Buchvorstellung: The Dictator Pope
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- 04. Dezember 2017
Heute, am 4. Dezember, erschien die englische Version des aufsehenerregenden Buches „Il Papa dittatore“. Der unbekannte Verfasser bedient sich des Pseudonyms Marcantonio Colonna – das war ein hochrangiger Angehöriger des italienischen Adelsgeschlechtes der Colonna, der – von Papst Pius IV. aus Rom verbannt – in den Dienst des spanischen Königs trat und als Admiral eine wichtige Rolle in der Seeschlacht von Lepanto spielte. Er brachte es bis zum Vizekönig von Sizilien und gilt als einer der intimsten und auch selbst skrupellosesten Kenner der Machtpraktiken des 16. Jahrhunderts.
Das nun erschienene Buch seines geistigen Nachfahren zeichnet in 6 Kapiteln ein Bild von der aktuellen Verfasstheit des Vatikans, das – sofern es denn auch nur zur Hälfte zutrifft – selbst dem einen Schrecken einjagen muß, der bisher schon keine hohe Meinung vom Rom unter dem Regiment des Jorge Mario Bergoglio von Buenos Aires hatte.
Das Bucht enthält 6 Kapitel mit den Überschriften:
- Die St. Gallen-Mafia
- Der Kardinal aus Argentinien
- Die Reformen – welche Reformen?
- Auf krummen Wegen
- Barmherzigkeit, Barmherzigkeit!
- Der Kreml von Santa Marta
Hier soll zunächst der Inhalt der drei ersten Kapitel kurz vorgestellt werden. Diese Kapitel – die anderen haben wir nur überflogen, aber sie erwecken den gleichen Eindruck – verzichten völlig auf Polemik und stützen sich weitestgehend auf bereits bekannte Quellen – oft aus dem Umfeld des Papstes selbst oder dem seiner Unterstützer. Neu ist nur die umfassende Zusammenstellung des Materials und das sich daraus ergebende Gesamtbild.
Das erste Kapitel zeichnet detailliert nach, was über die St. Gallen-Mafia (von Kardinal Daneels selbst geprägter Ausdruck) bekannt ist. Es ergibt sich das Bild einer bestens vernetzten Gruppe, die seit Beginn der 90er Jahre eng zusammenarbeitete, um die konservativen Impulse, die vom Pontifikat JPII ausgingen, zu neutralisieren und die Weichen in Richtung auf einen modernistischen Neubeginn „im Geist des Konzils“ zu stellen. Als theologische Köpfe der Gruppe benennt er die Kardinäle Martini und Kasper. In der Position eines Chefstrategen sieht er den Brüsseler Kardinal Daneels. Insbesondere die beiden letztgenannte identifiziert der Autor als Personen, die von einer bis zur Kapitulation gehenden Kompromissbereitschaft gegenüber den Forderungen der „Sexuellen Befreiung“ gekennzeichnet sind.
Diese Gruppe war kein monolithischer Block, zusammengehalten wurde sie durch ein gemeinsames Streben nach „Dezentralisierung“, „Kollegialität“ und „Patorale Orientierung“. Nach der Wahl Benedikts sah sie sich in der Hoffnung auf Installation eines eigenen Kandidaten enttäuscht und verfiel zunächst in eine Art Schockstarre. Umso dankbarer ergriff sie die Gelegenheit von Benedikts überraschendem Rücktritt und nahm ihre (nach den Regularien des päpstlichen Stuhls) unzulässige Fraktionsarbeit zur Vorbereitung des Konklaves wieder auf – und setzte sich mit ihrem 2005 noch gescheiterten Kandidaten Bergogli durch.
Dieses zweite Kapitel beschreibt Leben und Tätigkeit Bergoglios in Argentinien. Als prägende Figur im Argentinien des jungen Bergoglio benennt der Autor den autokratischen Herrscher Peron. Von den Jesuiten, denen er sich früh anschloss „erbte“ Bergoglio die Fähigkeit, sich von für unwesentlich Gehaltenem zu befreien, um das für wesentlich Erachtete zu erreichen. Die so demonstrativ zur Schau getragene Nähe zur Armut betrachtet der Colonna von daher durchaus als echt – sie steht im Dienst eines alles überragenden Willens zur Macht: Der Aufstieg zur Spitze fällt leichter, je mehr man sich von Ballast befreit. Freilich nicht nur von materiellem, sondern auch von humanem. Der Weg des Erzbischofs von Buenos Aires ist danach gesäumt von bei Seite geräumten Gegnern und nach Erfüllung ihrer Aufgabe weggeworfenen Unterstützern. Die Befreiungstheologie passt in mehrfacher Hinsicht in dieses Bild – allerdings nicht in ihrer akademischen Variante, die in Europa beliebt ist, sondern in einer populistischen Variante der „Volkstheologie“. Opportunismus und Skrupellosigkeit nach peronistischem Vorbild gelten dort eher als Stärken denn als Schwächen.
Colonna referiert aus einem Gutachten von Bergoglios Oberen im Jesuitenorden, das anläßlich seiner Ersuchens zur Zulassung zur Bischofsweihe erstellten, das ein äußerst negatives Psychogramm Bergoglios zeichnet. Allerdings nur vom Hörensagen bzw. journalistischen Berichten, denn das Gutachten selbst sei inzwischen aus den Archiven des Ordens verschwunden. Eine große Zahl anderer meist gut belegter Berichte aus Bergoglios Bischofstätigkeit scheinen jedoch zu bestätigen, daß Opportunismus, Skrupellosigkeit und eiserner Machtwille zu den bestimmenden Charakterzügen des Mannes „aus einem fernen Land“ gehören. Von daher ließ Bergoglio sich nie in das Schema rechts-links oder progressiv-traditionsorientiert einordnen. Es geht ihm weniger um bestimmte Ziele, sondern um die eigene Person und ihre Stellung in der sie umgebenden Welt. Die Unfähigkeit, sich in vorgefundene Strukturen einzuordnen, ist danach letztlich das Motiv für einen Machtwillen, der die Herrschaft über diese Strukturen anstrebt und ermöglicht. Mit der Wahl zum Papst hat dieser Machtwille den Mann aus der Vorstadt von Buenos Aires auf eine kaum für denkbar gehaltene Ebene geführt.
Zum Rücktritt Benedikts und em Verlauf des Konklaves fasst der Autor zusammen, was schon anderswo mehr oder weniger gut informiert und kontrovers behandelt wurde. Ohne sich damit zu identifizieren, referiert „Colonna“ die Vermutung des Journalisten Antonio Socci, der die Gültigkeit der Wahl aufgrund eines Formfehlers – sie fand in einem 5. Wahlgang statt, der an diesem Tag je nach Auslegung der Geschäftsordnung nicht zulässig gewesen wäre – bezweifelt hat, und schließt das 2. Kapitel mit den Worten: „Ob man sich nun Soccis Ansicht anschließt oder nicht – irgendwie passt es ins Bild, daß der politische Erbe Juan Perons durch eine möglicherweise ungültige Abstimmung zum Haupt der katholischen Kirche bestimmt wurde.“
Das 3. Kapitel behandelt die von Franziskus angekündigten und von seinen Unterstützern erwarteten Reformen bzw. den Stand ihrer Umsetzung. „Colonna“ nennt dafür drei zentrale Felder: Reform der Kurie, Aufarbeitung und Vorbeugung in Sachen sexueller Mißbrauch und die vatikanischen Finanzen. In allen drei Feldern zieht er eine negative Bilanz.
Der Autor präsentiert einen historischen Rückblick auf die Entwicklung der Kurie in der Nachkriegszeit, die unter anderem eine personelle Ausweitung von um 1200 zu über 3000 Mitarbeitern sowie deren Internationalisierung mit sich brachte. Papst Paul VI. habe der sich zur Bürokratie entwickelnden Kurie weitgehend freie Hand gelassen, noch mehr Johannes Paul II, der sich in seinem langen Pontifikat für die interne Verwaltung wenig interessierte und Kräfte zum Zug kommen ließ, die bestehende Mißstände noch verschlimmerten. Auch der wenig verwaltungsaffine Benedikt brachte keine Abhilfe, eher im Gegenteil. Schließlich waren große Teile der Kurie in der Hand von mafiösen Gruppen, die teils in ebenso bedenkliche wie einträgliche Finanzgeschäfte, teils in einen homosexuellen Sumpf und teils in beide verstrickt waren. Die Blockade- und Sabotagepolitik der um ihre Pfründe und Privilegien fürchtenden Nutznießer dieses Systems sieht der Autor utor als einen der Hauptgründe für Benedikts Resignation, und als Zentrum aller unguten Kräfte und Tendenzen hat er das im Lauf der letzten 3 Pontifikate übermächtig gewordene Staatssekretariat ausgemacht. Das alles ist nicht wirklich neu – aber wir zumindest haben es bisher noch nie in einer so umfassenden und auch weitgehend leidenschaftslos vorgetragenen Zusammenstellung gelesen.
Die ersten fünf Jahre des als Reformpapst angetretenen Franziskus haben im Bereich der vatikanischen Verwaltung zwar einige Köpfe rollen lassen und rundum viel Staub aufgewirbelt – aber, so „Colonna“, nichts wesentliches bewirkt. Einen Hauptgrund dafür sieht er in den destruktiven und Spaltung hervorrufenden Charaktereigenschaften des Jorge Bergoglio: Mit hagan lio allein läßt sich nichts Konstruktives aufbauen. Und so ändert sich trotz aller gegenteiligen Ankündigungen letzten Endes nichts: Die verschiedenen von Franziskus eher planlos eingesetzten Räte und Kommissionen treten sich gegenseitig auf die Füße, neu geschaffene Ämter und Einrichtungen blieben monatelang unbesetzt oder ohne klare Führung. Die Unfähigkeit des Papstes zur Zusammenarbeit mit Personen, die sich ihm nicht bedingungslos unterwerfen, und sein Unwille, eine Kabinettsordnung mit festen Terminen, Verwaltungswegen und Verantwortlichkeiten zu etablieren, tun ein übriges dazu, das Chaos zum Dauerzustand zu machen.
Bei alledem, so Colonna, geht es keinesfalls um den Kampf eines im modernistischen Sinne reformwilligen Papstes gegen allgegenwärtige im traditionalistischen Sinne konservative Hardliner – die haben schon seit Paul VI. In der Kurie wenig Gewicht. Es geht überhaupt nur in zweiter Linie um Inhalte. Es geht um den Kampf verschiedener Gruppen oder Einzelpersonen mit verschiedenen Interessen, und der Papst agiert als eine davon.
Praktisch nichts hat der Papst nach Ansicht Colonnas gegen die homosexuellen Netzwerke unternommen, die bedeutende Teile der vatikanischen Strukturen im Griff halten. Im Gegenteil – einige Figuren aus der Szene, die sich ihm nützlich gemacht haben, bekleiden nach wie vor einflußreiche Positionen oder sind sogar aufgewertet worden. „Wer bin ich, zu urteilen“ bedeutet, daß Franziskus seine Mitarbeiter nicht nach moralischen Kriterien, sondern nach dem Grad iher Nützlichkeit beurteilt. Unter dem Mantel der Barmherzigkeit werden diese Maßstäbe unter dem bergoglianischen Regiment auch auf die Weltkirche ausgedehnt.
Die unter Ratzinger bereits in dessen Zeit als Präfekt der Glaubenskongregation eingeleiteten Maßnahmen – in Benedikts Amtszeit wurden nach Colonna 800 Priester wegen sexueller Verfehlungen aus dem Amt entlassen - zum Zurückdrängen der Mißstände werden konterkariert. Bischöfe, die sich an der Vertuschung von Mißbrauch beteiligten – der prominenteste darunter Kardinal Daneels – stehen wieder in hoher Gunst, Richtlinien, die einer Verschärfung der Aufsicht dienten, wurden offiziell aufgeweicht oder einfach nicht mehr angewandt.
Den unter Benedikt eingeleiteten Maßnahmen zur Zurückdrängung von Korruption und Selbstbereicherung in der Finanzverwaltung, die unter Franziskus eine Zeit lang fortgesetzt worden waren, erging es kaum besser. Die von Autor aufgezählten Fälle sind zu verwickelt und die beteiligten Institutionen zu zahlreich um hier nachgezeichnet zu werden, in dem Zusammenhang einer Buchvorstellung reicht es, sein Fazit zusammenzufassen: Die von den beauftragten Unternehmensberatungen für teures Geld entwickelten Pläne wurde vor allem wegen des Widerstands aus dem Staatssekretariat gar nicht oder nur in entkernter Form umgesetzt. Und die ungetreuen Verwalter, die es ganz im Stil einer spätfeudalen Höflingswirtschaft verstanden haben, sich die Gunst ihres Herrschers zu sichern, bleiben ungeschoren und können ihre Tätigkeit fortsetzen. Das Durcheinander in den wirtschaftlichen Angelegenheit wird von Monat zu Monat heftiger. Abhilfe ist nicht in Sicht. Tatsächlich habe es – so Colonna - unter Franziskus vor den vatikanischen Gerichten kein einziges Verfahren wegen finanzieller Verfehlungen und Korruption gegeben. Angeklagt, verurteilt, aber dann doch auch bald wieder begnadigt wurden nur Whistle-Blower.
Dieser dritte Teil schließt mit drei überaus brisanten Fragen, die hier kurz zusammengefasst werden sollen:
- Wie lange wird die italienische Justiz noch abwarten, bevor sie Auskünfte zu den italienischen Staatsbürgern verlangt, die durch Beteiligung an Geldwäsche und anderen finanziellen Manipulationen gegen italienische Gesetze beteiligt waren?
- Werden die internationalen Institutionen des Banken- und Finanzwesens den Vatikan vom internationalen Finanzverkehr ausschließen, bis eine von außen beaufsichtigte Bereinigung erfolgt ist?
- Könnte eine italienische Regierung den Lateranvertrag von 1929 aufkündigen, der den Vatikan zu einem unabhängigen Staat machte und damit ermöglichte, das dort einTummelplatz von Gesetzlosigkeit und Korruption entstand?
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