Motu Proprio: Summorum Pontificum

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Zusatzinfo

Kardinal Vingt-Trois zum Verhältnis zwischen Papst und Bischöfen.

„Der Papst hat uns gar nichts zu befehlen!“

15. 9. 2008

Als wir vor wenigen Tagen davon sprachen, das Verhältnis zwischen der französischen Kirche und Rom stehe unter einer "ständig unterschwellig vorhandenen Drohung mit dem Schisma", haben wir uns gefragt, ob der Ausdruck nicht vielleicht zu hart sei. Ganz bestimmt nicht haben wir uns gewünscht, so bald eine Bestätigung dieser Aussage aus berufenem Mund zu hören.

Die Beschreibung des Verhältnisses zwischen Papst und Nationalkirche durch den Kardinal von Paris geht jedenfalls nahe daran, die "unterschwellige" Drohung zu einer klar ausgesprochenen zu machen. Dabei ändert es auch nichts an der Sache, daß der Kardinal mit seinem „Die Beziehung zwischen dem Papst und den Bischöfen ist keine Beziehung zwischen einem Chef und seinen Angestellten“ (Quelle) etwas zurückweist, was, so ja auch gar nicht zur Debatte steht. Gewiss betrachtet der Papst die Ortsbischöfe nicht als seine Angestellten, und er meidet alles, was bei ihnen den Eindruck hervorrufen könnte, er wolle sie als solche behandeln.

Andererseits macht das geltende kanonische Recht unmißverständlich klar, daß der Papst weitaus mehr ist als ein Frühstücksdirektor, der bei seinen gelegentlichen Besuchen zwar einen besonders schönen Stuhl bekommt, sich aber ansonsten doch bitte aus den Dingen heraushalten möge. Kanon 333.1:

Zitat: Der Papst hat kraft seines Amtes nicht nur Gewalt in Hinblick auf die Gesamtkirche, sondern besitzt auch über alle Teilkirchen und deren Verbände einen Vorrang ordentlicher Gewalt, durch den zugleich die eigenberechtigte, ordentliche und unmittelbare Gewalt gestärkt und geschützt wird, die die Bischöfe über die ihrer Sorge anvertrauten Teilkirchen innehaben.

Weitere erhellende Ausführungen finden sich in den Abschnitten 331 und 375.

Nein, die Bischöfe sind keine Angestellten des Papstes, und sie stehen auch nicht in einem Verhältnis "knechtlicher Unterordnung" zu ihm, wie der Kardinal auf seiner Pressekonferenz klarstellen zu sollen glaubte. Aber der Papst ist der Nachfolger Petri und der Stellvertreter Christi auf Erden - und die Bischöfe sind seine Helfer im gemeinsamen Werk. Wenn sie das als "subordination servile" empfinden, dann sollen sie gleich zu den Lutheranern gehen.

Nach der Papstmesse in Lourdes erobern Touristen den verlassenen Sitz des Papstes. Bild:Spiegel-Online

Wenn wir - was uns ja mit Gottes Hilfe eher selten unterläuft - solche etwas kräftigeren Wendungen in unsere Artikel einfließen lassen, erreichen uns unfehlbar am nächsten Tag besorgte Anfragen, ob das denn hätte sein müssen - schließlich gehe es doch um die Nachfolger der Apostel, denen Liebe und Ehrfurcht geschuldet sei. Die wollen wir dem Amt auch nicht versagen, aber gegenüber manchen seiner Träger fällt es uns nicht leicht. Das Bischofsamt ist nicht nur eines der höchsten, das die Kirche zu vergeben hat, sondern auch eines der gefährdendsten. In allen Jahrhunderten gab es spalterische Bischöfe - schon Paulus mußte sich seinerzeit in Korinth mit einem von der Sorte herumschlagen. Bischöfe, die die Hirtensorge vernachlässigten und stattdessen ihren machtpolitischen Spielen nachgingen, waren seitdem zwar nicht der Normalfall, aber auch keine Ausnahme. In einigen Jahrhunderten, und nicht nur im Barock, stellten sie die Mehrheit der höheren Prälaten - und Unabhängigkeit gegenüber Rom war stets eine ihrer beliebtesten Parolen. Das alles ist überhaupt nichts Neues und wird die Kirche begleiten bis zum Ende der Zeit. Das einzige, was neu ist, ist die Forderung, daß man darüber aus kindlicher Demut und im Geist der Nächstenliebe doch ja kein Wort verlieren dürfe und steif und fest behaupten müsse, die neuen Kleider der jeweiligen Eminenz seinen von ganz vorzüglichem Schnitt. Aber mancher Kaiser ist nun mal einfach nackt.

Doch zurück nach Frankreich, dessen prominentester Kardinal jetzt in seinem Ärger etwas zu deutlich ausgesprochen hat, was nicht wenige seiner Mitbrüder im Bischofsamt in Deutschland oder den USA auch glauben und an ihren theologischen Fakultäten lehren lassen - aber bitte nicht so plakativ. Die Anhänger des alten Ritus wären schlecht beraten, den Grund für den Unwillensausbruch von Kardinal Vingt-Trois allein darin zu suchen, daß der Papst - nachdem er sich bei seinem Interview auf dem Flug nach Paris eher diplomatisch geäußert hatte - im direkten Gespräch mit den Bischöfen ziemlich unverblümt verlangte, man solle die Obstruktionspolitik gegenüber seinem Motu Proprio einstellen und „innerhalb vernünftiger Zeit zu allseits akzeptablen Lösungen kommen“.

In seiner Rede vor der Bischofskonferenz hat der Papst - so zumindest unser erster Eindruck - keines der Themen ausgelassen, die seit Jahrzehnten den Himmel über der französischen Kirche verdunkeln - über die man aber nicht sprechen durfte.

Andere bedienen sich an den unbeachtet herumstehenden konsekrierten Hostien. Bild:Spiegel-Online

Nicht nur die Zahl der Katholiken, die durch Teilnahme am Sonntagsgottesdienst ihr Bemühen um eine katholische Lebensführung zum Ausdruck bringen, ist außerordentlich niedrig. Selbst bei denen, die noch zur Messe kommen, ist das Wissen über den Glauben oft äußerst gering. An erster Stelle sprach der Papst daher die Frage der Katechese an - und provozierte seine Zuhörer (nicht nur die in Frankreich) mit einer nachgerade ketzerischen These: „Katechese ist nicht zuerst eine Sache der Methode, sondern des Inhalts“. Damit hat er all den gelehrten Spiegelfechtereien die Grundlage entzogen und den Blick auf das gelenkt, dem viele lieber aus dem Weg gehen wollen: Den Katechismus der katholischen Kirche. Der Glaube ist das erste.

Als zweites sprach der Papst die Rolle und Bedeutung des Priestertums an. Nicht nur in Frankreichs Diözesen ist man bemüht, aus der Berufungsnot, die eine immer unattraktivere Beschreibung der Aufgaben und Stellung des Priesters geradezu zwangsläufig verursacht, eine Tugend zu machen und die Übernahme von immer mehr - auch gottesdienstlichen und seelsorglichen - Aufgaben durch Laien zum Ideal einer zeitgemäßen Pastoral zu verklären. Dazu Papst Benedikt: „Hört nicht auf, zum Priestertum oder zum geweihten Leben einzuladen. (...) Die Priester sind ein Geschenk Gottes an die Kirche. In dem, was die ihnen eigene Sendung betrifft, können die Priester ihre Aufgaben nicht den Gläubigen übertragen.“ Speziell genannt werden dann „den Gläubigen den Leib und das Blut Jesu zu reichen und die Sünden zu vergeben“.

So etwas zu hören muß überall da tief schmerzen, wo man gerade pseudoliturgische Riten ersinnt, um der Beauftragung von "Laienseelsorgern" den Anschein einer Ordination zu geben.

An dritter Stelle dann Summorum Pontificum mit den Kernsätzen: „Der liturgische Gottesdienst ist der höchste Ausdruck des priesterlichen und bischöflichen Lebens wie auch der katechetischen Unterweisung. Eure Aufgabe der Heiligung der Gläubigen, liebe Brüder, ist unerlässlich für das Wachstum der Kirche. Im Motu Proprio Summorum Pontificum wurde ich dazu geführt, die Bedingungen für die Ausübung dieser Aufgabe zu präzisieren im Hinblick auf die Möglichkeit der Benutzung sowohl des Messbuchs des seligen Johannes XXIII. (1962) als auch des Messbuchs Papst Pauls VI. (1970)“

Haben wir nicht auch hierzulande oft genug hören müssen, die Seelsorge sei so überlastet, daß man da nicht wegen ein paar Nostalgiker die Manipel auskramen könne - vom verstaubten Latein und den anderen traditionellen Gesums ganz zu schweigen? Und da erklärt ihnen der Papst ganz nachhilfemäßig, was sie aus dem Gleichnis vom guten Hirten schon selbst hätten erforschen können: „Niemand ist in der Kirche überflüssig. (...) Gott, der alle Menschen liebt und nicht will, dass einer von ihnen verloren geht, vertraut uns diese Sendung an und macht uns zu den Hirten seiner Schafe.“ Und daran, daß er Tradition nicht für verstaubt hält, läßt er ohnehin keinen Zweifel.

Doch weiter im Katalog der Rede von Lourdes - im Schnelldurchgang:

  • Familienpolitik: Liebevolles Zugehen auf die Menschen in Sündennot: ja – Konzession an den allgegenwärtigen Geist von Relativismus und Lebensfeindlichkeit: nein.
  • Die Jugendlichen bleiben weg? Sie suchen die Wahrheit, und nichts weniger als die muß man ihnen geben.
  • Der Staat besteht auf seiner Unabhängigkeit von der Kirche? Nun, dann besteht ihr auf der Unabdingbarkeit der gottgegebenen Grundlagen für jedes menschliche Zusammenleben. Ohne das kann auch der Staat nicht bestehen.
  • Dialog und Verständigung mit anderen christlichen und nichtchristlichen Glaubensgemeinschaften - aber sicher doch. Allerdings nur da, wo eine gute Ausbildung und geschulte Unterscheidungsgabe verhindern, daß leeres Stroh gedroschen wird und der Dialog nicht zur Wahrheit hin, sondern von ihr weg führt. „Die globalisierte, plurikulturelle und plurireligiöse Gesellschaft, in der wir leben, ist eine Gelegenheit, die der Herr uns schenkt, um die Wahrheit zu verkünden und die Liebe zu üben, um ohne Unterschied jeden Menschen zu erreichen, auch jenseits der Grenzen der sichtbaren Kirche“.

Womit wir die wesentlichen Punkte der Rede des Papstes zusammengefasst hätten.

Selbst wenn Papst Benedikt das alles so knapp gesagt hätte, wie es hier in der Kurzfassung erscheinen mag - es wäre doch keine Befehlsausgabe gewesen, sondern schlicht und einfach die Befestigung in unaufgebbaren Grundpositionen. Wenn ein Kardinal der hl. römischen Kirche - und nach dem Bericht in la Croix nicht nur er allein - das als "Zurechtweisung" empfindet und meint, sich gegen eine "knechtliche Unterordnung" verwahren zu müssen – nun, dann war es für eine vom Papst auszusprechende "brüderliche Korrektur" wirklich allerhöchste Zeit.

Und so langsam wird für jeden erkennbar, worum es bei der Auseinandersetzung über die von vielen als Randthema betrachtete Frage nach den Formen der Liturgie wirklich geht.