Aus der Kommission „Ecclesia Dei“:
Ansprache von S. E. Cardinal Castrillon Hoyos vor der Latin Mass Society von England und Wales.
London, 14. Juni 2008.
17. 6. 2008
Als Vorlage für diese Übersetzung diente der Text der Ansprache, wie er auf TNLM vom 17. 6. 08 wiedergegeben worden ist. Die versprochenen Anmerkungen sind inzwischen (18. 6.) gemacht. Wir hoffen, das aufregende Thema „Kardinal Hoyos in London“ in den nächsten Tagen mit einem zusammenfassenden Kommentar abschließen zu können.
Herr Vorsitzender, Hochwürdige Monsignori und Priester, meine Damen und Herren.
Ich danke ihnen für ihre freundliche Einladung und den herzlichen Empfang. Es ist mir ein Vergnügen, heute in London bei Ihnen zu sein und vor der Jahreshauptversammlung der Latin Mass Society von England und Wales zu sprechen.
Ich freue mich darauf, heute Nachmittag das heilige Messopfer in der großen, schönen und geschichtsträchtigen Kathedrale von Westminster für Sie feiern zu können.
Ich möchte heute über drei miteiinander zusammenhängende Gegenstände sprechen:
I.
Als erstes möchte ich sagen, wie sehr ich die Arbeit der Latin Mass Society in den letzten vier Jahrzehnten zu schätzen weiß. Sie haben mit und unter Ihren Bischöfen gearbeitet, auch als sie nichts von dem erreichten, was sie erhofft haben. In allem, was Sie getan haben, sind sie dem hl. Stuhl und dem Nachfolger des hl. Petrus treu geblieben. Sie sind der Kirche während einer sehr schwierigen Zeit treu geblieben, einer Zeit, die für diejenigen, die den Reichtum ihrer Alten Liturgie schätzen, ganz besonders schwer war. Es liegt auf der Hand, daß diese Jahre viel Leid gebracht haben, aber unser gütiger Herr weiß das alles und wird in seiner göttlichen Vorsehung durch ihre Opfer und das Opfer derer, die diesen heutigen Tag nicht mehr erleben können, viel Gutes bewirken. Ihnen allen sage ich im Namen der Kirche Dank dafür, daß sie der Kirche und dem Stellvertreter Christi treu geblieben sind, Dank dafür, daß sie sich durch ihre Liebe für die klassische römische Liturgie nicht von der Einheit mit dem Stellvertreter Christi abbringen ließen.
Diese Ausführungen, besonders über das viele Leid, das die vergangenen Jahre gebracht haben, die dann im folgenden Abnsatz noch einmal aufgegriffen werden, kommen der von Thomas E. Wood erwarteten Entschuldigung für zugefügtes Unrecht schon sehr nahe. Sie sind gleichzeitig ein Ansport dazu, sich auch bei den zu erwartenden weiteren Schwierigkeiten nicht von der Treue zum Papst und dem Gehorsam zur Kirche abbringen zu lassen - auch wenn selbst ungehorsame Bischöfe das manchmal sehr schwer machen.
Ich sage auch: Seid zuversichtlich!, denn die vielen jungen Leute in England und Wales, die die alte Liturgie der Kirche schätzen, zeigen unübersehbar, daß es ihnen gelungen ist, die Liebe für diese Liturgie für ihre Kinder zu erhalten und weiterzzugeben.
II.
Zweitens möchte ich mit ihnen über das Motu Proprio Summorum Pontificum unseres geliebten Heiligen Vaters Benedik XVI. sprechen. Ich weiß, was für eine große Freude die Veröffentlichung von Summorum Pontificum für ihre Mitglieder und für viele gläubige Katholiken in der ganzen Welt bedeutet hat. Zur Antwort auf die Gebete und Leiden so vieler Menschen in den vergangenen 40 Jahren hat der Allmächtige Gott uns einen Obersten Hirten geschenkt, der für euer Anliegen sehr empfänglich ist. Papst Benedikt XVI. kennt und schätzt ganz außerordentlich die Bedeutung der altüberlieferten liturgischen Riten für die Kirche – für die Kirche von heute ebenso wie für die Kirche der Zukunft. Aus diesem Grunde hat er ein rechtsverbindliches Dokument veröffentlicht – ein Motu Proprio – das die rechtliche Freigabe der älteren Riten für die ganze Kirche bestimmt. Es ist sehr wichtig, sich darüber im klaren zu sein, daß Summorum Pontificum in der Kirche eine neue rechtliche Wirklichkeit hergestellt hat.
Das bezieht sich, wie der Kardinal ausdrücklich anmerkt, auch auf die Kirche der Zukunft. Dabei muß man sich darüber im Klaren sein, daß kein Papst seine Nachfolger rechtlich binden kann. Deshalb ist es auch so wichtig, daß Papst Benedikt in dieser ganzen Sache nicht nur juristisch, sondern auch theologisch argumentiert. Das Recht der Kirche ist wandelbar, und es bindet auch da, wo es unglücklich oder unklug formuliert sein sollte. Kein künftiger Papst ist an Summorum Pontificum rechtlich gebunden - aber wer dieses Recht ändern wollte, muß sich auch mit den theologischen Argumenten Benedikts XVI. auseinandersetzen.
Das Dokument gibt den gewöhnlichen Gläubigen und den Priestern Rechte, die von allen Amtsträgern respektiert werden müssen. Der Heilige Vater ist sich dessen bewußt, daß an vielen Orten der Welt die Bitten von Priestern und Laien, die nach den alten Riten verfahren wollten, unbeantwortet geblieben sind. Daher hat er nun mit seiner Autorität bestimmt, daß die Feier der älteren Form der Liturgie – des heiligen Messopfers ebenso wie der Sakramente und anderer liturgischer Riten ein gesetzmäßiges Recht für alle und nicht nur ein eingeräumtes Privileg ist.
Natürlich muß das in Übereinstimmung sowohl mit dem Kirchenrecht als auch mit den kirchlichen Oberen ausgeübt werden, aber die Oberen müssen auch anerkennen, daß diese Rechte nun durch den Stellvertreter Christi selbst fest im Kirchenrecht verankert sind. (Dieses Recht) ist ein Schatz, der der ganzen katholischen Kirche gehört und der allen Christgläubigen frei zugänglich sein soll. Das bedeutet, daß die Pfarrer und die Bischöfe die Bitten und die Anfragen der Gläubigen, die danach verlangen, erfüllen müssen, und daß die Priester und Bischöfe alles, was sie tun können, tun müssen, um den Gläubigen diesen großen Reichtum der Tradition der Kirche zugänglich zu machen.
Nach diesen Aussagen des für die „Administration“ des alten Ritus zuständigen Kommissionsvorsitzenden sind eigentlich keine weiteren Klärungen zur rechtlichen Bedeutung von Summorum Pontificum notwendig. Bischöfe oder Bischofskonferenzen, die davon abweichen sollten, stünden im offenen Widerspruch zum geltenden Recht. Was, wie an einigen Orten zu beobachten ist, leider nicht von allen gescheut wird.
In dieser Zeit unmittelbar nach der Veröffentlichung des Motu Proprio besteht unsere unmittelbare Aufgabe darin, die Feier der außerordentlichen Form des römischen Ritus da zu gewährleisten, wo die Gläubigen das besonders verlangen und wo ihre berechtigten Forderungen noch nicht erfüllt worden sind. Einerseits sollte kein Priester gezwungen werden, gegen seinen Willen die außerordentliche Form zu zelebrieren. Andererseits sollten die Priester, die nicht (selbst?) nach dem Missale von 1962 zelebrieren wollen, großzügig gegenüber den Bitten der Gläubigen sein, die das verlangen.
Mit diesen Ausführungen geht der Kardinal, der die Kirche und die Menschen sehr gut kennt, von der rechtlichen Ebene auf eine praktische Ebene der Argumentation über. Er ist sich darüber im Klaren, daß nicht alles, was das Gesetz verlangt oder ermöglicht, sofort und überall in optimaler Weise erfüllt werden kann, und daß das nicht unbedingt am schlechten Willen der Beteiligten liegen muß. Gerade deshalb ist es so wertvoll, daß er hier praktische Anregungen gibt, wie die berechtigten Ansprüche von Gläubigen zur Feier der Sakramente nach der altehrwürdigen Tradition der Liturgie des hl. Gregor auch da erfüllt werden können, wo die äußeren Umstände dem weniger günstig sind.
Soweit ich das sehe, sind hier zwei Dinge notwendig.
- Zunächst geht es darum, eine zentral gelegene Kirche zu finden, die für die größte Zahl der Gläubigen ausreicht, die diese Messe verlangt haben. Natürlich muß das eine Kirche sein, deren Pfarrer diese Gläubigen aus seiner und den umliegenden Pfarreien bereitwillig aufnimmt.
- Man muß Priester haben, die bereit sind nach dem Missale von 1962 zu zelebrieren und so jeden Sonntag diesen wichtigen pastoralen Dienst zu übernehmen.
In vielen Fällen wird es in den Dekanaten oder anderen diözesanen Einheiten einen oder mehrere Priester geben, die bereit sind oder sich sogar gerne dazu anbieten, diese Messe zu feiern. Die Bischöfe müssen diesen pastoralen Erfordernissen gegenüber aufgeschlossen sein und sie unterstützen. Es ist höchst bedauerlich, wenn Priester durch einschränkende rechtliche Verfügungen, die im Widerspruch zu den Absichten des Papstes und dem universellen Kirchenrecht erlassen worden sind, daran gehindert werden, die außerordentliche Form der hl. Messe zu zelebrieren.
Noch klarer kann man es unterhalb einer Drohung mit Amtsenthebung oder Interdikt eigentlich nicht sagen. Und die Klugheit gebietet es dem Papst, jedem Papst, mit solchen Drohungen sehr sparsam umzugehen. Aber die gleiche Klugheit sollte es auch den oppositionell gestimmten Bischöfen nahelegen, den Bogen nicht zu überspannen. Nach den Ausführungen des zuständigen Kardinals in dieser Rede kann im Konfliktfall kein Zweifel daran bestehen, wer auf der Seite des Rechtes steht und wer seine Macht mißbraucht, um das Recht zu brechen.
In dieser Beziehung freue ich mich, die Latin Mass Society dafür loben zu können, daß sie im vergangenen Sommer am Merton College in Oxford einen Kurs für Priester ermöglicht hat, auf dem viele Priester, die mit dem alten Ritus nicht vertraut waren, lernen konnten, wie man ihn zelebriert. Gerne gebe ich diser Initiat, die in diesem Jahr wiederholt werden soll, meinen Segen.
Lassen sie mich das ganz klar sagen: Der Heilige Vater will, daß die überlieferte Form der Messe regulärer Bestandteil des liturgischen Lebens der Kirche wird, damit alle Gläubigen – die jungen wie die alten – sich mit den alten Riten vertraut machen und von ihrer spürbaren Schönheit und Transzendenz profitieren können. Der Heilige Vater will das sowohl aus pastoralen als auch aus theologischen Gründen. In seinem Begleitbrief zu Summorum Pontificum hat Papst Benedikt geschrieben:
In der Geschichte der Liturgie gibt es Wachstum und Fortschritt, aber keinen Bruch. Was früheren Generationen heilig war, bleibt auch für uns heilig und groß, und es kann nicht plötzlich völig verboten oder soagar als schädlich angesehen werden. Es steht uns allen gut an, die Reichtümer, die sich im Glauben und dem Gebet der Kirche entwickelt haben, zu bewahren und ihnen ihren rechten Platz einzuräumen.“
III.
Das bringt mich zu meinen dritten Punkt. Sie sind zu Recht der Ansicht, daß der usus antiquior kein Museumsstück ist, sondern ein lebendiges Element des katholischen Gottesdienstes. Wenn er lebendig ist, müssen wir auch davon ausgehen, daß er sich entwickelt. Das sieht unser Heiliger Vater auch so. wie sie wissen, hat er aus eigenem Antrieb – motu proprio – entschieden, den Text des Gebetes für die Juden in der Karfreitagsliturgie zu ändern. Die Intention des Gebetes wurde dabei in keiner Weise abgeschwächt, aber er hat eine Formulierung vorgegeben, die Empfindlichkeiten respektiert. Auf ähnliche Weise hat Summorum Pontificum wie sie wissen ermöglicht, daß die Liturgie des Wortes in der Landessprache verkündet werden kann, ohne daß der Zelebrant das vorher in Latein vorträgt. Beim heutigen feierlichen Pontifikalamt werden die Lesungen selbstverständlich feierlich auf Latein gesungen, aber für weniger feierliche Gelegenheiten kann man die Liturgie des Wortes auch direkt in der Volkssprache vortragen.
Dem ist prinzipiell zuzustimmen. Trotzdem wäre es überaus sinnvoll, mit allen „Weiterentwicklungen“ des altüberlieferten Ritengefüges extrem vorsichtig voranzugehen - nicht zuletzt wegen der Leiden und Verwundungen der letzten vier Jahrzehnte, die der Kardinal ja mit dieser Rede in so beeindruckender Weise anerkannt hat. Der in Sacrosanctum Concilium (23) niedergelegte Grundsatz „Schließlich sollen keine Neuerungen eingeführt werden, es sei denn, ein wirklicher und sicher zu erhoffender Nutzen der Kirche verlange es“, darf nicht noch einmal so leichtsinnig mißachtet werden, wie das in den von Machbarkeitswahn und Selbstüberhebung geprägten Jahren nach dem Konzil geschehen ist. Die Ausführungen des Kardinals geben viel Grund zu der Erwartung, daß diese Lehre der Geschichte in seiner Kommission begriffen worden ist - ob auch überall in Rom, steht dahin.
Das ist bereits ein konkretes Beispiel dafür, was unser Heiliger Vater in seinem Begleitbrief zu Summorum Pontificum geschrieben hat:
Die beiden Formen des römischen Ritus können sich gegenseitig bereichern: Neue Heilige und einige der neuen Präfationen können und sollten in das alte Missale aufgenommen werden. Die Kommission Ecclesia Dei wird in Kontakt mit den verschiedenen Körperschaften, die sich dem usus antiquior widmen, die praktischen Möglichkeiten in dieser Hinsicht untersuchen.“
Selbstverständlich sind wir froh über ihren Input in dieser wichtigen Angelegenheit. Ich bitte sie nur darum, sich nicht prinzipiell gegen diese notwendige Anpassung zu stellen, die unser Heiliger Vater verlangt hat.
Diese Aufforderung sollte ernst- und wahrgenommen werden. Wir bitten unsere Leser, sich an dieser Diskussion zu beteiligen, die auf diesen Seiten in Zukunft verstärkt zu führen sein wird. Dabei sollte sowohl darüber gesprochen werden, ob und wo Veränderungen sinnvoll oder notwendig erscheinen, wo man sie als möglich hinnehmen, und wo man sie grundsätzlich ablehnen sollte. Diejenigen, die in der Beibehaltung und Wiederbelebung der überlieferten Liturgie einen unentbehrlichen Schritt für die Überwindung der Krise erkennen, können die Kommission Ecclesia Dei in dieser schwierigen Frage nicht alleine lassen.
Das bringt mich zu einem anderen wichtigen Punkt. Ich bin mir dessen bewußt, daß die Antwort der Päpstlichen Kommission Ecclesia Dei bezüglich der Einhaltung von gebotenen Feiertagen in einigen Kreisen einige Verwirrung ausgelöst hat. Es ist zu beachten, daß die Daten für diese Feiertage sowohl im Missale von 1962 wie auch in dem von 1970 unverändert bleiben. Wenn der heilige Stuhl es der Bischofskonferenz bestimmter Länder erlaubt hat, bestimmte Feiertage auf den folgenden Sonntag zu verlegen, gilt das für alle Katholiken dieses Landes. Nichts steht dagegen, das Fest Christi Himmelfahrt an dem vorhergehenden Donnerstag zu feiern, aber man muß sich darüber im klaren sein, daß es sich dabei um keinen gebotenen Feiertag handelt und daß die Messe von der Himmelfahrt auch am folgenden Sonntag gefeiert werden sollte. Ich bitte Sie, dieses Opfer bereitwillig als ein Zeichen der Einheit mit der Katholischen Kirche ihres Landes zu bringen.
Zuletzt möchte ich sie um ihr Gebet für uns alle bitten, die wir dazu berufen sind, den heiligen Vater bei seiner schwierigen Aufgabe zur Bereitstellung der überlieferten liturgischen Tradition zu unterstützen. Bitte haben sie Geduld mit uns, wir sind nur wenige, und es ist viel zu tun. Viele Fragen sind zu untersuchen, und manchmal machen wir vielleicht auch Fehler.
Möge die gesegnete Jungfrau und Gottesmutter Maria für alle in diesem Land, das so wunderschön „Die Mitgift unserer lieben Frau“ genannt wird, eintreten, so daß durch ihr Gebet alle Christgläubigen noch mehr Nutzen aus dem großen Reichtum der heiligen Liturgie der Kirche in all ihren Formen ziehen können.