Motu Proprio: Summorum Pontificum

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Zusatzinfo

Der Kampf um das Konzil

Wer darf Bischof der Katholischen Kirche werden –
und wer bestimmt das?

17. 2. 2002

Wie bereits die Aufhebung der Exkommunikation der FSSPX-Bischöfe hat uns jetzt auch die Entwicklung um Nicht-Bischof Wagner dazu veranlaßt, die Umsetzung von „Summorum Pontificum“ als unserem eigentlichen Thema fast völlig in den Hintergrund treten zu lassen. Der Grund dafür ist unmittelbar einsichtig: Die Freigabe der alten Liturgie durch Papst Benedikt XVI erweist sich als der vielleicht sinnfälligste, aber bei weitem nicht einzige Ausdruck eines enormen Ringens um die Gestalt der Kirche in der Welt. Wenn in diesem Kampf – denn ein Kampf ist es - andere Fragen so drängend in den Vordergrund treten wie jetzt, können wir trotz unserer klaren thematischen Zielsetzung nicht abseits stehen. 40 Jahre nach dem Ende des 2. Vatikanums geht die Auseinandersetzung zwischen denen, für die Christus vor 2000 Jahre seine Kirche gegründet und im Heiligen Geist über 21 Konzilien hinweg geleitet hat, und denen, die 1965 ihre neue Religion erfunden sehen wollen, in eine neue und entscheidende Phase.

Mit seiner Neujahrsrede 2005 vor der Kurie hat der Heilige Vater die Auseinandersetzung zwischen den Hermeneutiken des Bruches und denen der Kontinuität als Hauptthema seines Pontifikates angesprochen. Da stehen wir ohne Wenn und Aber an seiner Seite, auf welches Feld sich der Kampf auch aktuell gerade verlagert.

Auch am dritten Tag nach dem angeblich vom Papst bereits am Sonntag akzeptierten Amtsverzicht des ernannten Weihbischofs Wagner gibt es aus Rom dafür noch keine Bestätigung – deutlicher kann und und wird der Vatikan nicht ausdrücken, daß die österreichischen Bischöfe die Unwahrheit sagten, als sie der Presse ihre „volle Übereinstimmung“ mit dem Papst ausrichten ließen. Tatsächlich ist der ganze Hirtenbrief vom 15. Februar ein Zeugnis dafür, wie weit die beschließende Mehrheit dieser Bischöfe sich schon von Rom gelöst hat. Kaum verhüllt werfen sie dem Papst vor, er habe das im Kirchenrecht vorgesehene Verfahren zur Auswahl eines Bischofs nicht eingehalten und eine Entscheidung getroffen, ohne sich dafür auf verläßliche und umfassend geprüfte Grundlagen stützen zu können. Darüber, was in den Augen seiner Verfasser die wichtigstes dieser Grundlagen ist, läßt der „Hirtenbrief“ keinen Zweifel: Es geht um die „Kommunikation“. Ein Bischof muß „vermittelbar“ sein, nicht mehr der Kaiser, wohl aber die Massenmedien haben ein Vetorecht, und selbstverständlich auch jenes „dichte Netz aktiver Pfarrgemeinden und Seelsorgezentren“, das „ein ausgeprägtes Gespür für die soziale Dimension des Christseins“ entwickelt hat.

Das kann man wörtlich nehmen. Allerdings besteht diese „soziale Dimension“, wie sie nicht nur in Oberösterreich, sondern vielen Diözesen Österreichs und Deutschlands verstanden wird, im wesentlichen darin, den eigenen Arbeitsplatz im „Unternehmen Bistum“ gut durch alle Krisen zu bringen, und das heißt in erster Linie: Öffentliche Zustimmung zum Zwangseinzug der Kirchensteuer, des Kirchenbeitrages durch den Staat zu organisieren.

Seelsorge – davon scheint ja Pfarrer Wagner, der nicht Bischof werden soll, eine Menge zu verstehen – spielt dabei die geringste Rolle, von der „seelischen Dimension des Christseins“, die darin besteht, möglichst viele Menschenseelen aus der in Sünde verstrickten Welt in den Himmel zu bringen, ist im Unternehmen Bistum auffällig selten die Rede. Aber auch das, was man in den meisten anderen Firmen als „Kundenzufriedenheit“ ganz wesentlich in die Strategie einbeziehen muß, spielt im „Unternehmen Bistum“, wie es in den deutschsprachigen Ländern realisiert ist, keine wesentliche Rolle: Ob und wieviele Menschen die Gottesdienste besuchen und an den Sakramenten teilnehmen ist weitaus weniger wichtig als die Frage, ob Öffentlichkeit und Politik die „Dienstleistungen“ des Apparates für „förderungswürdig“ im Sinne der Zivilgesellschaft halten oder nicht.

Ein Mann wie Gerhard Wagner, daran kann es keinen Zweifel geben, hätte diese Förderungswürdigkeit aufs Spiel gesetzt. Die Zivilgesellschaft schätzt es nicht, wenn man von ihren Sünden spricht. Sie sieht in sich die beste aller denkbaren Gesellschaften verwirklicht und verlangt Affirmation – ihre Grundsätze in Frage zu stellen wird bestenfalls insoweit geduldet, wie es sich im stillen Kämmerlein vollzieht.

In diesem Umfeld ist von den Grundsätzen der „seelischen Dimension des Christseins“ gewohnheitsmäßig so wenig die Rede, daß der normale Kirchenbeitragszahler diese Grundsätze gar nicht mehr erkennt, wenn ihm unvermutet doch einmal einer davon begegnen sollte, ohne durch Verkleidung im Zeitgeistvokabular unkenntlich, wirkungslos und so erträglich gemacht worden zu sein. Zwar kann auch die Säkulargesellschaft nicht ohne Sündenbewußtsein bestehen – die „Klimasünder“ müssen sich durchaus die Schuld an Umweltkatastrophen zurechnen lassen; solange das welt-immanent bleibt, ist alles in Ordnung. Nur Gott soll man aus dem Spiel lassen, daß der Herr der Schöpfung seine schützende Hand von dieser zurückzieht, wo sie sich gegen ihn empört, soll nicht gedacht werden dürfen.

Nun stehen wir also staunend vor dem Schauspiel einer Kirchenprovinz, die sich unter dem Vorwand der „Öffnung zur Welt“ so weit in Abhängigkeit von der Säkulargesellschaft begeben hat, daß sie sich immer offener von allen inhaltlichen und strukturellen Grundsätzen des Glaubens distanzieren muß, um die gewählte Form der materiellen Existenz zu erhalten. Im Hirtenbrief der österreichischen Bischöfe kommt das sehr gut zum Ausdruck im 6. Abschnitt, der auf die in nicht nur in Oberösterreich virulente Infragestellung des Weihepriestertums Bezug nimmt. Zu mehr als zu einer Mahnung, die bestehenden Differenzen „im Gespräch mit der Universalkirche“ zu behandeln, konnten sich die Bischöfe nicht mehr aufraffen. Sie verweigern eine klare Aussage darüber, daß es bei diesen Differenzen sehr wohl eine richtige und eine unzulässige Position gibt und erwecken den Eindruck, daß es an ihnen nicht scheitern solle, wenn die Weltkirche das von Christus eingesetzte Priestertum zugunsten des propagierten „Laienpriestertums“ aufgeben wollte.

Ein Gutes hat die „Causa Wagner“, die darin durchaus logisch an die „Causa Williamson“ anschließt: Die Säkulargesellschaft fordert von der Kirche die Unterwerfung unter ihre Maßstäbe und Wertsetzungen, und große Teile des Episkopats – das gilt jetzt über die deutschsprachigen Länder hinaus – sind bereit, sich zur Aufrechterhaltung des auskömmlichen „Status quo“ der bestehenden Diözesanverfassung dieser Forderung zu unterwerfen. Damit stellt sich die Frage, wie dieser Episkopat zusammengesetzt und ergänzt werden soll, in neuer Schärfe. Eine Degradierung des Papstes zum Notar vor Ort ausgehandelter Beschlüsse, wie sie den österreichischen Bischöfen vorzuschweben scheint, wäre sicher der falsche Weg. Er würde nur dahin führen, daß „Standard“ und ORF, „SPIEGEL“ und ARD bestimmen könnten, wer die Bistümer führt. Ein Rückfall ins finsterste Mittelalter.

Die Alternative besteht darin, jenen auskömmlichen Status Quo der Diözesanverfassungen in Frage zu stellen, der die verfasste Kirche Mitteleuropas in der Zwangslage hält, in der sich ihre „Hirten“ derzeit so verzweifelt winden. In einer Welt, in der – ganz entgegen den überoptimistischen Erwartungen von „Gaudium und Spes“ - die Feindschaft zu Gott als herrschender Grundzug zu Tage tritt, kann Kirche nicht in Abhängigkeit von staatlichen Rentämtern, populistischen Politikern und atheistischen Massenmedien bestehen.

Das heißt nicht, den Weg zurück in die Katakomben zu empfehlen. Aber zweifellos würde die Wahl dieser Alternative dazu führen, den personalintensiven Apparat der Kirche in Deutschland und Österreich, das „Unternehmen Bistum“, stark abzuschmelzen und nach Zielsetzung und Arbeitsweise von Grund auf umzugestalten. Die angeblichen Reformkräfte der Kirche, die sich längst als Gewerkschaft zur Absicherung des eigenen sozialen Status umdefiniert haben, werden da wie jetzt in Linz erbitterten Widerstand leisten.

Wie weit sie dabei gehen werden, ist im Moment schwer abzusehen. Wenn man das Zusammenspiel der „Kirchenreformer“ mit der ÖVP betrachtet, erscheint es durchaus denkbar, daß sie auf Etablierung einer staatsnahen Nationalkirche drängen, die sich von der Bindung an ein „nicht mehr zeitgemäßes Papsttum“ und das katholische Sakramentenverständnis ganz löst und unter Anleitung „unseres gemeinsamen Lehrers Luther“ (Karl Lehmann) zur protestantischen Gemeinschaft wird. Wie deren weiterer Entwicklungsweg aussehen müßte, ist am gegenwärtigen Untergang der Anglikanischen Gemeinschaft zu besichtigen.


Zur Ergänzung und Vertiefung empfehlen wir aus der großen Zahl von Veröffentlichungen der letzten Tage: