„Messe im Gregorianischen Ritus künftig in allen Pfarreien“
Auszüge aus den Mitschriften von Damian Thompson von der Pressekonferenz von Dario Kardinal Castrillon Hoyos in London am 14. 6. 2008
15. 6. 2008
Diese Auszüge geben genau den Umfang des von Thompson auf seiner Website veröffentlichten Materials wieder. Wir haben diese Mitschrift so exakt wie möglich übersetzt und dabei versucht, auch die gelegentlichen sprachlichen Unvollkommenheiten des von S. E. gesprochenen Englisch zu erhalten - insbesondere da, wo möglichweerweise interpretationsbedürftige Dinge angesprochen sind.
Elena Curti (The Tablet): Euer Eminenz, ich möchte gerne fragen, was Sie von der Reaktion der Bischöfe von England und Wales auf das Motu Proprio des Papstes halten?
Kardinal: Ich denke, es war eine gute Reaktion. Es gibt ein paar Schwierigkeiten, weil es eine neue Art die Liturgie zu feiern darstellt und sie Zeit brauchen, Priester und Katecheten für die Anforderungen der außerordentlichen Form vorzubereiten.
Reuters: In einigen Teilen der Welt scheint es bei den Ortsbischöfen Widerstand dagegen zu geben, die Gläubigen ihr Recht zur Feier der außerordentlichen Form ausüben zu lassen. Wie sollen sich die Gläubigen nach Ihrer Empfehlung verhalten?
Kardinal: Sich zu informieren. Viele Probleme kommen daher, daß man die Realität des Gregorianischen Ritus nicht kennt – das ist der passende Name für die außerordentliche Form, weil diese Messe niemals aufgehoben wurde, niemals. Heute ist es für viele Bischöfe schwierig, weil sie keine Priester haben, die Latein können. Viele Seminare erteilen nur sehr wenige Lateinstunden – das reicht nicht für die Vorbereitung, die erforderlich ist, um die außerordentliche Form gut zu zelebrieren. Andere denken, daß der hl. Vater sich gegen das zweite vatikanische Konzil wendet. Das ist völlige Ignoranz. Die Väter des Konzils haben nie eine andere Messe gefeiert als die Gregorianische. (Der Novus Ordo) kam erst nach dem Konzil.... Der Heilige Vater ist ein Theologe und er war an der Vorbereitung des Konzils beteiligt, und er verfährt ganz genau nach den Vorgaben des Konzils, wenn er Freiheit zur den verschiedenen Weisen der Messfeier einräumt. Diese Weise, die Gregorianische, war für mehr als Tausend Jahr die Weise der Kirche... Andere sagen, man könne nicht mit dem Rücken zu den Gläubigen zelebrieren. Das ist lächerlich. Der Sohn Gottes hat sich selbst dem Vater aufgeopfert und dabei sein Gesicht dem Vater zugewandt. Es ist nicht gegen das Volk, es ist für das Volk. ...
Damian Thompson (Telegraf): Euer Eminenz, würde der hl. Vater es wollen, daß normale Pfarreien in England, die nichts vom Gregorianischen Ritus wissen, darin eingeführt werden?
Kardinal: Ja, natürlich. Wir können das nicht feiern ohne die Kenntnis der Sprache und ohne die Zeichen und die Rubriken des Ritus, und verschiedene Einrichtungen der Kirche bieten dazu ihre Unterstützung an.
DT: Das heißt, der Papst wünscht, daß viele normale Pfarreien sich darauf einrichten, den Gregorianischen Ritus zu feiern?
Kardinal: Alle Pfarreien. Nicht viele; alle Pfarreien, weil das eine Gabe Gottes ist. Er bietet uns diesen Reichtum an, und es ist für die neuen Generationen sehr wichtig, die Vergangenheit der Kirche zu kennen. Diese Art des Gottesdienstes ist so vornehm und so schön – die größten Theologen haben darin unseren Glauben zum Ausdruck gebracht. Der Gottesdienst, die Musik, die Architektur, die Gemälde – das bildet ein Ganzes von höchstem Wert. Der hl. Vater will diese Möglichkeit allen Gläubigen eröffnen, nicht nur den wenigen Gruppen, die danach verlangen, sondern so, daß alle in der Katholischen Kirche diese Weise zur Feier der Eucharistie kennen.
Anna Arco (The Catholic Herald): In diesem Zusammenhang: Wollen Sie erreichen, daß alle Seminare in England und Wales die Seminaristen in der Feier der außerordentlichen Form unterrichten?
Kardinal: Das möchte ich, das wird notwendig sein. Wir schreiben die Seminare an, wir stimmen darin überein, daß wir eine solide Vorbereitung vornehmen müssen, nicht nur für den Ritus, sondern auch für die Theologie, die Philosophie und die lateinische Sprache.
DT: Wie würden die praktischen Schritte zur Vorbereitung für eine normale Gemeinde aussehen?
Kardinal: Indem der Pfarrer eine Zeit am Sonntag für die Feier der Messe festsetzt und die Gemeinde mit einer Katechese zum Verständnis vorbereitet, damit sie die Kraft des Schweigens, die Kraft der heiligen Riten vor dem Angesicht Gottes und die tiefe Theologie schätzen kann, damit sie erkennt, wie und warum der Priester in der Person Christi handelt und damit sie mit dem Priester beten kann.
EC: Euer Eminenz, Ich denke, viele Katholiken sind durch diese neue Betonung des tridentinischen Ritus eher irritiert, vor allem, weil man uns gelehrt hat, daß der neue Ritus wahren Fortschritt bedeutet, und viele von uns, die mit ihm aufgewachsen sind, sehen es auch als einen wahren Fortschritt, daß es nun außerordentliche Kommunionspender und Frauen im Altarraum gibt, daß wir alle Priester, Propheten und Könige sind. Diese neue Betonung scheint das alles zu verneinen.
Kardinal: Was ist Fortschritt? „Progredire“ heißt, Gott das beste zu geben. Ich bin überrascht, denn viele junge Leute sind ganz begeistert von der Feier des gregorianischen Ritus.
EC: Im Motu Proprio betont der Papst, daß es ein Ritus in zwei Formen ist, und den tridentinischen Ritus spricht er als den „außerordentlichen“ an. Außerordentlich – das heißt „ausnahmsweise“, und nicht etwas, was wir jeden Sonntag feiern.
Kardinal: Nicht „ausnahmsweise“. „Außerordentlich“ heißt „außergewöhnlich“, nicht „ausnahmsweise“.
EC: Sollte er daher den neuen Ritus verdrängen? Sollen wir zurückgehen?
Kardinal: Es geht nicht um ein zurückgehen. Es geht darum, einen Schatz zu ergreifen, der gegenwärtig ist, der aber nicht zugänglich war. Aber das braucht seine Zeit. Die Umsetzung der Reformen des Zweiten Vatikanischen Konzils hat Jahre gebraucht. Es braucht seine Zeit, die tiefe Weisheit des alten Ritus zu verstehen. Der hl. Vater kehrt nicht in die Vergangenheit zurück. Er nimmt einen Schatz der Vergangenheit, um ihn neben der reichen Feier des neuen Ritus anzubieten. Der zweite Kanon des neuen Ritus ist tatsächlich der älteste. Es ist keine Sache der Konfrontation, sondern des brüderlichen Dialogs.
DT: wird es eine Klarstellung zum Motu Proprio geben?
Kardinal: Nicht direkt eine Klarstellung zum Motu Proprio, aber zu einigen darin behandelten Gegenständen, z.B. das Kalendarium, die Subdiakonatsweihen, die Verwendung der Gewänder, das eucharistische Fasten.
DT: Wie ist das mit der „Stabilen Gruppe“?
Kardinal: Das ist eine Sache des gesunden Menschenverstandes. Im Haushalt jedes Bischofs gibt es drei oder vier Personen – die bilden eine stabile Gruppe. Man kann nicht für zwei Leute eine Messe ansetzen, aber zwei hier und zwei dort und zwei anderswo – das gibt eine stabile Gruppe.
DT: Aus verschiedenen Pfarreien?
Kardinal: Keine Frage. So ist unsere Welt. Manager von Großunternehmen leben nicht alle an einem Ort, aber sie bilden eine stabile Gruppe.
[Schlußbemerkung von Thompson:] Mehr dazu später. Anschließend zelebrierte der Kardinal ein traditionelles Pontifikalamt in der Kathedrale von Westminster – zum ersten Mal seit den 60er Jahren. Kardinal Murphy-O'Conner war nicht anwesend, sondern ließ eine kurze und ziemlich kühle Grußbotschaft verlesen. Auch keiner der anderen Bischöfe von Westminster nahm an diesem großen Ereignis teil.