Motu Proprio: Summorum Pontificum

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Zusatzinfo

Reform der Reform - nötiger als je zuvor

Keine „Sub-Diakonessen“ für den alten Ritus

28. 10. 2008

Drei Meldungen der letzten Wochen haben bei den Anhängern des alten Ritus besorgtes Interesse ausgelöst:

  1. Erweiterung der Zahl der Entlassungsformeln für die Feier der Messe nach dem Missale Pauls VI.;
  2. die Aussage des Papstes im Vorwort zu Band 1 seiner gesammelten Werke, es sei nicht daran gedacht, im NO den Umbau der Altäre für die Feier „ad dominum“ vorzuschreiben und
  3. die Bitte einer Mehrheit der Teilnehmer der soeben zu Ende gegangenen Bischofssynoder zur hl. Schrift, der Papst möge die Einsetzung von Frauen für den Dienst des „beauftragten Lektors“ (und nicht wie bisher des „provisorischen“ Lektors) erlauben.


Aber der Reihe nach.

1. Die Entlassungsformeln

Zum ersten Punkt glaubten wir mit der Zitierung von Fr. Finigan genug gesagt zu haben: Der Novus Ordo hat ohnehin schon zu viele Optionen – und deren Zahl hat sich jetzt mit einem Schlag vervierfacht. Wohlgemerkt: Zu viele Optionen. Etwas anderes wäre es mit Varianten - d.h. mit verschiedenen Formeln für verschiedene klar bestimmte Gelegenheiten. Die überlieferte Liturgie kannte solche Varianten - „benedicamus Domino“ in der Fastenzeit, „requiescant in pace“ für Totenmessen – aber diese Varianten wurden in der Liturgiereform fast völlig abgeschafft. Jetzt etwas äußerlich Ähnliches als in das Belieben des Priesters gestellte Optionen wieder einzuführen ist mit den Vorstellungen, die vor vier Jahrzehnten zur Abschaffung der Varianten führten, sicher nicht zu vereinbaren. Es ist auch nicht zu vereinbaren mit dem von Kardinal Ratzinger früher geäußerten Wunsch, die Masse der Optionen zu vermindern. Daß er dennoch von den über 70 vorgeschlagenen Optionen immerhin 3 genehmigt hat, ist wohl nur damit zu erklären, daß er weiß, daß die Priester ohnehin ständig eigene Formulierungen verwenden – und daß er sich derzeit nicht im Stande sieht, diesen Mißbräuchen Einhalt zu gebieten.

Zu bedauern ist diese Entscheidung trotzdem: wieder einmal wird eine schlechte Praxis als „vorauseilender Gehorsam“ abgesegnet, und wieder einmal dürfen sich Liturgieausschüsse und „Vorsteher der Eucharistie“ in der Rolle bestätigt sehen, die ihnen nach Ansicht des Papstes doch gar nicht zusteht: Als „Gestalter“ der Liturgie.

Auf die Feier der hl. Messe nach den Büchern von 1962 hat diese Neuerung im Missale Pauls VI. keinen Einfluß – sie gibt aber wohl denen Auftrieb, die für die – hoffentlich noch lange ausbleibende – Revision dieser Bücher die Wiedereinführung der alten Varianten fordern.

2. Nicht wieder Druck zum „Umdrehen der Altäre“

Auf den zweiten Punkt, die Aussagen des Papstes in seinem Vorwurt zum Liturgieband der gesammelten Werke, gehen wir vielleicht noch einmal ausführlicher ein, wenn dieser Band auf Deutsch vorliegt. Was bisher in Englisch und Italienisch aus diesem Vorwort veröffentlicht wurde, bietet keinen Grund zur Beunruhigung. Der Papst bekräftigt, was er schon immer gesagt hat: Daß die Zelebration „ad Orientem“ mit ihrer kosmologischen und christologischen Begründung zum ältesten Gut der Kirche gehört, daß die Wendung „ad Populum“ eine moderne Erfindung darstellt – und daß man jetzt aber nicht anordnen müsse, die Altäre erneut umzudrehen, weil bereits das erste geradezu zwanghaft (obwohl nicht vorgeschriebene) Umdrehen der Altäre viel Schaden angerichtet habe.

Papst Benedikt erneuert in diesem Vorwort seinen bereits im „Geist der Liturgie“ gemachten und inzwischen durch das „Benediktinische Arrangement“ beispielhaft vorgestellten Vorschlag, durch die optische Barriere der hohen Kerzen auf dem Altar die Illusion des „Sich ins Gesicht-Schauen-Sollens“ aufzubrechen und durch ein unübersehbares Kreuz auf dem Altar die gemeinsame Zuwendung von Priester und Gemeinde zum Gekreuzigten wieder eindringlicher erfahrbar zu machen. Von daher erklärt er die Frage der „Orientierung“ von Altar und Priester selbst zu einer Nebenfrage, über die man sich nicht zerstreiten solle – wohl wissend, daß der von keinem störenden Kruzifix gehemmte Blickkontakt zwischen Vorsteher und Gemeinde in der Lehre häretisierender Theologen eine ganz wesentliche Rolle bei ihrer modernistischen Umdeutung des Geschehens am Altar spielt.

Wie die alles andere als enthusiastische Aufnahme des „Benediktinischen Arrangements“ in Deutschland zeigt, wollen sich die Befürworter der gemeindezentrierten Liturgie ihr für alle praktischen Zwecke unsichtbares Liegekreuz denn auch keinesfalls nehmen lassen. Dem wäre wohl noch nicht einmal durch ein Verbot beizukommen – und genau davor schreckt der Papst, der die Intransingenz der Professoren für Theologie und Liturgie kennt wie kaum jemand anderes, aus nachvollziehbaren Gründen zurück.

Und doch bleibt bei vielen ein ungutes Gefühl zurück: So nachvollziehbar es ist, daß der Papst sich hier nicht in eine Auseinandersetzung begeben will, die nachgerade dazu einlädt, mit immer neuen Finessen dem Kern der Sache auszuweichen – es ist doch schade, daß er die Gelegenheit der Sammlung seiner Liturgischen Schriften nicht dazu genutzt hat, einmal selbst (und nicht nur durch seinen Zeremoniar anläßlich der Zelebration ad dominum in der Sixtina) ganz deutlich auszusprechen, daß weder Sacrosanctum Concilium noch das Missale Pauls VI. und seine inzwischen auch schon zweimal revidierte „Institutio generalis“ das Umdrehen der Altäre zur Pflicht machen. Das könnte, wo es schon Bischöfen an Einsicht fehlt, doch wenigstens staatlichen Denkmalschutzbehörden erleichtern, den Abrißkolonnen Halt zu gebieten. So wird, wie gerade erst im Freiburger Münster, die ideologisch motivierte Zerstörung historischer Räume und der Bruch mit der alten und nie verworfenen Tradition der Zelebrationsrichtung wohl weitergehen und auch die letzten noch nicht reformierten Altäre erfassen.

3. Institution von Frauen als Lektorinnen?

Dritter und aktuellster Punkt ist der von einigen „progressiven“ Bischöfen wohl in überfallartiger Weise auf der Bischofssynode zur hl. Schrift präsentierte Vorschlag, künftig auch Frauen zu Lektoren zu „instituieren“. Das ist rechtlich gesehen etwas anderes als die verbreitete Praxis, auch Frauen zum Lektorendienst heranzuziehen.

Als Papst Paul VI. auf Druck des bekannt kirchentreuen österreichischen Bistums Linz die niederen Weihen „abschaffte“, richtete er zum Ersatz die Dienste des „instituierten Akolythen“ und des „instituierten Lektors“ ein – das sind Männer, die nach geeigneter Ausbildung vom Bischof ausdrücklich in diesem Sinne zur Übernahme der entsprechenden Dienste „instituiert“ werden – wobei natürlich, wie so oft in Bestimmungen dieser Zeit, eher unklar bleibt, was es mit dieser „Instituierung“ auf sich hat, wurde doch gleichzeitig festgelegt, daß diese „Institutio“ keine Eingangsstufe in den Klerus bedeute. Gleichzeitig wurde erklärt, daß da, wo keine „instituierten Lektoren“ verfügbar sind, auch Laien beiderlei Geschlechts nach Maßgabe einer vom Ortsbischof zu treffenden Regelung mit der Übernahme des Lektorendienstes beauftragt werden können.

Vielerorts haben die Bischöfe überhaupt keine Lektoren „instituiert“, um von vornherein freie Bahn zu schaffen für die Übernahme der Lektorenfunktion durch Laien allgemein, insbesondere natürlich Frauen. Anderen waren diese Dienste wohl auch noch zu nahe an den von ihnen abgelehnten „niederen Weihen“ - und wieder andere erteilten sie, weil ihnen dieser „Ersatz“ durchaus zur stufenweisen Einführung in das Priesteramt willkommen war, ausschließlich an Seminaristen zur Vorbereitung auf den tatsächlichen Eintritt in den Klerus mit der Diakonsweihe. Praktisch spielte die Einrichtung des „instituierten Lektors“ in den letzten Jahrzehnten so gut wie keine Rolle – bzw. die Bischöfe beauftragten bisher auch schon Frauen als Lektorinnen, ohne sie formell zu „instituieren“.

Das könnte sich freilich ändern, wenn der Papst dem Verlangen der Bischöfe nachkäme, dieses „Institut“ für Frauen zu öffnen. Auch wenn die darauf drängenden Bischöfe natürlich jederzeit beteuern würden, mit ihrem Vorstoß keinesfalls den Weg zur Frauenordination bahnen zu wollen, wäre genau dies der öffentliche Eindruck. Kein Bischof kann so weltfremd sein, das nicht wahrzunehmen: Die „Instituierung“ von Frauen in einen in dieser Form bisher ausdrücklich Männern vorbehaltener liturgischer Dienst mit explizitem bischöflichen Auftrag, früher sogar eine der „niederen Weihen“, könnte von Befürwortern wie Gegnern der Frauenordination gar nicht anders verstanden werden als der erste Schritt auf einem – mit der üblichen katholischen Langsamkeit – neu eingeschlagenen Weg in den immer neuen Frühling.

Keine 15 Jahre nach „Ordinatio Sacerdotalis“ von Johannes Paul II., in dem die Unmöglichkeit der Frauenordination lehramtlich festgestellt wird, wäre das übrigens gar nicht so langsam. Schon überlegen Kenner des kanonischen Rechts, ob solcherart „instituierte“ Lektorinnen nicht auch als Subdiakoninnen beim Hochamt nach dem Messbuch von 1962 amtieren könnten – für manchen dem alten Ritus eher ablehnend gegenüberstehenden Prälaten sicher eine willkommene Gelegenheit, seine Aufgeschlossenheit gegenüber den Anliegen der modernen Zeit an einem besonders spektakulären „Objekt“ zu demonstrieren.

Alles spricht dafür, daß es weder unter Papst Benedikt XVI, dem der Herr noch eine lange und erfolgreiche Regentschaft schenken möge, noch unter einem Nachfolger zur Umdefinition des „institutionierten Lektorats“ kommen wird. Die „Anfrage 17“, als die der Wunsch nach der „Frauen-Institution“ im Schlußdokument der Synode aufgeführt ist, war der Punkt, der bei den Abstimmungen die meisten Gegenstimmen bekam – 190 dafür, 50 dagegen. In einer so kontroversen Angelegenheit würde der Papst selbst dann nicht gegen die Tradition entscheiden, wenn ihm nicht deutlicher als vielen Bischöfen vor Augen stünde, daß da ein Weg anvisiert wird, der letztlich in Widerspruch zu „Ordinatio Sacerdotalis“ führen wird. Daß 190 dafür waren, ist freilich schlimm genug und zeigt, daß der auf dem 2. Vatikanischen Konzil eingeübte Reflex: „Progressiv ist gut – Tradition ist Beschwernis“ immer noch funktioniert.

Dabei würde ein Blick auf die aktuellen Entwicklungen im anglikanischen Bereich, insbesondere in der Episkopalkirche der USA, völlig ausreichen, um auch die letzten Illusionen in dieser Hinsicht zu ruinieren. Merkwürdigerweise findet diese Entwicklung auch in den über kirchliche Themen berichtenden Medien hierzulande praktisch kein Echo – und dabei konnte man sich doch des Lobes nicht genug tun, als vor zwei Jahren „Bischöfin“ Katherine Jefferts Schori zum Leitenden Bischof der USA-Episkopalen (ECUSA) gewählt wurde.

Inzwischen haben die Auseinandersetzungen über die Bischofsweihen von Frauen und von offiziell „verpartnerten“ homosexuellen Bischöfen und ähnliche Zeitgeist-Themen dort ein solches Ausmaß angenommen, daß mehrere Diözesen beschlossen haben, ganz oder mit der Mehrheit ihrer Pfarreien aus dem Verbund der ECUSA auszutreten und sich afrikanischen oder südamerikanischen Gemeinschaften der anglikanischen Tradition anzuschließen. Das hat zu erbitterten gerichtlichen Auseinandersetzungen über die Eigentumsrechte an Kirchen, Schulen, Pfarrhäusern usw. geführt – und neuerdings zu der bemerkenswerten insbesondere von „Bischöfin“ Schori betriebenen Variante, Bischöfe und Priester, die mit ihren Gemeinden zu einer traditionsorientierteren anglikanischen Gemeinschaft überwechseln wollen, unter Beiziehung eines Paragraphen über den „Abfall vom Glauben“ zu „exkommunizieren“ und ihrer Ordination bzw. Bischofsvollmacht verlustig zu erklären. Das von einem anglikanischen Geistlichen geführte Blog „Transfigurations“ bietet hervorragende Informationen über diese Entwicklung, die sich hoffentlich nicht als Blick in die Zukunft der Kirche erweisen wird.

Hoffen wir eher, daß die von den Befürwortern der „Frauen-Institution“ jetzt losgetretene Debatte zu einer ganz anderen Wirkung führt: Zur Erkenntnis, daß die von Papst Paul VI. verfügte „Abschaffung“ der niederen Weihen wie so viele andere Maßnahmen aus dieser Zeit nicht zum erhofften Ziel geführt, sondern nur neue und größere Probleme bereitet hat. Dann wäre es nur noch ein kleiner Schritt, diese im Bereich der dem alten Ritus verpflchteten Gemeinschaften ja weiterhin gespendeten Sakramentalien auch wieder in den Schatz der für die ganze Kirche verbindlichen Tradition zurückzuführen.