Motu Proprio: Summorum Pontificum

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Zusatzinfo

„Den wahren Wert der Botschaft Jesu entdecken wir nur auf den Knien“

Ein Interview mit Erzbischof Ranjith in der Tagespost von Regina Einig

Frage: Asien gilt in Europa als der Kontinent der Kontemplation, der Mystik und der spirituellen Tiefe. Was kann die Universalkirche von der Kirche in Asien lernen?

Erzbischof Ranjith: Die Universalkirche kann vieles von der Kirche in Asien lernen. Voraussetzung dafür ist die richtig verstandene Inkulturation, das heißt die gelungene Integration bestimmter Bestandteile der asiatischen Kultur in das gelebte Christentum. Ich spreche hier ausdrücklich von der richtig verstandenen Inkulturation, denn Inkulturation ist in Asien teilweise vollkommen missverstanden worden, nicht zuletzt von denen, die über Inkulturation reden. Wir dürfen uns also keinen Täuschungen über das hingeben, was wirklich asiatisch ist. Mit Blick auf westliche Ideologien, Denkrichtungen, den Einfluss des Säkularismus und horizontale Sichtweisen, die den Menschen nicht wirklich frei machen, kann von asiatischer Spiritualität und asiatischen Werten überhaupt keine Rede sein. Nur wenn wir zu den Wurzeln zurückgehen und authentisch über asiatische Werte und den asiatischen Lebensstil sprechen, können wir einen Beitrag zur Universalkirche leisten. Alles andere wäre Schall und Rauch. Um eine oberflächliche Sicht der Inkulturation zu vermeiden, müssen wir unterscheiden zwischen dem, was wirklich asiatisch ist und dem, was zu den asiatischen Religionen gehört. Viele religiöse Praktiken haben sich aus dem Alltag entwickelt. Beides zu verwechseln wäre nur der Nährboden einer synkretistischen Theologie und einer Zerstörung der römisch-katholischen Lebensweise. Daher müssen wir erst eine Art Entmythologisierung vornehmen und schauen, was hinter den verschiedenen religiösen Haltungen steht. Erst dann lässt sich erkennen, was wirklich asiatisch ist.

Frage: Wo sehen Sie Beispiele für nicht gelungene christliche Inkulturation in Asien?

Erzbischof Ranjith: Es ist zum Beispiel durch und durch asiatisch, religiöse Symbole zu respektieren, beispielsweise Priesterkleidung und das Ordensgewand. In keinem buddhistischen Tempel wird man Mönche anders als in der Mönchskutte antreffen. Auch die Hindusanyasis haben ihre Identitätszeichen, die sie im Tempel oder auf der Straße von den anderen unterscheiden. Diese Haltung ist weder typisch buddhistisch noch ist sie typisch hinduistisch, sie ist asiatisch. Die Asiaten möchten mit diesen Symbolen auf die Wirklichkeit hinter der äußerlich sichtbaren Realität verweisen. Sie betrachten beispielsweise das Priester- oder Ordensgewand als eine Auszeichnung, das den Betreffenden aufgrund seines persönlichen Ideals aus der Masse heraushebt. Wenn Priester und Ordensleute in westlicher Zivilkleidung auftreten und ihren Stand nicht zu erkennen geben, dann hat das nichts mit Inkulturation zu tun, sondern mit einem pseudoasiatischen Look, der in Wirklichkeit eher europäisch ist. Daher ist es sehr zu bedauern, dass Priester und Ordensleute in vielen Ländern Asiens keine ihrem Stand entsprechende Kleidung mehr tragen. Eine der weltweit bekannten Kongregationen, die erfolgreich ein Ordenskleid nach dem Vorbild des einheimischen Kleidungsstils entworfen hat, ist die Kongregation der Missionarinnen der Nächstenliebe (die Schwestern von Mutter Teresa). Sie sind ein Beispiel für gelungene christliche Inkulturation, weil jedes Kind auf der Straße sie sofort zuordnen kann.

Frage: Welche Maßstäbe gelten für erfolgreiche Inkulturation?

Erzbischof Ranjith: Im Synodentext „Ecclesia in Asia“ heißt es ausdrücklich, dass Christus Asiate war. Die Wurzeln des Christentums und der jüdischen Kultur, der Jesus in Jerusalem begegnete, waren asiatisch. Natürlich hat sich das Christentum im Westen durch das griechisch-römische Denken ausgebreitet. Der heilige Paulus und andere waren dabei eine Art Türöffner. Leider haben die Wirren der Geschichte eine frühe Ausbreitung des Christentums in Asien unmöglich gemacht. Es gab schlicht nicht genügend „input“ in das asiatische Denken. In Asien herrscht zwar mit Blick auf das Christentum das Bild einer von den Kolonialherren importierten Religion vor. Doch das trifft nicht zu. Das Christentum kam lange vor den Kolonialmächten nach Asien. In Indien haben wir beispielsweise die starke Tradition der Thomaschristen. Wer das Christentum auf die asiatische Lebensweise übertragen will, muss Demut zeigen vor dem Geheimnis Gottes. Nur einem gläubigen Menschen kann das gelingen. Das ist keine Frage theologischer oder philosophischer Kompetenz. Der einfache, gläubige Mann auf der Straße mag da oft sogar im Vorteil sein, weil er sich dem Geheimnis Gottes unvoreingenommener nähert und ganz durchdrungen ist von der christlichen Botschaft. Die vox populi spielt für die Inkulturation eine gewichtige Rolle.

Nur mit tiefgläubigen Menschen, die beten, ist erfolgreiche Inkulturation möglich. Theologen vergessen oft, dass wir den wahre Wert der Botschaft Jesu nur auf den Knien entdecken. Das sehen wir an der Art, in der Paulus missioniert hat. Er war ein Mann Gottes, der Gott liebte und sein Leben total für Christus eingesetzt hat und in ständiger Verbindung mit ihm gelebt hat. Nur solche Menschen können die Maßstäbe für christliche Inkulturation sein. Andernfalls kommt das Christentum nicht über die Buchdeckel hinaus. Und leider muss man sagen, dass es derzeit kein seriöses theologisches Denken in Asien gibt. Wir haben ein großes Potpourri der Gedanken: ein bisschen Befreiungstheologie aus Lateinamerika, ein bisschen westliche Theologie, etwas von den philosophischen Strömungen an den westlichen Universitäten – alles wird ungestüm ausprobiert. Daher gibt es eine Art Isolierung, durch die man nicht mehr offen ist für das Geheimnis der Wege Gottes. Theologie wird nur für eine Art menschliches Ereignis gehalten. Es fehlt die Offenheit für das Licht Gottes. Das Gespür für die tiefe mystische Einheit mit Gott fehlt ebenso wie die Fähigkeit, den Glauben des einfachen Menschen zu verstehen. Aber gerade diese Eigenschaften braucht ein Theologe.

Frage: Aus Asien sind auch Stimmen zu hören, die Debatte um die tridentische Liturgie sei typisch europäisch und habe nichts mit den Sorgen der Leute in den Missionsgebieten zu tun. Wie sehen Sie das?

Erzbischof Ranjith: Nun, das sind Einzelmeinungen, die man nicht für die katholische Kirche verallgemeinern kann. Dass ganz Asien die tridentinische Messe ablehnt, ist unvorstellbar. Man muss sich auch vor Verallgemeinerungen wie „die alte Messe passt nicht nach Asien“ hüten. Gerade die Liturgie im außerordentlichen Ritus spiegelt nämlich einige asiatische Werte in ihrer ganzen Tiefe. Vor allem der Erlösungsaspekt und die vertikale Sichtweise des menschlichen Lebens, die tief personalisierte Beziehung zwischen Gott und dem Priester und Gott und der Gemeinde kommen in der alten Liturgie deutlicher zum Ausdruck als im Novus ordo. Der Novus ordo betont dagegen eher die horizontale Sicht. Das heißt nicht, dass der Novus ordo selbst für eine horizontale Sicht steht, sondern eher seine Lesart durch verschiedene liturgische Schulen, die die heilige Messe eher als ein Gemeinschaftserlebnis betrachten. Wenn eingespielte Denkweisen in Frage gestellt werden, reagieren manche allerdings verunsichert. Die heilige Messe ist nicht nur ein Gedächtnis des Abendmahls, sondern auch das Opfer Christi und das Geheimnis unserer Rettung. Ohne Karfreitag hat das Abendmahl keine Bedeutung. Das Kreuz ist das wunderbare Zeichen für Gottes Liebe und nur in Beziehung zum Kreuz ist wahre Gemeinschaft überhaupt möglich. Hier liegt der eigentliche Ansatzpunkt für die Evangelisierung Asiens.

Frage: Inwiefern hat die nachkonziliare Liturgiereform zur geistlichen Erneuerung beigetragen?

Erzbischof Ranjith: Der Gebrauch der Volkssprache hat viele Menschen das Geheimnis der Eucharistie tiefer verstehen lassen und eine intensivere Beziehung zu den Schrifttexten vermittelt. Auch die tätige Teilnahme der Gläubigen ist gefördert worden. Das darf allerdings nicht heißen, dass die Messe ganz auf Dialog ausgerichtet sein soll. Die Messe muss Momente der Stille, der Innerlichkeit und des persönlichen Gebets beinhalten. Wo pausenlos gesprochen wird, kann der Mensch nicht tief vom Mysterium durchdrungen werden. Wir sollen vor Gott nicht ununterbrochen reden, sondern ihn auch zu Wort kommen lassen. Die liturgische Erneuerung ist allerdings beeinträchtigt worden durch die experimentelle Beliebigkeit, mit der die Messe heute als „do-it-yourself-Liturgie“ frei gestaltet wird.

Der Geist der Liturgie ist sozusagen entführt worden. Was geschehen ist, lässt sich nun nicht mehr rückgängig machen. Fakt ist, dass unsere Kirchen leerer geworden sind. Natürlich gibt es dafür auch andere Faktoren: Das ungezügelte Konsumverhalten, den Säkularismus, ein übersteigertes Bild vom Menschen. Wir müssen den Mut zur Kurskorrektur aufbringen, denn nicht alles, was nach der Liturgiereform geschehen ist, war im Sinne des Konzils. Warum sollten wir Ballast mitschleppen, den das Konzil gar nicht wollte?

Frage: In Deutschland werden immer häufiger heilige Messen von Wortgottesdienstfeiern durch Laien abgelöst, obwohl genügend Priester zur Verfügung stehen. Dafür müssen Priester im Zug von Pfarrfusionen vielerorts häufiger konzelebrieren, so dass noch mehr Messen ausfallen. Muss die Kirche die Praxis der Konzelebration neu überdenken?

Das ist weniger eine Frage der Konzelebration als eine Frage des Messverständnisses und des Priesterbilds. Der Priester vollzieht in der Eucharistie, was andere nicht tun können. Als alter Christus ist nicht er die Hauptperson, sondern der Herr. Konzelebrationen sollten auf besondere Gelegenheiten beschränkt werden. Eine Konzelebration, die für eine Entpersönlichung der Messfeier steht, ist daher ebenso falsch wie die Vorstellung, man könne Priester zum regelmäßigen Konzelebrieren verpflichten oder Kirchen in verschiedenen Dörfern schließen und die Messe auf einen Ort konzentrieren, obwohl genügend Zelebranten zur Verfügung stehen.