Zuhlsdorf, hier nur die wichtigsten Passagen auf deutsch:

Zitat:Papst Benedikt XVI. hat entschieden, den Text des Gebetes für die Juden im tridentinischen Messbuch, dessen Gebrauch mit dem Motu Proprio Summorum Pontificum wieder freigegeben worden war, neu zu formulieren. ... Die neue Fassung wird bereits für die Feiern der Gläubigen des alten Ritus in der Karwoche dieses Jahres gelten. Im alten Text wurde - auf Latein - für die Bekehrung der Juden gebetet, Gott möge dieses Volk "seiner Finsternis entreißen" und seine "Verblendung" aufheben. Wie bekannt, wurden nach der Wiederzulassung der alten Messe in der jüdischen Welt zahlreiche Bedenken in dieser Richtung geäußert. Die Oberabbiner von Jerusalem, die Häupter der Sephardischen und der Aschkenasischen Gemeinschaften hatten sich brieflich an den Papst gewandt und um eine Änderung der Gebete am Karfreitag gebeten. ...

Zitat:Bischöfe und Prälaten, die mit dem Dialog mit der Jüdischen Welt befasst sind, baten den Papst um ein entsprechendes Eingreifen, und wie Kardinalstaatsekretär Bertone bereits im letzten Juli in einer Rede in Pieve di Cadore angedeutet hatte, besteht dazu auch die Bereitschaft. Papst Benedikt XVI. hat bereits einen Entwurf für das neue Gebet vorbereitet, der bereits in den nächsten Tagen von der Kongregation für den Gottesdienst und die Ordnung der Sakramente veröffentlicht werden soll. Soweit bisher bekannt geworden ist, wird die neue Version zwar die von jüdischer Seite als beleidigend betrachteten Passagen nicht mehr enthalten, jedoch die generelle Richtung des alten Gebetes bezüglich der Bekehrung der Juden beibehalten.

Bemerkenswert an dieser Meldung ist vor allem, daß Andrea Tornelli die Zuständigkeit für die Änderung des Textes der Kongregation für den Gottesdienst zuschreibt - die ist jedoch nur für die Angelegenheiten des neuen Ritus zuständig. Für den Usus Antiquior gibt es eine eigene Behörde, die päpstliche Kommission Ecclesia Dei - und deren Sekretär Camillo Perl hatte gerade erst vor einer Woche seinerseits in einem Interview erklärt, die Angelegenheit der Karfreitags-Fürbitte stelle „kein drängendes Problem“ dar, und deshalb „geschieht in dieser Sache derzeit nichts und wird wahrscheinlich auch nie etwas geschehen“.

Der offenkundige Widerspruch läß vermuten, daß es in dieser Angelegenheit hinter den kurialen Kulissen derzeit erhebliche Auseinandersetzungen gibt und beide Seiten versuchen, für ihre Position durch Interview oder Indiskretion in der Öffentlichkeit Punkte zu sammeln. Möglicherweise gibt es also bei der Kongregation für den Gottesdienst entsprechende Pläne, höchst wahrscheinlich hat Ecclesia Dei sich dagegen ausgesprochen - da wäre es eher eine Überraschung, wenn der allgemein so behutsam vorgehende Papst Benedikt quasi im Schnellgang eine Entscheidung herbeiführte. So gesehen spricht vieles dafür, daß die Meldung von Il Giornale einstweilen ein Gerücht bleibt.

Die Sache

Für die Karfreitagsfürbitte gab bzw. gibt es in den letzten hundert Jahren drei verschiedene Formulierungen, deren jeweilige Abänderungen ganz klar zum Ausdruck bringen, daß die Kirche nach der Katastrophe der Judenvernichtung durch den Faschismus bestrebt war, jeden denkbaren Anlaß für katholischen Antijudaismus auszuräumen und auch Mißverständnissen keinen Raum zu lassen. Zunächst strich Johannes XXIII. im Ausdruck „perfidis judaeis“ das Wort „perfidis“, dessen Bedeutung zwischen „ungläubig“, „treulos“ und eben „perfide“ changiert, und das bereits von Pius XII. dahingehend erläutert worden war, daß es als „ungläubig“ verstanden werden müsse. In dieser Form (also ohne „perfidis“) hat das Gebet heute noch Gültigkeit für den alten Ritus.

Im neuen Ritus wurde das Gebet völlig neu formuliert - und zwar in einer Weise, die auch die Deutung zuläßt, die Juden bedürften der Bekehrung zu Christus nicht, sondern könnten aus dem alten Bund heraus auch auf andere Weise zur Fülle der Erlösung gelangen. Falls der Papst in dieser Sache eine Änderung für den alten Ritus verfügt, wird sich diese Änderung in jedem Fall auch als Klarstellung für den neuen Ritus auswirken - ein Grund mehr für die Annahme, daß Benedikt sich hier nicht zu einer Entscheidung drängen lassen wird.

Doch weiter zur Sache. Die Karfreitagsfürbitten sind zweifellos ein wichtiger Teil der Liturgie der Kirche, aber sie sind nicht Bestandteil der hl. Messe. Die Liturgie der „missa praesanctificatorum“ nimmt im traditionellen Ritus eine Sonderstellung ein, und die Fürbitten gehören in ihrem Rahmen eher zu den vorbereitenden Elementen - eine Änderung an dieser Stelle würde also nicht das Herzstück der Messliturgie allgemein und auch nicht der Karfreitagsliturgie im Besonderen berühren. Das einzuräumen heißt freilich nicht, Änderungen in diesem Bereich leichten Herzens hinzunehmen. Tatsächlich gibt es gute Gründe für die Annahme, daß einige der bereits unter Pius XII. vorgenommenen Änderungen der Karwochen-Liturgie später eine verhängnisvolle Rolle bei der Konzeption und Umsetzung der Liturgiereform der 60er Jahre gespielt haben.

Die Berechtigung der Päpste, die Liturgie zu ändern, so wie bereits Pius XII. und Johannes XXIII. die Karfreitagsliturgie des alten Ritus geändert haben, steht außer Zweifel. Eine ganz andere Frage ist die, ob solche Änderungen in jedem Fall zweckmäßig sind, also die gewünschte Wirkung erzielen und unerwünschte Nebenwirkungen vermeiden. Und mit Nebenwirkungen der verschiedensten Art wäre bei jeder Änderung in diesem sensiblen Bereich sicher zu rechnen.

Für die traditionsorientierten Katholiken wäre es nicht leicht hinzunehmen, wenn bereits so kurz nach der „Rehabilitierung“ der alten Messe jetzt Änderungen am Bestand der Tradition vorgenommen würden, die auch noch so erscheinen müssen, als ob sie auf äußeren Druck zurück gehen würden. Hier steht schwer errungenes Vertrauen auf dem Spiel - und nicht nur in Hinsicht auf die erhoffte Wiederannäherung der Priesterbruderschaft St. Pius. Dabei kann man getrost unterstellen, daß Papst Benedikt bei einer etwaigen Änderung nichts vom Glaubensgut der Kirche aufgeben und auch keinen der in den letzten Jahrzehnten so beliebten mehrdeutigen Formelkompromisse eingehen würde.

Aber gibt es unter diesen Umständen viel Spielraum für eine Änderung? Müßte nicht jeder Versuch, Mißverständnisse auf der einen Seite zu vermeiden, neue Mißverständnisse auf einer anderen Seite eröffnen? Und öffnet nicht ein weiterer Eingriff in die überlieferte Textgestalt unter den aktuellen Bedingungen die Tür für einen Weg, der immer steiler abwärts führen müßte? Schließlich gibt es noch andere Wünsche zu Änderungen am überlieferten Ritus - und die kommen nicht von außen, sondern aus den Sektoren der Kirche selbst, die weiterhin den Bruch mit der Traditon betreiben.

Vertrauen ist angebracht, daß Papst Benedikt, der sich bis jetzt mit offensichtlicher Führung durch den Hl. Geist allen Herausforderungen gewachsen gezeigt hat, auch in dieser Frage den richtigen Weg findet. Und auch etwas Mißtrauen sich selbst gegenüber, ob hinter der Sorge um die Unversehrtheit der Texte nicht manchmal auch weniger edle Gefühlsregungen stecken - Rechthaberei oder beleidigter Stolz beispielsweise. Dem Mann auf dem Stuhl Petri jetzt die Gefolgschaft aufzukündigen wirft auf das „sentire cum ecclesia“ derer, die so weit gehen, ein schlechtes Licht.

Vor allem aber: Noch ist alles nur ein Gerücht, und vieles deutet darauf hin, daß es genau dabei bleibt.


Der Wortgebrauch der traditionellen Karfreitags-Fürbitte für die Bekehrung der Juden geht im Wesentlichen auf den 2. Brief des Apostel Paulus an die Korinther, 3.12-16, zurück - wir zitieren die Passage nach der Herder-Bibel:

Zitat: Von solcher Hoffnung erfüllt, treten wir mit großem Freimut auf und machen es nicht wie Mose, der über sein Gesicht eine Hülle legte, damit die Israeliten nicht das Ende des vergänglichen Glanzes sahen. Aber ihr Denken wurde verhärtet. Denn bis auf den heutigen Tag liegt dieselbe Hülle auf dem Alten Bund, wenn daraus vorgelesen wird, und sie wird nicht weggetan, weil sie nur in Christus abgetan wird. Ja bis heute liegt, sooft Mose vorgelesen wird, eine Hülle auf ihrem Herzen. Sobald sich jedoch einer zum Herrn bekehrt, wird die Hülle fortgenommen.