Vom neuen Frühling
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- 17. Juli 2015
Die Deutsche Bischofskonferenz hat heute Zahlen zur Kirchenstatistik 2014 veröffentlicht. Sie weisen - unter anderem - für dieses Jahr 217 716 Kirchenaustritte aus. Das ist das bisher höchste Jahresergebnis, höher noch als im Jahr 2010, dem Höhepunkt des Mißbrauchskandals.
Die üblichen Verdächtigen haben die Zahl in der üblichen Weise kommentiert. Bischof Genn von Münster, Vorsitzender der DBK-Kommission für geistliche Berufe und Kirchliche Dienste, brachte die „Verwirrung um den Kirchensteuereinzug auf Kapitalvermögen“ ins Spiel. Der Sprecher von Wir sind Kirche lieferte eine Spitzenleistung in angewandter Dialektik: „Der Geist von Franziskus ist noch nicht so in Deutschland spürbar, wie es sein müsste. Diese Kontrollwut, wie wir sie auch von Papst Benedikt erlebt haben - das muss vorbei sein.“
Besonders schöne Worte fand der DBK-Vorsitzende Kardinal Marx:
Die heute veröffentlichte Statistik zeigt, dass Kirche vielgestaltig ist und eine missionarische Kraft hat, auch wenn uns die hohe Zahl von Kirchenaustritten schmerzlich bewusst macht, dass wir Menschen mit unserer Botschaft nicht erreichen. Hinter der Zahl der Kirchenaustritte stehen persönliche Lebensentscheidungen, die wir in jedem einzelnen Fall zutiefst bedauern, aber auch als freie Entscheidung respektieren.“
In einer Synthese aller genannten, angedeuteten oder unterstellten Gründe versuchte sich der Kölner Generalvikar Dominik Meiering:
Der Kirchenaustritt ist nur der letzte Schritt auf einem langen Weg, auf dem einem Menschen die Kirche immer fremder wird. Wer in der Kirche keine Heimat mehr hat, dem fällt es leichter, bei einem akuten Anlass förmlich den Austritt zu erklären.“
Doch genau die Suche nach einem akuten Anlass dürfte in die Irre führen, die Realität ist weitaus weniger spektakulär - und dafür viel beunruhigender: Inzwischen kommt die zweite Generation der nach dem Konzil aufgewachsenen und von keiner Katechese, keinem inhaltlich relevanten Religionsunterricht und keiner missionarischen Predigt jemals erreichten Taufscheinkatholiken ins berufstätige Alter. Sie bekommen ihre Lohnabrechnung oder ihren Steuerbescheid und stolpern dort über einen Posten, an den sie ja überhaupt nicht gedacht hatten: Die Kirchensteuer. Da braucht es in den meisten Fällen keinen langen Weg oder eine persönliche Lebensentscheidung - der Austritt aus der Kirchensteuergemeinschaft ist für viele in dieser Generation wenig mehr als ein naheliegender Schritt zur Aufbesserung der Urlaubskasse.